(CLI.)

Der Zauberspiegel.

[532] Es ist unter den Gelehrten strittig / was die Sünde in den H. Geist seye? die meisten ziehen es auf einen vorsetzlichen Abfall von Gott / Ablaugnen der erkanten Warheit / und die Beharrligkeit in solcher Sünde biß zum Tode. Hierunter sind mit fug zu zehlen die Zauberer und Hexensgenossen / welche / wegen nichtiger Welthändel / ihr Vertrauen auf Gott sinken lassen / und hingegen dem alten Lügner von Anfang /dem leidigen Teufel sich aufopfern / trauen und glauben / welches billig die gröste und blindste Sünde unter allen kan genennet werden. Wer Gott verlässet und wiederstrebet den guten Regungen deß Heiligen Geistes / den verlässet er wieder / und ziehet bey im ein der Lügen und Mord-Geist / der solche Leute in aller Unwarheit leite / ja endlich in zeitliches und ewiges Seelen verderben stürtzet.

2. Dieses hat erfahren Valdrea eine Silber-Beschliesserin bey einer Fürstin in Franckreich / welche ihre Treue lange Jahr über mit wolgelaisten Diensten beglaubet / daß man einigen Zweifel in sie zu setzen nicht Ursach gehabt. Diese Valdrea war eine Wittib /und hatte ihr viel schöne Pfennige zusammen gesparet / daß sie also bey Hof in allen überfluß gelebt / und ihr nichts ermangelt / als die[533] Kunst gute Tage ohne Laster und Sünde zu ertragen.

3. Dieses alte und verdortte Holtz begunte sich mit neuer Liebe anzufeueren / und ob sie wol so schön /als eine Krankere Spanier / und so freundlich / als ein gesunder Aff (von welchem jener affabilitatem benamet haben wolte) vermeinte sie doch / daß sie noch wol liebwůrdig / und so klug / daß sie fremdes Wasser auff ihre Můhle leiten könte. In diesem Wahn richtet sie ihre Neigung auf einen jungen Schrifftling /genamt Mastick / welcher ein sehr schöner und wolgeberdiger Jüngling war; dabey aber arm / daß er keine andre Mittel hatte / sich hoch zu schwinge / als die Schreibfeder / so nach und nach stärker werden solte.

4. Valdrea gabe diesem Mastick viel gute Wort / er aber ihr hingegen wenig Gehör / daß sie ihn auf Begebenheit in ihr Zimmer führet / und ihre gewapnete (ich sage Ducaten) in der Gefängnis weiset / der Hoffnung / sich durch solcher Glantz zu beschönen / und diesen Jüngling zu verblenden / daß er sie zu ehlichen willigen solte. Die Versucherin aber richtete nichts aus /weil dieser Mastick ein Abscheuen für diesem lebendigen Grab / und alltäglichen Fegfeuer; wol wissend /daß wer sich durch Geld überwinden lässet / von seiner Knechtschafft Fessel nicht frey werden kan / als durch den Tod / und daß viel darzu gehört / biß ein alte Frau stirbet.

5. Als nun dieser Jüngling die alte Megeram / mit hönischen Scheldworten unbescheiden verlacht und verachtet / hat sie die Liebe in Haß / die Freundschaft in Feindschafft / ihre Holdseligkeit in Grimm und Zorn verwandelt / daß sie Tag und Nacht gedacht /sich an diesem närrischen und undankbaren Gesellen zu rächen. Jener sagte recht / daß die bösen Weiber des Teuffels Anwälte / auf der Welt wären / und dieses hat Valdrea eine Probe geleistet / durch meuchellistige Verleumdung / welche alle Mastick / durch sein wolverhalten unwissend zu Schanden gemachet.[534]

6. Es fügte sich nachgehends / daß etliche Nachtdiebe mit falschen Schlüsseln in das Zimmer kamen /in welchem das Silbergeschirr verwarlich auffbehalten worden / und dasselbe in grosser Anzahl entwendet. Hierůber wolte Valdrea fast verzweiffeln / wiewol sie ausser allem Verdacht / und nicht schuldig war solchen schaden / den sie keines weges verursachet zu erstatten. Man forschet aller Orten nach / die Schergen wenden grossen Fleiß an / können aber nichts erkundschafften / und diesen Gesellen auff die Spur kommen.

7. Valdrea hatte eine alte Gevatterin / Namens Ginetta / welche eine berühmte Hexenmeisterin / und das vergangene und künfftige in ihrem Krystall oder Zauber-Spiegel sehen liessen. Zu dieser nahme Valdrea ihre Zuflucht / und nach deme sie auf eine gewisse Zeit beschieden worden / hat sie ihr vorgewiesen etliche gantz unbekante Angesichter / wie sie das Silbergeschirr entwenden. Hiermit aber war ihr nicht gedienet / weil sie nicht wuste wo sie zu betretten / und ihnen der Raub abzujagen.

8. Was beginnet aber dieses rachgierige Weib? sie saget / daß ihr dardurch nicht geholffen / und daß dieser Streich nicht geschehen mögen / sondern Hůlff und Raht eines von ihren Haußgenossen welcher sonder allen zweiffel Mastick sey / solte deßwegen seine Gestalt auch darbey erscheinen machen. Ginetta hinterbringt solches ihrem Meister dem Teuffel / und wird deßwegen (ihrem vorgeben nach) von ihm geschlagen / daß sie die Warheit mit der Unwarheit vernachtheilen wollen. Also kan sich der böse Feind bergen / und ihme Glauben und Trauen auswürken.

9. Ginetta verspricht aber die Gestalt Masticks / in einem Spiegel darbey / für zuweisen / damit Valdrea auch zufrieden / und solches ihrer Fürstin unverzögert angedeutet / daß sie doch eine Dienerin mit schicken /und wolte sehen lassen / wie Mastick üm den neulichen Diebstal gute Wissenschafft und Antheil gehabt. Ob nun wol die Fürstin anfangs darein[535] nicht willigen / und den Satan gleichsam üm Rath fragen wollen /hat ihr doch Valdrea die Sache so leicht gemachet /und daß sie auch ihren Spiegel / wegen deß gebräuchlichen Schmucks zu Rath ziehe / daran weniger gelegen / etc. geantwortet.

10. Nach deme nun die Fürstin eine Dienerin /Ramberta genamet / dahin gesendet / und die Sache besagter massen angehöret / daß nemlich Mastick Wissenschaft und als ein Beystand der Diebe seinen Antheil von dem entwendeten Silbergeschirr habe /hat sie den unschüldigen Schrifftling in Verhafft nehmen / und an die Volter oder Marterbank werffen lassen. Dieser Jüngling war zart / und bekennte auß Schmertzen / was er nie zu Sinne genommen zu thun. Kein Verdacht konte wieder ihn (weil man von dem Zauberspiegel nichts melden dorffte.) gebracht werden / ausser dem / daß er offt zu spielen pflegte / und keine Mittel darzu habe. Ob er nun wol sich anfangs entschuldigte / daß er von gewonnenem Gelde spielte / wolte es doch nichts helffen / und wurde ihm auch aufgerücket daß er aus Gaskonien / da die Kinder mit langen und pichtigen Fingern geboren werden / und sonders zweiffel nicht aus Art geschlagen wäre.

11. Kurtz zu sagen / der arme unschüldige Mastick wurde zum drittenmahl peinlich gefragt / und als ein Hauß-Dieb / zu dem Strange verurtheilet. Seinem Beichtvater bekennte er / daß er solchen Diebstal noch begangen / noch begehen helffen / mit Bitt solches nach seinem Tod anzusagen / und daß er solches aus Marter bekennet / etc. Valdrea sahe ihn hinrichten / und erfreute sich / daß sie nunmehr ihre Verachtung mit seinem Tod gerächet / sein Blut aber musste bald über ihren Kopf kommen.

12. Wenig Tage hernach wird ein Mörder eingezogen / welcher bekennet / daß er besagtes Silbergeschirr entwenden helffen / und daß seine Gesellen in Engeland entwichen / ihme aber seinen Antheil zuvor zugestellet. Mastick / sagte er beständig / wer dieses unwissend gewesen / und auf dieses Bekäntnis wolte er[536] sein Leben enden / wie dann auch erfolgt. Uber dieses schwetzte Ramberta von der Ginetta Kunst oder vielmehr Zauberspiegel / und wurde Valdrea benebens der Hexen und Ramberta in das Gefängnis gesetzet / da dann der gantze Verlauff sich eröffnet / und die zwo alten gehenkt / und verbrennet / Ramberta aber / weil sie aus Einfalt ihrer Fürstin gehorsam / der Gefängnis mit einer sträfflichen Rede erlassen worden.

Der verfluchte Zauberspiegel /

ist der Falschheit wares Siegel:

Wer mit dem zu Rahte geht /

Seel und Leib in Wagnis setzt /

ja die Höchste Majestet

hat ein solcher Mensch verletzt:

Darumb auch der Höllen Flammen

schlagen über ihn zusammen.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 532-537.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Casanovas Heimfahrt

Casanovas Heimfahrt

Nach 25-jähriger Verbannung hofft der gealterte Casanova, in seine Heimatstadt Venedig zurückkehren zu dürfen. Während er auf Nachricht wartet lebt er im Hause eines alten Freundes, der drei Töchter hat... Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht.

82 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon