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[176] Und am andern Morgen in der Frühe

stand der König auf und ging mit Daniel

vor den Tempel. Und der König fragte:

Ist das Siegel unversehrt?

Das Siegel

hat kein Mensch berührt, versetzte Daniel.


Und die Thür sprang auf. Leer war der Altar.

Cyrus aber rief mit lauter Stimme:[176]

Baal, du bist ein grosser Gott! Bei dir ist

kein Betrug! Verzeih mir! Und er wollte

vorwärts eilen.

Halt!, rief Daniel lachend:

Halt, mein König, warte nur ein wenig.

Siehe dort! Was siehst du auf dem Boden?

Wes sind diese Stapfen?


Und der König

sah und sprach: Ich sehe wohl die Tritte.

Männer gingen aus und ein und Weiber,

Kinder auch ...

Und siehst du auch, woher sie

alle kamen und wohin sie laufen?

In den grossen Bauch des grossen Baal! Dort

mündet ein geheimer Gang ... Ja, König:

was der Götze frisst, verdaut der Priester!


Da ergrimmte Cyrus! Alle Priester

liess er fangen. Und noch einmal mussten

sie mit Weib und Kindern durch die Höhle

in den Tempel kriechen – statt der vierzig

Schafe wurden siebzig Priester festlich

Baal geschlachtet, der gesättigt grinste.


Aber dann zerschlug das Bild des Götzen

Daniel und zerbrach des Tempels Säulen

und zerstörte seine festen Hallen.

Quelle:
Otto Erich Hartleben: Meine Verse. Berlin 1905, S. 176-177.
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