[14] Wir wollen noch dergleichen Exempel beybringen / in welchem die Eltern ihrer Macht mißbrauchen / und ihren Sohn von seinen guten Neigungen abhalten.
2. In der Statt Meiland / einer von den grösten und schönsten Stätten in Welschland / lebte ein vornemer Bůrger / welchen wir Eutropium nennen wollen / mit Honorata / seiner Ehewirtin / in friedlicher und glückseliger Liebe / deren eintziges Pfand war Theophorus welchen der Tod zu sich nehmen / mit vielen Schwachheiten / bedrauet.
3. Diese beede Eltern hielten täglichs bey Gott mit ihren Gebet an / er wolte doch ihren einigen Sohn mit Stärckung seines schwachen Lebens begnädigen / und würden auch dergestalt erhöret / daß Theophorus das sechtzende Jahr erreichte / aus innerlicher Neigung aber / wolte er lieber ausser / als in der Welt leben: ich wil sagen / lieber Geistlich werden / als weltlich bleiben.[14]
4. In seiner Kindheit war er andächtiger als ein Kind: in seiner Jünglingschafft beliebte er der Geistlichen Gespräche / und nach dem er mit zuwachsenden Jahren zu reiffem Verstand gelangt / offenbaret er sei nen lieben Eltern / wie er gewillt were / sich in ein Kloster zu begeben. Sein Vater hingegen unterliesse nichts was zu Verhinderung solches Vorhabens dienen kunte / und führte ihm umständig zu Gemüt / daß er der eintzige Sohn / auf welchen alle Hoffnung ihres Namens und Geschlechts stünde. Hierauff antwortet der Jůngling / daß sie ihm versprechen solten / wann er noch einen Bruder von Gott erbitten wůrde / sie ihm in das Kloster zu tretten verlauben wolten.
5. Dieses kam der Mutter so lächerlich vor / als dorten der alten Sara / und versprachen so viel lieber /was sie solches zu erleben niemals hoffen kunte / weil sie beede wol bejahrt.
6. Was geschicht? Theophorus flehet fůr Gott / und erbittet von ihm einen Bruder / welcher dem Ansehen nach gesunder und stärker / als er war. Die Eltern lassen Theophorum unter der Auffsicht eines verständigen Hoffmeisters in ferne Lande raisen / damit er sein Gemüt ändern / und der Weltfreude gewohnen solte /aber ein Gefäß verleurt seinen ersten »Geschmack nicht leichtlich.«
7. Nach dem nun die Eltern ihren Versprechen keine Folge leisten / und beede Söhne gern weltlich sehen wolten / schreibt Theophorus seinem Vater /daß er doch seine Person Gott nicht berauben / und ihm von seinem Gelůbd ferners abhalten solte: dann er bey Beharrung solcher Sünde Gottes Straff ungezweiffelt zu erfahren haben würde.
8. Eutropius beschüldigt seinen Sohn grosses Ungehorsams / wird aber bald darauff mit seiner Kutschen / als er nach Bergamo raisen wollen / ümgeworffen / und fället mit dem Haubt auff einen Stein /daß er / wenig Tage hernach / zu Grab getragen wurde.
9. Nach diesem vermahnte Theophorus seine[15] Mutter / sie solte ihn doch ihres Gewalts erlassen / und kehrte auch selbsten nach Hauß / seine Befreyung auß zu würken und zu den Theatinern (welche fast deß Ignatii Regel halten) zu tretten.
10. Die Mutter fällt in ein hitziges Fieber / und verlangte aus dieser Welt zu scheiden / wann nur jhr lieber Sohn in derselben verbleiben wůrde.
11. Nach dem Tod seiner Eltern hatte Theophorus keine Hinternis mehr seinen lang verlangten Vorsatz in das Werk zu setzen / ůberlässt deßwegen alles Haab seinen Jüngern Bruder / und bringt ein mehrers nicht in das Kloster / als jhm zu Antrettung solches Ordens von nöhten war.
12. Hieraus ist zu ersehen daß die Eltern unbedachtsam verfahren / wann sie ihre Kinder mehr zu ihren / als Gottes Ehren aufferziehen. Sie sind Väter und haben Macht über ihre Söhne: sollen aber gedenken / daß Gott ihr Vater und sie seine Söhne / dessen Willen sie / zu gehorsamen pflichtig / als so wol ihnen ihre Söhne verbunden sind. »Daher sagt jener Rabbi: Fürchte Gott deinen himmlischen Vater / so werden deine Kinder dich fürchten: Lässest du solche Gebühr auß deinen Hertzen / so werden deine Kinder dergleichen auch gegen dich thun.« Gewißlich sind ungeratne Kinder eine grosse Straffe ruchloser Eltern.
13. Sinnbild.
Ein jeder
sperrt.
Erklärung.
Ein jeder Schlüssel sperrt / zu dem er ist gemacht;
Nimmst du den rechten nicht / wirst du das Schloß verdrehen:[16]
So nimm zu rechter Zeit deß Knabens Sin in acht /
Worzu jhm die Natur / nicht deine Chur versehen.