(XLIX.)

Die erkauffte Meß.

[163] Augustinus schreibet in seinem Buch von der Statt Gottes / dz der Höchste den Römern Glück[163] und Segen zu dem nach und nach erlangten Haubtreich gegeben /weil sie auch ihre falsche Götter geehret / und gefürchtet: Ob wol solcher Gottesdienst ihm nicht gefällig seyn können / sey doch der Vorsatz zu loben gewesen etc. Dieses lassen wir an seinem Ort beruhen /und die Beurtheilung solcher Meinung zu mehr verständiger erachten gestellet seyn: erzehlen aber hier eine Geschichte aus Ænea Sylvio / Sabellico und de Verdier / welcher vielleicht nicht wenig nachdencken verursachen möchte.

2. In Lothringen hat ein alter melancolischer Edelmann die Einbildung gehabt / er müsse sich erhangen: solchem vorzukommen / ist ihm gerahtē worden / er solte täglich eine Messe hörē / so werde er dieser bösen Gedancken vergessen. Als er nun auff eine Zeit Ehhafftē hatte / und die Meß versaumt / gehet er in grosser Traurigkeit spatzieren / und weiß nicht / welcher gestalt er diese Sünde wiederumb ersetzen und büssen solte: weil ihm das hencken stetig im Kopffe lage.

3. In dem begegnet im ein Bauer / der höret seinem Klagen und jammern lang zu: fraget hernach was ihm anliege / und zu so verzweiffelten reden Ursach gebe? Der Edelmann sagte / daß er die Messe verabsaumet /und deßwegen seines Leides kein Ende wisse. Der Bauer versetzte / daß dieses eine schlechte Sache /und hette er hingegen zwo Messen gehöret / wolte ihm eine verkauffen / etc.

4. Der Edelmann erfreute sich sehr über solchem erbietē / und weil er kein Gelt bey sich / giebt er ihm für die Messe seinen roten scharlacken Rock / welchen er also bald abziehet / und dem Bauern anleget: scheiden also beede frölich von einander / und vermeint der Bauer er habe seine Messe sehr theuer angebracht. Dieses begabe sich in dem Feld / nechst bey einem hohen Eigbaum.

5. Folgenden Tages fügte sich daß der Edelmann wiederumb an solchen Ort spatzierte / und mit grosser Verwunderung sahe / daß der Bauer / welcher ihm die Messe verkaufft / in dem scharlacken Rock an dem Baumen erhanckt war: darüber er mit furcht und[164] schrecken wieder nach Hauß kehret / unn diese Geschichte andern erzehlet / welche dahin gelauffen /und die Sache beschriebener massen gefunden / ihn auch dardurch von seiner Einbildung geholffen.

6. Ob dieses ein Gespenst in deß Bauren Gestalt /oder ob GOtt solches zu Bestraffung seiner Leichtfertigkeit beschehen / lassen wir dahin gestellet seyn. Wann alle / welche die Messen verkauffen / also sterben solten / würden Baumen zerrinnen. Eines andern gute Werke können mich nicht rechtfertigen / der Gerechte wird seines / und keines fremden Glaubens leben: daher jener recht gesagt: wir haben die für uns singen / beten / Meß lesen und fasten / aber niemand haben wir / der für uns in die Hölle fähret.

7. Daß die Meß in der H. Schrifft nicht befohlen /und unser Hoherpriester einmal in das Allerheiligste eingegangen / ist aus der Epistel an die Hebreer am 10. und 11. Capitel ümbständig zu lesen. Ob nun in der Meß das H. Abendmahl nach Christi Einsetzung gehalten werde / und ob fünff- in sechshundere Jahre /nach der Apostelzeit einige Anzeig von dem Opffer für Todte und Lebendige / zu finden / mögen die Schrifftgelehrte verfechten / und ist hiervon zu reden dieses Orts nicht.

8. Das Weib welches Johannes in 12. Capitel der Offenbarung gesehen / vergleichen etliche mit dem guten Vorsatz eines glaubigen Menschen / welcher in Gottes Huld und Gnade ist / daher ihm Sonn und Mond und alle Sterne dienen. Ein solcher Mensch erzeigt oder bringt an das Liecht gute Gedancken /Wort und Wercke / wie hingegen böse Lüste die Sünde gebehren / hier wartet aber und wachet der alte Drach / daß er solches gute und heil. verfahren unterbreche / und zu Grund richte. Deßwegen sol die gläubige Seele ihre Zuflucht nehmen zu der Einsamkeit /in ihr Kämmerlein gehen / und nicht für der Welt hochangesehen seyn wollen / dann GOtt erkennet die seinen / und liebet nicht das grosse Gepräge und das eusserliche Kirchen-Begängnis / in welchem sich leider heut zu Tage die innerliche Hertzens-Andacht[165] unser lieben Vorfahren verwandelt / wie Grotius in seinem Büchlein von der wahren Religion verständig urtheilt.


9. Unser Hertz ist oben offen /

Daß wir allen Erdenthand

Und der Höllen Unterpfand

Hassen / und dargegen hoffen

Auf deß Himmels Gnadenliecht /

So den Frommen nie gebricht.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 163-166.
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