Dritter Auftritt.


[128] Savage steigt eine Treppe im Hintergrunde herab; die Riegel werden hinter ihm zugeschoben.


SAVAGE. So lassen sie mich noch manchmal frische Luft im Hofe dieser finstern Mauern schöpfen! Ach, es sind die letzten Atemzüge, mit denen ich Englands Luft trinke! Ich soll die Heimat verlassen und werde so viel Tausende von Meilen nur zurücklegen, um jenseit des Ozeans mein Grab zu finden, wie – mein Vater, der nach Miß Ellens Entdeckung in Indien starb. – – Aber was ist mir jener südliche Himmel mit seiner Pflanzenpracht und seinen taghellen Sternennächten! Die verpestete Atmosphäre Birminghams und Manchesters, der Kohlendunst in den Fabriken, die gelben Nebel Alt- Englands sind mir balsamische Luft gegen die würzige Temperatur jener südlichen Welt, die sich für mich in einen großen, lachenden, blühenden und darum nur um so grausamern Kerker verwandeln wird! – – Ausgestoßen dann unter Verbrecher, die mit plattgedrückten Nüstern, unheimlich weißen Augensternen, trotzigen[128] Stirnen die Geschichte ihrer Bosheiten erzählen, selbst wenn sie der Henker ihnen nicht mit dem glühenden Eisen der Brandmarkung auf die Haut gezeichnet hätte! Ausgestoßen unter Menschen, die mit dem Ende des Stricks, an dem die königliche Gnade sie vom Galgen schnitt, herumwandeln, daß ihre Kinder damit spielen, Kinder, denen man als Ammenmärchen die grausigen Abenteuer ihrer Eltern erzählt –! – Mutter, Mutter! Das ganze Leben stellen sie nun zwischen uns! Tod hier, Tod dort, an den beiden äußersten Grenzen, und einst erst Wiedersehen! – – Sie sagen, du trügst die Schuld meines Schicksals, während ich doch nur die Schuld des deinigen trage! Nicht dein Zögern, mich ans Herz zu drücken, tut mir so weh als der Haß und die Verdammung der Welt, die dich verfolgt! – – Daß du auch so starr sein mußt, daß du auch deine Liebe, deinen Namen so umnebeln und an dem heitern Horizont deines Gemüts dir diese drohenden Ungewitter der Verfolgung heraufbeschwören kannst –! Nicht was sie an mir tut, schmerzt mich, sondern daß sie es tut, daß sie sich freiwillig den scharfen Zungen der Verleumdung preisgibt –! Schmerzlich sinnend. Wenn ich je auf den Stolz, unter ihrem Herzen gelegen zu haben, verzichten würde, so geschäh' es, um ihr den Sieg zu lassen und die Menschlichkeit ihrer Empfindungen vor den Augen der Welt zu retten.


Gerassel an der Tür.


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 128-129.
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Richard Savage, Sohn einer Mutter
Dramatische Werke: Richard Savage; Oder, Der Sohn Einer Mutter Ottfried. Wullenweber. Der Dreizehnte November. Fremdes Glück (German Edition)