Erster Auftritt.

[135] Leander, und Hanswurst.

Beyde kommen auf das Theater ohne ein Wort zu reden, und nach einer eile fängt Leander zu seufzen an.


LEANDER. Ach ich unglückseliger!

HANSWURST. Ach unglückseliges Malheur! ach malheureuses Unglück!

LEANDER. Ach! grausame Liebe, wie sehr quällest du deine Anhänger!

HANSWURST. Ach! bestialische Liebe, was machest du in der Residenz des hanswurstischen Herzen für Aufruhren?

LEANDER. Mußt ich mich denn verlieben?

HANSWURST. Kunte ich dann nicht, als ein junger Socius sterben?

LEANDER in vollem Eifer. Nein! es ist zu spät, sich aus dem Joche zu reissen, das mich schon allzusehr gefesselt hält.

HANSWURST. Es ist nimmer möglich, daß man die Liebe los wird, wenn man sich einmal mit ihr verträulich gemacht hat, ein verliebter Mensch ist, wie ein feins Papier, wo eine Sau darauf kömmt, man mag radieren, wie man will, so kann mans doch nicht völlig wieder heraus bringen; und wanns nicht gar durchreist, so kann mans doch kennen, daß eine Sau darauf gewesen ist.[135]

LEANDER. Von was für einer Sau, hältst denn du deinen Discurs?

HANSWURST. Von uns zwey red ich, gnädiger Herr! und überleg unsre Liebshistorien.

LEANDER. Du magst in deiner Liebe eine Sau seyn, wie du willst, so menge mich nicht darein, denn meine Liebe ist von der deinigen weit unterschieden.

HANSWURST. Nun so lassen wir die Sau beyseits; aber von der Sau auf ihr Gnaden zu kommen, so gehts halt doch in allen Stücken, so, wie ich mirs schon längst gedenkt hab, ich weiß wohl noch die Zeiten, wo der junge Her wie er noch ein Schüßling von 13. 14. Jahren gewesen ist, mich oft ausgelacht hat, wenn mir ein Seufzer eines Weibsbilds zu Ehren auskommen ist, da hat mein junges Herrl nicht einmal gesagt: du hanswurstischer Esel, wie möcht ich mir von einem weiblichen Gespenst meine Ruhe nehmen lassen; itzt, da die Natur ihnen statt den Hofmeister die Lection gibt: itzt, da sie wissen, daß ein Weibsbild kein Gespenst, sondern ein Diabulus dulcis, und necessarius ist, itzt seyn sie noch weit ärger als ich; itzt ist Tag und Nacht kein Ruh, und nichts über ihre Amantin, ich hab es alleweil gesagt, wenn bey ihnen einmal die Lieb in die Bewegung kommt, so wird der Teufel los seyn, jetzt erfahren sie es, nicht wahr?

LEANDER. Du hast recht, mein lieber Hanswurst! allein, hätte ich wohl jemal geglaubt, daß es eine so gefährliche Sache um die Liebe sey, und daß sie einem solche Fesseln anlege?

HANSWURST. Es ist wahr, sie haben recht, es ist ein Teufels Sach darum, der ganze Mensch ändret sich, wenn man einmal verliebt ist.

LEANDER. Das weiß ich am besten; wie angenehm ware mir vorhin meine Freyheit, wie aufgeweckt war ich jederzeit, wie ruhig? jetzt da ich verliebt bin, kann ich weder essen, noch trinken.

HANSWURST. Ey, was das Fressen und Sausen anbelangt, da hab ich allemal den nemlichen Appetit, denn ich friß und sauf der Liebe zu Ehren.

LEANDER. Auch sogar schlafen kann ich nicht, und wenn ich auch schlafe, so erwache ich nur zu meiner Quaal, neulich träumte mir, so nachdrücklich, daß ich meine angebettete Angela küßte, und wie ich darüber erwachet bin, so hab ich statt ihrer den Polsterzipf im Mund gehabt.

HANSWURST. Wenn ich einmal schlaf, so denk ich auf keine Lieb; und auch muntrer muß man nicht gar zu närrisch verliebt seyn: es ist schon recht, daß man ein Mädel gern hat, aber mit den Heurathen muß man piano darein[136] gehen, sie haben die Angela erst etlichemal gesehen, und wissen noch nichts von ihren Fehlern, die sie vielleicht haben wird.

LEANDER. Was soll sie für Fehler haben, sie ist so schön, daß sie auch den ernsthaftesten Philosophen reitzen kann; mir ist in ihr alles unschätzbar, ihre weisse und runde Hände, ihr Corallenmund, ihre schwarze Augen, ihre wohl gebauten Füße –

HANSWURST. Sie hat nicht allein Fuß, das haben alle. Bey den Frauenzimmern muß man nicht bloß auf die Schönheit sehen, bey der Zeit gar, wo viele nur bis auf die Nacht schön seyn, und etliche Stund in der Früh nach dem Aufstehen erst wieder schön werden: ein solches lebendiges Farbentrüherl fällt freylich geschwind ins Gesicht, aber man muß sie in ihrer Neglige sehen, wann man wissen will, wie schön sie ist, da sehen sie just aus, wie ein Rechentafel, wo dort und da noch die Kreiden nicht recht ausgewischt ist, und ist dann eine auch natürlich schön, ist das schon genug, muß mau nicht auch auf die andern guten Eigenschaften sehen?

LEANDER. Ihr Umgang hat mich bereits von ihren guten Eigenschaften überführet.

HANSWURST. Ich wünsch, daß es wahr ist, allein die Verstellung ist generis foeminini.

LEANDER. Ach! ich erwarte mit gröster Ungeduld den Augenblick, wo ich meine angebettete Angela, als meine Gemahlin umfangen werde.

HANSWURST. Es ist noch eine großmächtige Frage, ob der alte Odoardo sie ihnen giebt, und es ist auch ein Frag, ob sie Geld hat, und ob sie ihnen au gern hat?

LEANDER. Ob die Angela Geld hat, daß untersuch ich gar nicht, denn ich bin selbst so reich, daß ich eine Frau ernähren kann; daß sie mich aber liebet, dessen bin ich überzeugt, denn sie hat mir erst heut wiederum einen Brief, welchen sie in Geheim, sogar in der Küche hat schreiben müssen, geschickt, in welchen sie mich selbst ersucht hat, daß ich sie bey ihrem Vater zur Ehe begehren sollte: ob er sie mir dann nun geben wird, daß wird sich bald zeigen, denn ich habe bereits einen Brief verfaßt, in welchem ich sie von dem Vater verlange, diesen mußt du alsogleich dem alten Odoardo überbringen, und auf eine Antwort warten. Er giebt dem Hanswurst einen Brief.

HAUSWURST nihmt selben. Daß sie ihnen um das Heurathen anredt, das schaut ein wenig hungrig aus, denn ein Frauenzimmer muß wenigstens ihren Amanten 6mal sterben, und 4mal crepieren lassen.[137]

LEANDER. Das ist just eine Überzeugung ihrer heftigsten Liebe, weil sie den Ausspruch ihres Vaters kaum erwarten kann.

HANSWURST. Aber was glauben sie, was der alte Odoardo denken wird, sie sind in ihrem Leben nicht bey ihm in Haus gewesen, er kennt sie kaum, und nachdem schicken sie nur hin, und lassen die Tochter begehren, als ob sie in das Wirthshaus um ein Krenfleisch schicken thäten; das wird hart gehn, ich kenn den alten Odoardo, er ist ein schwieriger und geiziger Mann, und seit dem er aus einen Kaufmann ein Edelmann worden ist, seit dem kann kein Teufel mit ihm Auskommen, ich frag nichts darnach, ich trag den Brief hin, ich hab ohne dies auch ein paar Zeilen bey mir, Ziehet einen Brief her aus. wo ich das Stummädel, die Columbina, von dem Alten begehr, aber ich förcht halt es wird wenigstens für sie nicht gut ausfallen.

LEANDER. Es sey wie es sey, so muß ich es doch endlich wissen, mache nur deine Sache gut, es wartet für deine Bemühung ein Beutel Ducaten auf dich.

HANSWURST. Was sollen wir ihn auf mich lang warten lassen, geben sie ihn gleich her.

LEANDER. Du mußt ihn erst verdienen, ich erwarte dich mit der grösten Ungeduld in dem nächsten Wirthshause, bringe mir, so bald es möglich ist, eine Antwort.

HANSWURST. Lassen sie mich sorgen, ich werde meine Sachen sehr gut machen. Geht in das Odoardo Haus.

LEANDER im Abgehn. O Himmel! stehe mir dießmal in meiner Liebe bey. Geht auch ab.


Quelle:
Die Maschinenkomödie. Herausgegeben von Dr. Otto Rommel, Leipzig 1935, S. 135-138.
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