Vierter Auftritt

[119] Jaques ein Friseur, Valere und Hanswurst.


FRISEUR. Um fünf Uhr hätt ich sollen bey Fräulein Henriette seyn, und itzt ist es gleich[119] sechs Uhr. So geht es, wenn man zu lange schläft; doch eine Ausrede macht alles gut, und ein dummer Friseur müste jener seyn, der sich nicht durch geschickte Lügen herauszuwickeln wüste Will eilends in des Hasenkopfs Haus.

VALERE zieht den Friseur zurück. Monsieur Jaques! auf ein Wort!

FRISEUR. O! euer Gnaden! sind sie es? es freut mich die Gnade sie zu sehen! was befehlen sie?

VALERE. Der Herr geht gewiß in das Haus, um Henrietten zu frisieren.

FRISEUR. Nicht anders gnädiger Herr.

VALERE. Wollt mir der Herr nicht so gefällig seyn, bey dieser Gelegenheit der Henriette einen Brief, gegen 3 Ducaten für die Bemühung, zuzustecken.

FRISEUR. O! sehr gerne! sie haben zu befehlen; Euer Gnaden haben auch sehr wohl daran gethan, sich dießfals an mich zu halten, denn Leuthe von meinem Character wissen mit solchen Liebesgeschäften besonders gut umzugehen; wie wär es sonst möglich, sich in der Welt so gut fortzubringen? denn Haarpuder, Kamm und Pomade sind wohl hinreichend, den Mund und den übrigen Leib auf das genauiste zu erhalten, aber die Gelegenheitshandlungen machen einen geschickten Friseur erst glücklich; ein dummer Haarkrauser, der sonst nichts, als einen Kopf zu krausen weiß, bleibt am ganzen Tage ein Friseur; wir geschickten Friseurs aber, die wir uns auch zu Liebesintriguen gebrauchen lassen, sind nur Vormittage, solang wir Haar krausen, Friseurs, Nachmittage aber sind wir so gut, als gnädige Herren; und ich wollte gerne sehen, wer uns, ausser denen, die uns kennen, für Friseurs halten sollte, wenn wir mit verbrämten und gestickten Kleidern, und öfters auch mit Federhüten uns auf Saelen und anderen öffentlichen Orten sehen lassen; da sagt man Nachmittag so gut zu uns Euer Gnaden, als wir es Vormittag zu unsern Kundschaften sagen.

HANSWURST vor sich. Der Kerl ist ein Portraitmahler von Friseuren.

VALERE. Nu gut! lieber Monsieur Jaques! Gibt dem Friseur Brief und Geld. hier hat er den Brief, und hier sind 3 Ducaten, geb er ja genau acht, den Brief so zu bestellen, daß es ausser Henrietten kein Mensch erfährt, die Antwort bringt mir der Herr in mein ihm ohnehin bekanntes Quartier, wo alsdenn noch eine Belohnung folgt.

FRISEUR nimmt Brief und Geld. Ich küße Euer Gnaden die Hand für das Geld; der Brief wird auf das richtigste bestellt werden; denn wir Friseurs haben ja zu solchen Unternehmungen die schönste Gelegenheit. Erst jüngst überbracht ich einem Frauenzimmer einen Brief, sie las ihn, als eben ihr bestimmter Bräutigam eintratt, er sollte nichts davon wissen, er überraschte sie, sie wüste nicht geschwind den Brief zu verbergen, im Augenblicke nahm ich ihn ihr aus der Hand, schnitt Papilloten daraus, und kraußte sie damit, sobald ihr betrogener Liebhaber weg war, nahm ich ihr die Papiergen vom Kopfe, sie setzte sie wieder in Ordnung zusamm, las den ganzen Brief, und gab mir eine schriftliche Antwort mit. So müssen sich gescheide Leuthe zu helfen wissen.

HANSWURST. Wenn ich einmal heyrathe, so muß mein Weib eine dreyknöpfige Peruque tragen, nur daß sie kein Friseur im Haus aufsetzen darf.

VALERE. Ich habe mich also zu verlassen Monsieur Jaques?

FRISEUR. Vollkommen Euer Gnaden.

HANSWURST. Auf ein Wort, Herr von Haarzaußer! warum heissen sie denn itzt Monsieur Jaques, und erst im vorigen Jahre haben sie noch Herr Jacob geheissen?

FRISEUR. Das ist zwar eine kühne Frage, Herr Hanswurst! aber ich will ihrem Vorwitze doch genug thun; noch vor einem Jahre war ich in der ganzen Stadt der deutsche Jacob, ich hatte Kundschaften, aber sehr wenige, ich konnte kaum genug Brod gewinnen, warum? man warf mir vor, daß ich nur auf deutsch frisiren könnte, und Paris nie gesehen hätte; das bracht mich gezwungener Weise auf den Einfall, die Welt zu betriegen; ich gab vor, nach Paris zu reisen, ich verließ also meine Kundschaften, die mir noch hin und wieder eine Reißzehrung schenkten, und gieng aus der Stadt; weil ich aber nicht Geld genug hatte, diese Reise zu unternehmen, begab ich mich auf das nächste beste Dorf zu einem elenden Stümper unserer Profeßion, bey solchem behalf ich mich durch drey Vierteljahre kümmerlich, und kam endlich wieder in die Stadt; von diesem Augenblicke an[120] hieß man mich den Monsieur Jaques, man bewunderte meine Pariserart im Frisieren, ob ich gleich auf dem Dorfe sogar von meiner vorigen Geschicklichkeit vieles vergessen hatte; ich bekamme zehnmal mehr Arbeit als vorhin, alles bewunderte mich, und da nur vormals als Herrn Jacob für einen Kopf 17 Kreutzer bezahlt worden, so bekommt der Monsieur Jaques itzt für einen Kopf 2, 3 auch 4 Gulden.

HANSWURST. Wenn das wahr ist, so laß ich mich morgen in das Französische übersetzen, denn wenn der Hanswurst monatlich als Lakey 10 fl. gewinnen kann, so muß der Jean Saucisse doch wenigstens das Monat hindurch 20 fl. verdienen.

FRISEUR. Itzt muß ich geschwind fortmachen, das gnädige Fräulein wartet ohnehin seit fünf Uhr schon auf mich. Zu Valere. Euer Gnaden haben sich auf mich zu verlassen, in einer Stunde komm ich mit der Arbeit zu Ihnen.

VALERE. Leb der Herr wohl, ich erwart ihn bey mir. / Folge mir Hanswurst.

HANSWURST heimlich zu Valere. Haben sie in den Brief hineingeschrieben, daß die Lisette auch mit durchgehen soll?

VALERE. Ohne Zweifel, sorge dich um nichts.

HANSWURST. Nu das ist schon gut, wenn es so ist.

VALERE. Adieu Monsieur Jaques Geht ab.

FRISEUR. Ich empfehle mich Euer Gnaden gehorsamst.

HANSWURST. Dem Herrn muß man sich zweymal empfehlen. Herr Jacob, ich befehle mich, Monsieur Jaques votre Serviteur de tout mon coeur Geht ab.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 119-121.
Lizenz:
Kategorien: