1244. Der Meermann Ekke Nekkepenn.

[1010] (Nach C.P. Hansen, Friesische Sagen u. Erzählungen. Altona 1858 in 8°. S. 148 etc.)


Einst segelte ein Schiff nach England, unterwegs kam ein starker Sturm, so daß die Schiffsleute schon dachten, ihre letzte Stunde sei gekommen, in der Nacht ward auch noch das Steuerruder unklar. Da sahen einige von ihnen, welche über Bord blickten, wie ein großer Mann dicht bei demselben seinen Kopf aus dem Wasser herausreckte. Als sie ihn fragten, was er denn wolle, antwortete er, er wolle den Capitän sprechen. Als dieser aufs Verdeck kam und von oben herab den Mann fragte, was er wolle und wer er sei, versetzte er: »Ich bin der Meermann, mein Weib soll ins Wochenbett und verlangt, daß Deine Frau zu ihr kommt und ihr beisteht.« Der Capitän antwortete: »Meine Frau schläft und kann nicht kommen!« Darauf sagte der Meermann: »Sie muß! Denn wenn sie nicht kommt, so regt meine Frau die Wellen noch mehr auf und Euer Schiff geht zu Grunde!« Inzwischen kam die Capitänsfrau, welche Alles mit angehört hatte, herauf und erklärte, sie sei bereit, mit dem Meermann zu seiner Frau zu gehen und ihr zu helfen, sprang ins Wasser und verschwand mit demselben unter den Wellen. Augenblicklich beruhigten sich diese und der Sturm hörte auf.

Freilich hatte der Schiffer große Sorge um seine Frau, denn er dachte, er werde sie nie wiedersehen, plötzlich hörte er aber aus der Tiefe herauf den alten bekannten friesischen Wiegengesang: »heia! heia! hei!« und da dachte er, das Kind sei geboren und sie werde bald wiederkommen. Und so war es auch, es dauerte keine Stunde, da theilten sich die Wellen und hervor kam seine Frau aus dem Wasser und stieg wieder herein ins Schiff. Sie war kaum einmal naß geworden, hatte die Schürze voll Gold und wußte viel zu erzählen. Das Meerweib hatte ein Kleines bekommen, was man auf Sylt ein Meerkalb zu nennen pflegt, und der Meermann hatte sich so darüber[1010] gefreut, daß er der Frau des Schiffers soviel Gold und Silber geschenkt hatte, als sie nur tragen konnte.

Von nun an hatte der Schiffer guten Wind, machte seine Reise schnell ab und segelte wieder heim nach Sylt, allein wenn er später wieder auf Reisen ging, da nahm er seine Frau nie wieder mit, sondern ließ sie daheim in Rantum, wo er wohnte.

Inzwischen vergingen viele Jahre, das Meerweib ward alt und häßlich, der Meermann hatte keinen Gefallen mehr an ihr, sondern mußte immer an die hübsche Frau des Schiffers denken. Endlich beschloß er seine Frau zu verlassen, einen Sturm zu erregen, in welchem der Schiffer umkommen sollte, und dann dessen Frau zu heirathen. Er dachte gar nicht daran, daß dieselbe während der Zeit auch älter geworden war.

Einst sah er nun das Schiff des Rantumer Schiffers wieder auf See und dachte, jetzt sei ein passender Zeitpunkt gekommen, seinen Plan auszuführen. Er sagte also zu seiner Frau: »Ich will hin, um Häringe zu fischen, Du mußt Salz mahlen zu Häringslauge, bis ich wieder komme!« Er wußte nämlich, daß sie dann einen großen Lärm auf dem Meeresgrunde anfangen werde. Als aber der Sylter Schiffer in ihre Nähe kam, war ein solcher Mahlstrom in dem Wasser, daß sein Schiff mit Mann und Maus in den Wirbel hinabgezogen ward. Unterdessen schwamm aber der Meermann nach Sylt und ging aufs Land nach Hörnum. Er ging am Strande des Meeres spazieren und dachte an die Frau des Schiffers, da begegnete ihm gegen Abend am Küssethal ein Mädchen, die er für die Frau des Schiffers hielt, während es doch nur die Tochter desselben war, die aber ihrer Mutter sehr ähnlich war. Er ging natürlich nicht wie ein Meermann einher, sondern hatte sich wie ein Sylter Schiffer angezogen, machte sich an das Mädchen und that schön mit ihr. Diese ward hierüber sehr ängstlich, allein er steckte ihr einen goldenen Ring an den Finger, band ihr eine goldene Kette um den Hals und sprach: »Nun habe ich Dich gebunden, jetzt bist Du meine Braut!« Sie weinte und bat ihn, er solle sie gehen lassen, aber sie gab ihm doch nicht seinen goldenen Ring und seine Kette zurück. Er sprach nun zu ihr:


Ich mag Dich, muß Dich haben!

Magst Du mich? Sollst mich kriegen,

Willst Du nicht, kriegst mich doch.

Mittewoch haben wir Gelag.

Doch kannst sagen, wie ich heiß,

Dann bist frei, meiner los.


Darauf ließ er die Jungfrau gehen, sie gelobte ihm, sie wolle ihm den folgenden Abend Bescheid thun, aber sie dachte, sie werde schon zu wissen bekommen, wie ihr Freier heiße. Doch überall, wo sie fragte, kannte man ihn nicht. Sie ging den folgenden Abend wieder an den Strand und weinte, dabei ging sie immer weiter, bis sie zu Thorsecke (auf Hörnum) kam. Da kam es ihr vor, als wenn sie in dem Berge Jemanden singen höre. Sie blieb stehen und horchte. Da hörte sie deutlich ihres Freiers Stimme. Er sang:


Heute soll ich brauen;

Morgen soll ich backen;

Uebermorgen will ich Hochzeit machen.

Ich heiße Ekke Nekkepenn,

Meine Braut ist Inge von Rantum

Und das weiß Niemand als ich allein.


Als sie das hörte, da wurde sie froh. Sie kehrte sogleich zurück zum Küssethal und erwartete ihren Freier dort. Es währte nicht lange, da kam[1011] er auch. Sie rief ihm zu: »Du heißt Ekke Nekkepenn und ich bleibe Inge zu Rantum!« Dann lief sie schnell nach Hause mit ihrer goldenen Kette und ihrem Ringe und er war genarrt.

Seit der Zeit war aber der Meermann böse auf alle Rantumer, er machte ihnen Schabernack und Unglück, wo er nur konnte. Er überfiel ihre Schiffe und Seeleute mit Sturm und jagte sie in den Grund zu seinem alten Weibe, welche sie in ihren Netzen fing. Zuletzt schädigte er aber das Rantumer Land und Häuser ganz und gar durch Sand und Fluth, wie solches noch auf Hörnum zu sehen ist.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1010-1012.
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