Abschiedsaria an einen sehr guten Freund, Herrn Rasper von Landeshutt, als er fest resolviret war, vom Kuckusbade nach Leipzig zu reisen

[205] Gehab dich wohl, du lieber Freund,

Jezt geh ich halb verwaist von hinnen

Und tröste die betrübten Sinnen

Mit allem, was nur möglich scheint.

Ich komme wohl so bald nicht wieder

Und dencke weiter in die Welt,

Nachdem der Lohn vor meine Lieder

Im Vaterlande mager fällt.


Ich habe warlich hohe Zeit,

Mein zeitlich Wohlseyn fest zu gründen.

Wo werd ich wohl den Ruhplaz finden,

Wo ist der Herd vor mich bereit,

Damit mein Fleiß nach so viel Sorgen

Nicht stets von leerer Hofnung blüh

Und endlich auch ein heitrer Morgen

Mein Glück aus Nacht und Schlummer zieh?


Es sey auch welcher Ort es will

In Süden, Norden oder Westen,

Ich halt ihn dennoch vor den besten

Und seze mich vergnügt und still.

Da wird der überstandne Jammer

Mein treues Herz noch oft erfreun,

Da soll mir die geringste Kammer

Des Epicurus Garthen seyn.


Macht Phillis Wuntsch und Armen voll

Und läst mich Gott der Welt noch nüzen,

So schwör ich, daß kein Sturm noch Blizen

Mich innerlich mehr rühren soll.

Da will ich ihr und jedem leben,[206]

Dem mein Vermögen dienen kan,

Da will ich Red und Antwort geben,

Warum ich oft nicht recht gethan.


Der Himmel sey mir nur noch hold!

Nach so viel schlecht gerathnen Sprüngen

Wird ja wohl einer gut gelingen.

Mein Herz verliebt sich nicht in Gold,

Mein Ohr verachtet große Tittel;

Vermeid ich Schulden und Betrug,

So hab ich warlich Ehr und Mittel

Und auf der Welt Verdienst genug.


Noch etwas kommt der Sehnsucht an,

Euch einmahl in der Näh zu haben,

Euch Freunde, derer Herz und Gaben

Den Musen so viel Guts gethan.

Was wollt ich vor ein Dancklied schreiben,

Wie sollt es mich einmahl erfreun,

Mit dir viel Grillen zu vertreiben

Und in dem Alter froh zu seyn,


Mit dir, mein R(asper), dem ich mich

Bey dieser Trennung selber schencke.

Ist was versehn, verzeih und dencke,

Ein jeder Mensch verirret sich,

Zumahl wenn Noth und Spötter wüten,

Wenn Armuth und Verfolgung preßt

Und unsern Fleiß schon in den Blüthen

Durch Lästergift verwelcken läst.


Ich gönne dir nebst Glück und Heil

Ein Kind von Schönheit, Wiz und Tugend;

Denn vor die saure Müh der Jugend

Ist dies doch wohl der beste Theil.

Erfüllt sie dir nun Arm und Herze,

So las mir auch ein Pläzchen zu,

Und wüntsche mir bey deinem Scherze

Bisweilen auch ein Stündchen Ruh!

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 3, Leipzig 1934, S. 205-207.
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