(CXVII.)

Das eröfnete Geheimniß.

[409] Es schlägt und tödtet nicht nur die Zunge deß Lügenredners / sondern auch deß der zu der Unwarheit still schweiget / und solcher Gestalt die Warheit hülfft unterdrucken: das also das Leben und[409] Tod ist in der Zungen Gewalt / und der Weise drucket nicht nur ein Siegel auf seinen Mund das zu verschweigen / was dem Nechsten schaden möchte: sondern er redet auch zu seinen Glimpf / und was zu seinem Frommen dienet.

2. Dessen ein Exempel ist gewesen ein Frantzösicher Edelmann / Apollinaris genamet / welcher ein überschönes Weib hatte / aber darbey blutarm war. Dieser machte bey einem Fůrsten so angenem daß er durch seine beharrliche Dienste / seiner Treue versichert / ihn zu einem Hofmeister machte / und sein Weib in seiner Gemahlin Frauenzimmer dienen liesse. Solcher gestalt lebte er etliche Jahre vergnüget.

3. Es fügte sich aber daß der Fürst Mauril genamt /sich in Euphemiam / seines Hofmeisters Weib verliebte und kein Mittel ihrer zugeniessen / unterliesse /doch damit nichts ausrichten konte / weil sie so Tugendreich / als schön war. Wo nun der Fuchsbalg nicht dienen wil / gebrauchet man die Löwenhaut und Mauril sendete seinen Hofmeister in gewissen Verrichtungen über Land / inzwischen aber nimmt er von seinen ärgsten Dienern zu sich / und nothzůchtiget Euphemiam / daß sie sich deß Gewalts nicht erwehren mögen.

4. So bald ihr Mann zurucke kommet / eröffnet sie ihme was sich in seinem Abwesen begeben. Der Mann tröstet sie / mit Versprechen diese Unthat mit deß Thäters Tod zu rächen: liesse sich aber nicht vermerken / und verbote auch seinem Weibe / darvon nicht mehr zu reden / daß der Fürst vermeint es sey ihm dieser Ehrenraub gantz unwissend / und dichtete ihme auch sattsame Ursachen / welcher wegen Euphemia den Handel verschwiegen hätte: nicht wissend /daß die Weiber alles verschwetzen / was ihnen vererauet wird / und nur verschweigen / was sie nicht wissen.

5. Als sie nun beede der Jagt / und Apollinaris seinem Fůrsten gantz allein nach gesetzet / als welcher unter allen Dienern am besten beritten war / ersahe[410] er einen Vortheil / und schiesset ihn ungewarnter Sachen / über das Pferd herunter / nimmet darauf einen Abweg / und findet sich wieder zu der Hofbursch /ohn einigen Verdacht / daß er seinen Herrn solte ermordet haben. Nach etlichen Stunden findet man deß Fürsten Leichnam / und bringt ihn mit vielen Threnen / Weinen und Klagen zurucke / und betraurte ihn absonderlich Apollinaris / als der ältsten Diener einer /der seine grosse Treue durch solche Trauerzeichen erweisen wollen.

6. Vietritia die hinterlassene Fürstin / wuste daß ihr Herr mit einem benachbarten Grafen Feindschafft und Strittigkeit hatte / vermeinte deßwegen / daß solcher etwan ein Meuchelmörder erkaufft / und ihren Herren hinrichten lassen: fängt deßwegen eine Rechtfertigung mit ihnen an / und verlieret solche / aus mangel sattsamen Beweises / mit Abtrag aufgelaufner Kosten und Schäden. Apollinaris aber wolte auch der nicht trauen / die in seinen Armen schlieffe / und machte sich aus dem Staub biß Euphemia aus Traurigkeit und andern Zufällen gantz schwindsüchtig und außgedorret / diese Welt gesegnet.

7. Als Apollinaris solches erfahren / hat er sich wieder an der Victricia Hof begeben / und sich versichert gehalten daß nun kein Mensch in der Welt sein Geheimnis wisse / als er allein / deß endlichen Vorsatzes seinen Mund / dem er zu essen gebe / auch wol in dem Zaum zu halten. Aber vergebens. Victricia verliebte sich in diesen jungen und höflichen Wittber / ertheilte ihn auch freywillig / was ihr Herr von seinem Weibe erpressen müssen / und vermeinte Apollinaris / daß er nun in deß Glückes Gangrad einen Diamantenen Nagel geschlagen.

8. Es ist aber mit der Menschen Gedanken so beschaffen / daß sie viel zu kurtz / das zukůnfftige zu ergrůnden. Als er einsten mit seiner Fürstin der Liebe gepflogen / erzehlet er / aus unbedacht / und Vertrauen erlangter Gemeinschafft / daß ihr verstorbner Herr sein Weib geschändet / und er sich an ihm gerächet etc. Hierüber erstaunte die Fürstin / und befürchtete /[411] daß er auch ihr / wegen geringen Wiederwillens / den Tod anthun möchte / lässet ihn deßwegen in das Gefängnis werffen / und nach deme er solche Mordthat nachmals bekennet / mit dem Schwert richten und viertheilen.

9. Also musste dieser Edelmann sich selbsten verrahten / und offenbaren / was keinem Menschen / als ihm allein wissend gewesen. Er hielte sich in der grösten Glückseligkeit versichert / und stürtzte sich /sonders zweiffel aus Göttlicher Schickung / in seine verdiente Straffe.


Wie das Glaß wann es gläntzt gebrechlich prangt

das zuvor Aschen ist von reiner Erden:

Also muß manches Glück zerbrochen werden

wann es hat seinen höchsten Schein erlangt.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 409-412.
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