Scena VI.

[40] Paulus. Petrus.


PAULUS.

Wie stehts, Herr Peter? Ists euch nicht

Zu viel, so gebt mir bas bericht.

Wie ists verglichen mit dem Mann?

Dauon jhr heute was zeiget an?

PETRUS.

Habt jhrs vergessen? Hört wolan,

Ich wils euch fein vernemlich san,

Er ist ein Man gewest auff Erd,

Das man seins gleichen nicht erfert,

Wie ich euch meldet newlicher frist,

So jhrs euch zuentsinnen wist,

Von wünderlichen köpffen gantz,

Dem nie gefiel kein gute schantz,

Gieng wie es wolt, so lobt ers nicht,

Auch was auffs beste ward ausgericht,

Das war jhm gar nicht wolgethan,

Hing allen dingn ein schandfleck an,

Wust anzufechten menniglich,

Alles zu vorheben menniglich,

Gleich ob jhm were gebunden ein,

Das er der Welt müste Richter sein.

PAULUS.

Das weis ich mich zuerinnern noch,

Wie stehts nun ferner vmb sein sach?

PETRUS.

Wisset jhr, wie er sich rein gestolen?

PAULUS.

Nein traun, das ist mir alles verholn.

PETRUS.

So wil ichs traun auch niemand sagen,

Wers vor nicht weis, darff mich nicht fragen.

PAULUS.

Wie ist es aber nun in die fern[40]

Verglichen? möchte ich wissen gern.

PETRUS.

So stehts damit. Zu welcher stunde,

Er sich vergreiffen wird, der Kunde,

Vnd wird des vberwiesen werden,

Das er mit seinen vngeberden,

Hab etwan anders sich beweist,

Denn wol vnd friedlich allermeist,

So hat er selber sich verpflicht,

Nicht lenger hie zu seumen nicht,

Sondern von stund, ohn alle recht

Erkentnis, oder vrteil schlecht,

Gutwillig, ohn alle widerred,

Zugehen aus dieser seeligen stet.

PAULUS.

Das ist, meine ich, erbietens gnug,

PETRUS.

Erbietens ja, Hat guten fug,

Wenns auch gehalten würde, daran

Noch ich vnd mancher zweiffel han.

PAULUS.

Jhr trawet jhm wenig, als ich spür,

Doch gleichwol, so er brechte herfür

Ein Mann, der vorbitt legte ein,

Würdt jhr jhm jo genedig sein?

PETRUS.

Wo jhm der lieb Herr Jesu Christ

Alleine nicht genedig ist,

So findt er keinen andern nicht,

Der jhn vorbittet vor Gericht.

PAULUS.

Last euch auch das erinnert sein,

Man soll alle mittel in gemein,

Zuuor versuchen, ehe man thu

Die eusserste straff erkennen zu,

PETRUS.

Niemand erkent jhm etwas zu,

Er macht jhm selber solche vnrhu,

Weil er das vrteil selbst gesprochen,

Vber seinen hals den Stab gebrochen.

PAULUS.

Wolan, doch weil wir Christen sein,

Gebürt vns auch dem Herren fein

Zu folgen in Sanfftmütigkeit,

Gedult vnd aller Lindigkeit,

Damit durch vns viel mehr die Leut,

Erhalten werden, denn zerstrewt.[41]

PETRUS.

Solt man dem Vnholt dann so frech

Nicht stewren, vnd sein' mutwill brech'?

Vnd solt jhm vnuergolten lan,

Den vnlust, den er richt' hie an?

PAULUS.

Ist wol geredt, doch der gestalt,

Das' auch mit maß, vnd ohne gwalt,

Nicht nach dem strengen Recht allzeit,

Geschehe, welchs offt weit vnrecht geit.

PETRUS.

Wir sollen Donnerskinder sein,

Wie vns der Herr gebunden ein.

PAULUS.

Ich weis, vnd bin auch mir bewust,

Was ich hab selbs geschrieben sust,

Das man zur zeit vnd vnzeit sol,

Die Leute mit vleis erinnern wol,

Sie straffen, schelten, vnterrichten,

Vnd doch dabey gleichwol mit nichten,

Vergessen der Sanfftmut vnd Gedult,

Weil Christ der Herr auch jhre schuld,

Mit seinem todt gebüsset hart,

Sie mit seim blut erworben zart,

Dazu so sind auch die Gericht

Des Herrn, vnd vnser eigen nicht,

Damit wir vns nicht vnterstahn,

Des, das wir kein befehl nicht han,

Viel mehr bedencken, das allein

Aus gnaden auch wir selig sein.

PETRUS.

Wolan, hieruon wird weiter rath,

Wann sich die Herren jetz zur Stadt,

Gefunden han, Ich geh hinein.

Folgt jhr mir nach.

PAULUS.

Es sol ja sein.

Quelle:
Martin Hayneccius: Hans Pfriem oder Meister Kecks. Halle a.d.S. 1882, S. 40-42.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Hans Pfriem
Hans Pfriem: Oder, Meister Kecks (German Edition)

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.

106 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon