(CLXXXVI.)

Die ungerechten Richter.

[668] Ein spöttischer Mahler bildet die Gerechtigkeit auf folgende Weise. Er mahlte eine alte Frau mit einer Brillen / in der Hand habend eine Waag in welcher linken Schalen lage ihr Schwert / in der rechten ein Fuchsschwantz / zu welchem eine Hand so viel Ducaten zehlte / daß der Fuchsschwantz schwerer wurde /als das Schwert. Die Deutung dieses Gemähls gehet auf die Geldgierigen Richter / welche das Recht wegen schändlichen Gewinns / Gunst /[668] Neid und andrer Ursachen wegen vernachtheilen / wie dessen etliche Erzehlungen folgen sollen.

2. Es hat ein Soldat (in einer bekanten / aber wegen gewisser Ursachen unbenannten Statt) sich etlicher sträflicher Worte verlauten lassen: weil er aber viel Geld bey sich gehabt / ist er von dem Raht deß Orts zum Tod verurtheilet worden. Als man ihme nun das Urtheil für gelesen / hat er gesagt: Ihr seyd ungerechte Richter; Ich hab den Tod nicht verschuldet: weil euch aber ům mein Geld zu thun ist / so nehmet es hin und lasset mich gehen. Ich kan und wil es die Zeit meines Lebens nicht eifern.

3. Seine Bitt fande kein Gehör / und hiesse man ihn still schweigen. Darauf sagte er: Weil ihr euch nun nicht scheuet unschüldig Blut zu vergiessen / so wisset / daß ihr einen Oberrichter im Himmel habt / und für desselben Richterstul fordere ich euch in Jahr und Tag zu erscheinen / und wegen meines Todes Rechenschafft zu geben. Die vier obersten Rathsherrn lachten dieses Gesellen / und sagten / daß sie seiner Drauwort wenig achteten.

4. Gott aber hörte diese Ladung / und wurde der ältste von diesen Richtern / mit einem Donnerkeul erschlagen / der andre auf einer Gastung ermordet / der dritte wurde in einem Diebstal ergriffen / und muste am Strang erworgen / der vierte ist in Verzweifflung gestorben / und hat sich auf seinem Todbette dem bösen Geist ergeben. Dieses alles ist vor Vollendung deß Jahrs beschehen. Iean le Gast de Brissec im andern Buch vom Tisch-Gespräche.

5. Ein Sohn klagte seinen leiblichen Vater an / daß er mit einem Thiere Sodomiterey getrieben haben solte. Der Vater wird an die peinliche Frage geworffen / und bekennet aus Marter / was er nie begangen. Nach der Tortur laugnet er wieder / daß er solches ůbel nicht begangen. Als er aber wieder peinlich solte gefraget werden / entsetzte er sich für solcher Qual / und bekennte / daß er Sodomiterey getrieben /und daß er lieber sterben / als noch einmal solche Schmertzen ausstehen.[669]

6. Für Gericht wurde er nochmals gefragt / ob er der Missethat geständig. Darauf antwortet er mit Nein / und daß ihm solche Unfläterey nie zu Sinne kommen / sondern daß sein Sohn solches von ihm ausgesagt /damit er ihn um das Leben und seine Gůter zu handen bringen möchte: was er gestanden habe / sey aus Marter geschehen. Man höret sieben Zeugen an / die einstimmig aussagen / daß sie ihn die That bekennen hören.

7. Auf solche Zeugschafft wird er zum Feur verurtheilt / lebendig verbrennet zu werden. Wie nun sein Wort nicht stat gefunden / hat er sich Gott befohlen und ist mit grosser Beständigkeit gestorben. In einem Monat hernach sind die Richter und Zeugen alle eines jämmerlichen Todes umgekommen. Dieser Vatermörder aber hat ihm aus Verzweifflung das Leben mit einem Strang abgekürtzet. Dieses ist zu lesen bey vorangezognen Scribenten am 126. Blat.

8. Jener Prevost hatte einen Dieb in Verhafft welcher grosses Geld entwendet: Der Dieb verspricht ihm die Helffte / wann er ihn wieder frey lassen wůrde. Der Prevost höret diesen Vogel lieblich singen /fůrchtete aber / daß er darüber in grosses Unheil und üm seinen Dienst kommen möchte. Was thut dieser ungerechte Richter? Er lässet einen andern Unschuldigen einsetzen / und sagt ihm daß er den Diebstal bekennen solte / von welchem ihme nichts bewust war.

9. Der gute Gesell will darzu nicht verstehen. Endlich sagt er ihm / daß wann er die That bekennen wůrde / wolte er 12. Messen für seine Seele lesen lassen: würde er es aber nicht bekennen / so müste er doch hencken / und würde viel tausend Jahre in dem Fegfeuer / oder wol gar in der Hell schwitzen müssen. Der arme Tropf hörte vom Tod und der Hölle / verhoffte also in das Paradis zu kommen / und sagte /daß er sich dieses Diebstals nicht mehr erinnert; wann er es aber gethan haben solte / wie der Richter wissen wůrde / so wolle er ům ein gnädiges Urtheil und die versprochnen Messen gebetten haben.

10. So bald er sich so weit heraus gelassen /[670] wurde der rechte Dieb loß / und der Prevost hatte den halben Theil von dem Diebstal; dieser Unschuldige aber zum Strang verurtheilt. Als er zu dem Galgen kommen verginge ihm der Lust wieder auf der Leiter in den Himmel zu steigen / und wolte sein Wort wieder zu rucke nehmen. Der Prevost aber winkete dem Henker / er solte fort machen / welches auch geschehen / und ist dieser Betrug offenbar worden / als dieser Richter in ein hitziges Fieber gefallen / und in der Raserey dieses und andre solche Stücklein bekennet / wie wol er gefahren ist leichtlich zu ermessen.

11. Diese Erzehlungen wollen wir schliessen mit einem lustigen Rank den auch ein solcher Prevost /oder Bannrichter begangen. Der Dieb welchen er zum Tod verdammet stunde auf der Leiter / als ihm einer in das Ohr sagte / daß er hundert Kronen solte haben /wann er diesen armen Sůnder ledig machen würde. Der Prevost bedachte sich also bald auf eine List und sagte zu dem Volk: schauet doch er hat eine Kron /auf dem Haubt / das hab ich nicht gewust und er hat es nicht gesagt. Wol dann / mir wil nicht gebühren /daß ich den Geistlichen in ihre Bottmässigkeit greiffe: geh hin / verantworte dich gegen dem Bischoff etc.

12. Die Kronen auf dem Haubt geschoren haben /sind angehende Geistliche: Es kan aber auch verstanden werden von den Kronen / welche ihm der andre angeboten / und von solchen ist dem Richter zu vor nichts wissend gewesen / er hette es sonsten so weit nicht kommen lassen. Also kan das Geld erretten an dem Tag deß Gerichts.


Ein Richter welcher füllt mit Unrecht seine Taschen /

wird in dem Höllen Reich mit Pech die Hände waschen /

so man ihm hier geschmirt / gesalbt und angehölt /

und diese harte Straff unrechte Richter quält.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 668-671.
Lizenz:
Kategorien: