|
[199] Nicht mit Spießen, Mörsern, Stangen
Ziehn wir in den heil'gen Streit;
Mag nach solchen Waffen langen,
Wer nicht bessre hält bereit!
Nicht ist in der Burg von Steine
Uns verschanzt der Heeresbann,
Nein, im Busen drin die seine
Schirmt wohl auch der einz'le Mann.
Dem sorglosen Feind beim Becher
Senden wir nicht Dolch und Gift;
Sonnenstrahl ist unser Rächer,
Weh, wen der ins Herz nicht trifft!
Nicht ein Streit um Landesmarken
Und um irdisch Gut und Blut,
Nein, uns macht zum Kampf erstarken
Ein unsterblich, göttlich Gut!
[199]
In dem dunklen Bauch der Berge
Suchet unser Zeughaus nicht,
Denn nicht sind Kobold' und Zwerge
Lehrer uns in Recht und Pflicht.
Klimmt zu höchsten Bergesspitzen,
Dann vor euch im Sonnenstrahl
Seht ihr golden, silbern blitzen
Unser großes Arsenal.
Lichteswaffen, die kein Meister
Ird'scher Zunft euch schmieden darf,
Und womit der Herr der Geister
Einst die sünd'gen Engel warf;
Bundsgenossen, die entraffen
Uns kein Kerker mag, kein Schwert!
Fielen wir, stehn sie in Waffen
Unserm Recht noch, unversehrt.
Unsre Losung, hört sie schallen
Leis und laut im Lüftezug!
Vorwärts! rauscht der Strom im Wallen,
Vorwärts! dröhnt die Wolk' im Flug.
Der Gedanke, der uns bündet,
Siegreich schwebt er ob dem All,
Dort als Nordens Licht entzündet,
Hier im Bergschacht als Kristall.
Aus des Vogels Kehle drängt er
Sich als Lied im Lüfteraum,
Und verwandelt wieder hängt er
Dort als Blüthenreis am Baum.
[200]
Wie ein süß Geheimniß spendet
Flüsternd ihn der Wiesenbach,
Doch als Donnerpredigt sendet
Ihn der Katarakt euch nach.
Ja der Blitz selbst, nachtentsprungen,
Wenn er durch die Wolken bricht,
Stottert nach mit trunknen Zungen
Gottes Wort: Es werde Licht!
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
|
Buchempfehlung
Nach der Niederlage gegen Frankreich rückt Kleist seine 1808 entstandene Bearbeitung des Hermann-Mythos in den Zusammenhang der damals aktuellen politischen Lage. Seine Version der Varusschlacht, die durchaus als Aufforderung zum Widerstand gegen Frankreich verstanden werden konnte, erschien erst 1821, 10 Jahre nach Kleists Tod.
112 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro