1256. Henning Wulf.

[1029] (S. Müllenhoff S. 57.)


In der Kirche zu Wewelsflet in der Wilstermarsch befindet sich ein altes Gemälde auf einer langen Tafel, das schon im Kirchenbuche der 1593 neuerbauten[1029] Kirche erwähnt wird, 1741 aber renovirt ward. Dies Gemälde zeigt auf einem großen grünen Platze einen Schützen mit abgespanntem Bogen, in einiger Entfernung vor ihm steht ein Knabe mit einem von einem Pfeile durchbohrten Apfel auf dem Kopfe, einen andern Pfeil hat der Schütze noch im Munde. Ein Wolf oder Hund steht zwischen dem Knaben und dem Schützen und richtet auf diesen seinen Blick. Die Geschichte dieses Bildes ist aber folgende. Zu den Zeiten Christians I. (1472) wohnte ein reicher Mann, Namens Henning Wulf, im Kirchspiel Wewelsflet und hatte seinen Hof mit vielen Ländereien in der Dammducht. Als die Leute in der Marsch sich gegen den König empörten und ihn nicht anerkennen wollten, ward er ihr Hauptmann und Anführer. Allein die Marschleute wurden geschlagen und Henning Wulf mußte fliehen. Da verbarg er sich in einem Moor und Niemand wußte ihn zu finden, aber sein treuer Hund, der auf dem Gemälde mit abgebildet ist, war ihm nachgelaufen, und da er ihm in den Sumpf nicht nachfolgen konnte, ward er sein Verräther. Man holte ihn heraus und brachte ihn zum König, und da dieser wußte, daß er von allen der vortrefflichste Schütze sei, so befahl ihm dieser höhnisch, seinem einzigen jungen Sohne einen Apfel vom Kopfe zu schießen, gelänge es ihm, so solle er frei sein. Henning Wulf mußte gehorchen, er holte seinen Bogen und Knaben und that glücklich den Schuß, hatte aber vorher einen zweiten Pfeil in den Mund genommen. Da fragte ihn der König, für wen dieser bestimmt sei, und Henning antwortete, wenn er etwa seinen Sohn getroffen hätte, sei dieser für den König bestimmt gewesen. Da erklärte ihn der König in die Acht und Henning mußte fliehen, sein Land aber ward eingezogen und mußte lange sehr schwere Abgaben zahlen, und heißt das Königsland. Man zeigt Henning Wulfs Haus jetzt noch.

Eine ähnliche Sage wird auch von dem Schlosse Nienborstel im Kirchspiel Hohenwestedt erzählt.196

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S. Schröder u. Biernatzki, Topogr. v. Holstein u. Lauenburg Bd. II. S. 209.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1029-1030.
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