(LXXIII.)

Der leichtfertige Häder.

[241] Archimedes wolte einen kleinen Raum ausser der Erden / seinen Werckzeug / nemlich den Hebel aufzusetzen / so wolte er die gantze Welt bewegen. Viel finden sich so kützlich / daß sie wegen deß geringsten[241] Worts und Wahns auf binden / alles zu unterst zu oberst stürtzen wollen / und das Band der Einigkeit zerreissen / aber meisten theils sangen solche schwefelgeister das Feuer zu ihrem Schaden / und verbrennen in ihren eignen Flammen: wiewol solche Zankzucht zu zeiten hernach auch bestraffet wird / und wir nicht richten sollen / wie Gott / der andre Gedanken hat als die Menschen.

2. Timander / ein Herr an dem Frantzösischen Hofe / hohes und trauriges Sinnes / pochte auf sein alt adeliches Herkommen / Tapferkeit und geleiste Dienste /daß ihm auch der geringste Schatten mißfällig / und das ungefehre Wort beleidigte. Er hatte einen Zwist mit einem andern Herrn / Ganeto genamet / und name zu seinem Beystand Henedin / einen jungen Edelmann: Als sie sich nun rauffen wolten / sind sie durch ihre Freunde beederseits geschieden und verglichen worden.

3. Von solcher zeit an sind diese beede vertraute Freunde und über zwey Jahre mit einander in Gesellschafften gewesen / ohne Hinterlist und Falschheit. Es begabe sich aber / daß er einsten Henedin / seinen vermeinten Beystand zu Amiens auf der Post begegnet / und Mahlzeit mit ihm hält befehlende beede /daß die Postpferde so wol nach Cales / als Paris / da sie hin wolten / fertig gehalten / und für das Wirtshauß solten geführet werden.

4. Henedin gedenket unter andern deß Zwists / welcher zwischen Timandre und Ganeto gewesen / sich erfreuend / daß so tapfere Rittersmänner verglichen /und auß Feinden Freunde worden. Timandre sagte /daß es an ihme nicht solte ermangelt haben / und wann es zu fechten gekommen / wolte er Ganeto wol gestriegelt haben. Henedin versetzet: Ganeto lässet sich nicht striegeln und solte wol dem / der solche Mühe nehmen würde / übel lohnen. Timandre befande sich in diesen Worten beleidiget / und sagte / daß er nicht allein Ganeto strigeln / sondern auch ihn Henedin wol zubutzen wolte. Er antwortet: daß solches den Pferden geschehe / aber dz die bösen von sich zu schlagen pflegten.[242]

5. Mit diesem Gespräch gehen sie die Stiegen hinab / und weil ein jeder vermeint / an seinen Ehren verletzt zu seyn / ziehen sie von Leder / und Timandre stösset Henedin durch den rechten Schenckel / daß er auf dem Platz liegen blieben / hernach aber mit grosser Mühe geheilet worden. Timandre aber hat sich auf die Post gesetzet / und seinen Weg nach Paris genommen / da er dann einen stärkern als er gewesen / gefunden / der ihme seinen Rest gegeben.

6. Der sinnreiche Spanier Saavedra / dessen empresas politicas von allen verständigen hochgeachtet werden / bildet einen Freund durch einen Degen auf deme sich einer verlassen darf / wann er ihn in nöhten probiret. Ist aber die Klingen einmahl zersprungen /so kan sie nicht wol wieder zusammen geschmittet werden. Was Ursach aber hat man seinen Degen zu verderben und seinen Freund zu beleidigen? Unter dieses Sinnbild setzen wir solche Erklärung.

73. Der leichtfertige Häder

Lieb dein Gewehr / es rettet dich in Noht

lieb deinen Freund / er dient dir biß in Tod.

hast du den Freund entrüstet mit viel pochen /

so hast du selbst den Degen abgebrochen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 241-243.
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