(CXXXI.)
Das Menschen Hertz.

[112] Wann wir von einem empfindlichen Schertz reden wollen / sagen wir: er hat ihm das Hertz getroffen / weil nichts schmertzlicher und gefährlicher / als die Wunden deß Hertzens / so gar / daß solche alle tödlich sind / und das Lebens Ende schnell mit sich bringen; massen alle Artzney verständige das Hertz den erstlebenden und letzsterbenden Theil deß Menschen nennen. Das Hertz ist die Quelle deß Bluts / der Geisterlein darinnen das Leben bestehet / und die Ursache guter und böser Gedancken; daher auch Gott das Hertz zu seinem Dienste erfordert / und in unsern Hertzen mit uns redet / welches ein jeder der es nur glaubig hören wil / bey sich prüfen kan. Von dem Hertz und seinen Wunden / wollen wir in dieser Erzehlung etliche sondre Fälle anmercken.

2. Die innerliche Glieder deß Leibes bringen den Tod auff viererley Weise. 1. Wann sie jr Ambt nit mehr verrichten können / wie die Lungen. 2. Wann das Leben in demselben bestehet / wie das Hertz. 3. Wann zu viel Blut verloren wird / wie die Leber und die Spanadern vernachtheilt werden können. 4. Wann die gefährlichen Zufälle ein Glied schwächen / wie die Nerven / der Magen und die Blasen unterworffen sind. Es find auch viel Schäden unheilsam / aber deßwegen noch nicht tödlich. Eine abgehauene Hand kan nicht wieder angeheilet werden / der Mensch stirbet aber deßwegen nicht.

3. Dieses muß man verstehen wann man von den Wunden der Brust reden wil: Das Häutlein (pericardium) kan wol verlätzet und nimmermehr geheilet werden / aber doch ist[112] solche Wunden nicht allezeit tödlich / ob man sie gleich nicht heilen kan / wie Cardan. (in Commentar. über die Aphoris. Hippocrat. l. 6. Aph 18.) bemercket / daß Antoni Aligat also verwundet worden / aber doch etliche Jahre hernach gestorben seye; inzwischen aber habe er offt und viel geseufftzet.

4. Columbus schreibt / daß etliche kein Vorhaut deß Hertzens haben / und daß dergleichen Leichnam selbsten zergliedert: solche aber fallen vielmals in Ohnmacht / und sterben bald.

5. Benivenius erzehlet von einem der von dem Galgen gefallen / und weil er nicht gar erworget / wieder zu recht gekommen seye. Nachdem er aber von dem Diebshandwerck nicht ablassen wollen / ist er am Strang gar erworget / und als man seinen Leichnam eröffnet / hat sich befunden / daß sein Hertz gantz haarig gewesen / welches dann ein Zeichen eines unverzagten und Frevlen Menschen ist.

6. In etlichen Cörpern hat man auch Beine gefunden / so unten oder oben in dem Hertzen gewesen / wie man auch dergleichen Beinlein auß eines Hirschen Hertz geschnitten. Com. Gemmal. 1. c. 6. de cosmocrit.

7. Felix Plater schreibet daß eines Knaben zu Basel Hertz / der sich wie ein Rad auff den Händen herum zu drehen pflegen / sich herunter gesencket / und nach seinem Tod gantz umgekehret gefunden worden.

8. H. Casimirs Marggrafens zu Brandenburg Hertz ist nach seinem Tod gantz dürr und außgetrocknet gefunden worden / welches die Artzney verständige der Traurigkeit unnd vielem Wachen / so dieser Printz außgestanden / zugeschrieben. Theol. Iord. l. 1. cap. 16. von der Pest.

9. Ein krancker Fürst klagte sehr das Hertzweh / und liesse viel Aertzte zusammen kommen / wegen seiner Kranckheit zu berathschlagen: unter diesen sagte der jüngste / dz für den Hertzwurm nichts besser / als der Safft von Knoblach / welcher solche Würmer tödete. Die andren lachten diesen auß / und sagten daß er einen Wurm in dem Haubt hätte. Der Fürst stürbet und sein Leichnam wird geöffnet / da sich dann ein weisser Wurm in seinem[113] Hertze fande mit einem spitzigen Schnabel / wie eines jungen Huns: Diesen hat wan lebendig auff einen Tisch gesetzet / und von Knoblach-Safft einen Ring üm ihn gemachet / da dann der Wurm darinnen geblieben / und endlich von dem Geruch deß Knoblachs ist getödet worden. Daher sagt man in dem Sprichwort von dem der ein böses Gewissen hat / daß er einen nagenden Wurm in dem Hertzen etc. I. Hebenstreit in seinem Buch von der Pest.

10. Wann die Wunde in dem Hertzen nicht tieff ist / so stirbt der Verwundte nicht also bald / und hat man Exempel / daß solcher noch hundert Schritt gegangen / biß ihm mit dem Blut alle Kräfften entsuncken. Allhier zu Nürnberg ist einem Armbrust-Schützen ein Poltz außgefahren / und einen Mußqueten Schuß darvon einem Bauren der Mist geladen in die Hertzkammer gefahren / daß er selben Augenblick tod zu der Erden gefallen.

11. In vielen Hertzen hat man auch Kalch gefunden / so groß als eine Haselnuß. Es giebt auch Geschwer und Eyter / so groß auffgeschwollen / als ein Hennen Ey; Darvon faulet das Häutlein über dem Hertzen / und kan ein solcher Mensch von Hertzen nicht frölich seyn.

12. Zween Brüder sind mit einander von bösen Worten zu guten Streichen kommen. Einer versetzte dem andern einen Stich mit dem Messer / und traffe ihn gleich auff das Hertz: Viel Blut vergosse die Wunden / die Adern wurden klein / dz Angesicht blaß / ein kalter Schweiß floß über den gantzen Leib / die Puls war schwach / und alle Anzeichen deß Todes befanden sich bey diesem Verwundten. Der Artzt Benivenius / der dieses (c. 42. de Abditis causis) beschreibet / hat jm Hertzstärckungen gebrauchet / und wieder zurecht gebracht / weil wie vermuthlich / nur die Vorhaut deß Hetzens verletzet worden.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 112-114.
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