Sechste Szene.

[112] Die Besenbinderstube ist nächtlich geworden. Und die Elemente beginnen sich um die Hütte zu beleben. Sturmstöße, darein die Totentanzmelodie mit schneidendem Geigenton ganz ferne aufwacht. Dann und wann immer wieder. Der alte Raschke macht behutsam die Tür auf. Er kommt mühselig hereingehumpelt.


DIE STIMME von draußen ruft. Johannes Habundus ist da ...

DER ALTE RASCHKE indem er einen Lichtspan ansteckt. Draußen bleibt er ... führe uns nicht in Versuchung ... denn niemand kann überhaupt genau wissen, wie das alles manchmal so zugeht ... gestanden hat sie's nicht ... und gestanden hab' ich's nicht ... denn ich bin ein armseliger Mensch ... ich bin aus dem Hundegeschlecht ... und wenn ein Mensch hungert und darbt, ist er kein Mensch, sondern ein Vogel ... und muß sehen, daß er auf die Bäume klettert und sich Nahrung sucht ... und ist er kein Mensch, sondern eine Spinne ... die die Hände der reinlichen Leute zerdrücken möchten ... ja ... und muß doch sehen, daß sie ihre Netze stellt ... und sich einen Hasen einfängt ... wenn's[112] sonst nicht mit natürlichen Dingen zugeht ... denn den lieben Gott bestehlen wir doch alle ... aber der rennt nicht gleich zum Amtssekretär ... der muß sich's von Mensch und Vieh gefallen lassen ... der lacht womöglich noch drüber ... also ... warum sollte das Mädel nicht Sachen haben, so viel sie will ... die Ketten und die Ringe und alles haben sie ihr einstweilen zwar abgenommen ... sie begreifen es nicht ... wenn sich aber ein Bestohlener durchaus nicht einfindet ... Er nimmt auch den Kaffeetopf und trinkt. Antun konnten sie ihr gar nichts ... und mir haben sie erst recht nichts antun können ... denn ich hab' weder gestohlen, noch eingebrochen ... das bringt der eine Sohn ganz alleine fertig ... außerdem konnte überhaupt von der ganzen Schenkkellergeschichte kein Mensch mehr was wissen ... ich selber konnte ja nicht einen Hundeschwanz von der eigenen Nasenspitze unterscheiden ... geschweige Hausknechte und Gendarme.


Quelle:
Carl Hauptmann: Die armseligen Besenbinder. Leipzig 1913, S. 112-113.
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