1198. Das besessene Weib zu Weinhausen.

[970] (S. Letzner B. VIII. C. 9.)


Im Jahre 1551 hat sich folgende Begebenheit zu Weinhausen im Amte Ußlar zugetragen. Es war daselbst eine Frau, Namens Anna N., vom Teufel besessen. Nun unternahm es der damalige Kaplan, Engelhard N. genannt, ein sehr alter Mann, den Teufel auszubannen und nahm an einem benannten Tage das vom Teufel besessene Weib in der Kirche zu Weinhausen vor sich. Als nun viel Volks aus Ußlar sich gen Weinhausen verfügte, machte sich auch Johannes Letzner, Pastor zu Iber im Amte Grubenhagen, auf und ging dahin. Dieser Engelhard ließ sich nun mit dem Teufel in ein weitläufiges Gespräch ein, wobei aber Letzterer über ihn spottete und unter andern sagte: »Du loser Plattner Du sollst wissen, daß, da ich um Deiner willen nicht herein gekommen bin, ich auch um Deiner willen nicht weichen werde.« Der Pfaffe sprach: »Ich beschwöre Dich bei dem lebendigen Gotte und durch die Kraft meiner priesterlichen Weihe, Du wollest mir die Wahrheit sagen, woher Du gekommen bist, und wann Du wieder aus und dahin fahren willst.« Da sprach der Satan in Beisein vieler Menschen: »Wenn ich Dir nun solches sage, was vermeinst Du damit zu gewinnen?« Der Pfaffe sprach: »Ich beschwöre Dich zum andern Male bei dem heiligen Blute und bei dem Holze des heiligen Kreuzes, daran Christus für dieses Weibes und aller Gläubigen Seele sein heiliges Blut vergossen hat, Du wollest mir die Wahrheit sagen, woher Du kommen bist, und wann Du den Tempel Gottes wiederum verlassen willst?« Der Teufel antwortete mit ganz kläglichen Worten und sprach: »Ich bin aus dem Bessowischen Meerpfuhl gekommen (bei Leuthorst gelegen, s. oben S. 930), dahin ich, wenn ich hier mein Werk verrichtet habe und meine Zeit ausgewesen ist, wieder fahren muß. Ich muß aber wieder kommen und in einen andern fahren.« Als aber nun der Pfaffe zum dritten Male mit ganz kräftigen Worten den Teufel angesprochen und beschworen, ist der Teufel dem leiblichen Ansehen nach ausgefahren, aber die Frau ist gleichwohl nachher geblieben, wie sie zuvor war, so daß man gemeint hat, der Teufel habe dem Pfaffen und den ganzen Zuschauern nur ein Geplärr vor Augen gestellt. Letzner hat erst gemeint, das Bessowische Meer sei ein wirkliches, viele hundert Meilen entferntes Meer, allein als er sieben Jahre Pfarrer zu Leuthorst war, da hat er erfahren, daß der dortige Pfuhl das Meer genannt werde. Dasselbe ist unergründlich, zuweilen kommen aber große Aale heraus, Niemand aber näherte sich ihm ohne Grausen und Entsetzen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 970.
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