(CXXXII.)
Die verbulten Joseph.

[114] Schleyer und Schöppel versperren manchem das Himmelreich / sagt das Sprichwort. Die Hurer welche sagen /[114] der Wald ist besser / als der Baum / gehen den Weg zum Spital. Welchem eine Hur in das Hertz kommet / dem kommet sie auch in den Beutel / und ist der ein Narr / welcher wegen einer guten Nacht ihm viel böse Tage kauffet / und solche werden Motten und Würmer zu Lohn. So schändlich nun die Hurerey / so löblich ist die Keuschhett / von welcher wir hier zwey Exempel wollen anführen / und darauß absehen / wie ein böser Vorsatz / durch gute Gedancken kan unterbrochen werden.

2 Aleria ein Adelich Fräulein in Siena / war vermählet mit einem Grafen von Malo / und wegen ihrer Schönheit von ihm hertzlich geliebet / welche verbunden war / mit so hohen Tugenden / daß noch der Neid / noch die Verleumdung ihr etwas böses mit dem Schein der Warheit nachsagen können. Doch hat dieses alles Arderich einen Marckgrafen deß Orts / nicht abhalten / daß er nicht seine Liebe / welche er auf Alertam geworffen / bevor sie vermählet worden / in Vergessenheit hätte fincken lassen.

3. Dieser Ehestand Aleria und Malo ist ihm zu einen Wehstand worden / in welchem er sich mit der Weiber. Unbeständigkeit tröstend / die Feder ergriffen / und ihr schrifftlich zu verstehen geben / daß seine Künheit sie zu lieben und zu loben verhoffentlich mit Verachtung nit abzustraffen / weil solche ihn mit allen Rittersleuten die sie kennen gemein; und auch Gott / wiewol auff geistliche Weise / Lob und Liebe von uns erfordere / etc. Diesen Brieff steckte er in Aleria Betbuch / welches ihr Diener (den er mit Freygebigkeit gewonnen) getragen.

4. Aleria wuste zwar wol / daß man nicht nur das Böse / sondern auch allen Schein desselben vermeiden solle; doch konte sie sich aus weiblicher Neugierigkeit nit enthalten / das Brieflein zu erbrechen / und zerrisse es / an statt der Antwort / in mehr als 100. Stücke. Es fügte sich aber bald hernach / daß der Graff mit seiner Gemahlin auff seine Güter verraiste / aldar den Herbst zu zubringen. Arderich suchte Gelegenheit mit seinen Windspielen da herum zu hetzen / unn mit Vorwand / er hätte[115] einen Stäuber verlohren / nahme er seine Einkehr bey Graff Malo / welcher ihn höflichst nöthiget alldar zu übernachten.

5. Nachdem nun Ardrich nachgehenden Tages seinen Weg weiter genommen / und den Abend Gelegenheit gehabt Aleria Schönheit näher zu betrachten / hat er allerhand nichtige Anschläge getraumet / und ist ihm doch fast alle Hoffnung Würcklicher Liebsgeniessung entsuncken. Die Gräfin fragte Morgens ihren Eheherrn / wer der Herr / dem er mit so höflicher Begünstigung zugesprochen? Der Graff fienge darauff an Arderich über alle massen zu loben / wie er der vollkommenste Rittersmann wäre / dessen Tapfferkeit / Geschickligkeit / Verstand und Höfligkeit wenig gleichten und keiner übertreffe / sich verwundrend / daß sie den nit mehr kennte / welcher ihr vor diesem auch auffgewartet und fast wenig Weibspersonen / die diesem Rittersmann wegen seiner anständigen Gebärden und liebreichen Worten abgünstig seyn könten.

6. Dieser Lobspruch beharrete in Aleria Ohr / dergestalt / daß / als auff eine Zeit ihr Herr verräiset / sie auß rasender Begierd die Feder ergriffe / und ihm ohne Beschämung / den Ort und Zeit zu ihr zu kommen benennte. Den Brieff ließ sie ihm durch ihre Kammermagd einhändigen / und erwartet seiner mit grossem Verlangen. Nach dem nun der Graff erschienen und sich außzuziehen angefangen / fragte er die Ursach / so geschwinder Veränderung ihres Sinnes / und warum sie den Haß so eilig in Liebe verwandelt?

7. Hierauff erzehlte Aleria das grosse Lob / welches ihr Herr Gemahl seiner Person beygemessen / und daß ihr Hertz dardurch ihn zu lieben gezwungen worden. Da sey Gott vor / antwortete der gewesne Buler / nun keuscher Joseph / daß ich den seiner Ehre berauben sol / der mich mit so trefflichen Nachruhm / wolmeinend geehret hat: Zoge darauff die Kleider wieder an / und gienge den Weg wider zu rucke / welchen er herkommen war.

8. Deßgleichen hat fast auch gethan Luchin Viral ein Genuesischer Edelmann. Dieser verliebte sich in eine arme / aber sehr schöne Jungfrau / Namens Janiquetta. Er wendete alle[116] ordentliche Mittel an / sie zu Schanden zu bringen / aber alles vergeblich / massen sie keine Augen hatte ihn anzuschauen / keine Ohren seine Wort zu hören und keine Hände seine Geschencke anzunehmen. Hernach heuratete sie einen Schiffer / und hielte sich / als einem Eheweib wol anstehet / erzeugte auch etliche Kinder mit ihme.

9. Luchin hatte sich inzwischen mit seines gleichen auch vermählet / unterliesse doch nicht diese Janiquettam auch zu lieben / wiewol ohne Hoffnung ihrer zu geniessen / weil sie ihn / als eine Schlange / flohe / und nicht mit ihm reden wolte / alle Gelegenheit und Argwahn gäntzlich zu vermeiden.

10. Es begabe sich aber / daß der Schiffer von den Corsaren gefangen wurde / und Janiquetta mit ihren Kindern in grosse Dürfftigkeit geriete / weilen eine schwere Theurung eingefallen / die das Land hart drückte. Das Mutterhertz muste ihre Waisen halb verschmachten sehen / und entschlosse deßwegen in solchem verzweiffelten Fall / verzweiffelte Mittel zu er greiffen.

11. Sie gehet zu Luchin und findet ihn allein / kniete für ihm nider / und bittet / er solte sie und ihre arme Kinder ernehren / so wolte sie / als seine leibeigene Magd sich seinem Willen in allem unterwerffen / die Noth treibe sie zu solchem Entschluß / und habe sie kein anders Mittel / sich deß Hungers zu erwehren. Luchin erstaunet ob diesem Vortrag / und ergreifft auß vielen zweiffelhafften Gedancken die besten / nimmet sie bey der Hand / und verspricht ihr und ihren Kindern reichliche Unterhaltung zu schaffen; jedoch nit gegen vormals verlangter Ungebühr / sondern wegen ihrer Tugend und Keuschheit.

12. Die That hat Luchin in der gantzen Stadt berühmt gemachet; daß er auch von der Obrigkeit zu hohen Ehren erhaben worden / und den Segen Gottes / welchen er den Keuschen versprochen / in allen reichlich gespühret / hier setze ich bey / die Wort unsers Erlösers: Du Leser / gehe hin / und thue deßgleichen / ich wil sagen / sündige nicht / wann und wo du auch Gelegenheit und Veranlassung zu sündigen[117] hast / so wird dir auch dergleichen Belohnung wiederfahren.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 114-118.
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