Elfte Szene

[614] KHALF dem Kadi nachsehend.

Der ändert keinen Spruch! Allein mich freuts!

Das


Mit einem Blick auf Soliman.


ist ein altes Weib!

SOLIMAN.

Was sagtet Ihr?

KHALF.

Ich pries Eur weiches Herz.

SOLIMAN.

Wagt nicht zu viel!

Ich hör jetzt wieder gut!

HAKAM zu Assad.

Du hattest recht!

Wir werden nicht zusammen hängen. Schenkst

Du mir die Kleider?

ASSAD.

Ja!

IRAD tritt zu Assad.

Du bist ein Räuber?

ASSAD.

Es muß ja wohl so sein. Du siehst, ich sterbe

Des Räubers Tod!

IRAD.

Bereust du deine Tat?

ASSAD.

Nein!

IRAD.

Nicht?

ASSAD.

Es mag wohl gut sein, daß ich sterbe,

Denn –


Zu Soliman.


Herr, es tut mir leid, daß ich den Dolch

Auf Euch gezückt, Ihr seid ein alter Mann,

Ders gut mit mir gemeint, ich weiß das wohl,

Und wahrlich, wenn ich Euch getroffen hätte,

Wenn Ihr in Eurem Blute vor mir läget,

Mir würde sein, als hätt ich meinen Vater

Getötet, denn Ihr seid so weiß, wie er,

Und selber stellt ich jetzt mich dem Kadi!

Das glaubt mir!

SOLIMAN.

Sohn, ich glaubs dir!

ASSAD zu Irad.

Dennoch fühl ichs,

Ich hätt ihn eher zehn Mal töten können,

Als den Rubin in seinen Händen lassen!


Zu Soliman.


Vergebt mir, doch ich muß es leider sagen,

Es ist so, mags begreifen, wer da kann!

Läg hier mein Kopf, und dort der Edelstein,

Ich griffe erst nach dem –[615]

SOLIMAN.

Höchst sonderbar!

Höchst sonderbar! Ja, ja! Auch ich, ich habe

Den Stein vor allen andern Steinen lieb!

Es hat ihn mir einmal ein Greis gebracht,

Der sprach zu mir: verkauft ihn, wie Ihr könnt,

Und gebt mir dann die Hälfte, doch er kam

Bis heute noch nicht wieder –


Sieht Irad an.


Seid Ihr nicht

Der Greis?


Irad schweigt.


Ich kann mich täuschen, und Ihr würdet

Euch, wenn Ihrs wärt, ja sicher nicht verleugnen!

Gleichviel, er kam nicht wieder, und der Stein

Tat mir es an, ich forderte für ihn

Mit jedem Tage mehr und legte ihn

Am Ende ganz zurück –

ASSAD.

Laßt mir ihn denn,


Deutet auf Rustan.


Bis dieser fertig ist –

SOLIMAN.

Ich laß ihn dir!

RUSTAN.

Ich bins! Drum fort! Es gibt noch mehr zu tun!

ASSAD küßt den Rubin und will ihn Soliman reichen, zieht die Hand aber wieder zurück.

Nicht wahr, es ist ja gleich? Nehmt ihn nachher!


Rustan will Assad anfassen.


IRAD für sich.

Nun ist es Zeit!


Er tritt zwischen Rustan und Assad.


Reich mir die Hand zum Abschied!

ASSAD.

So alt Ihr seid, ich komme noch vor Euch

Ins Paradies!


Reicht Irad die Hand.


IRAD.

Du irrst!


Assad und Irad verschwinden.


RUSTAN.

Wo sind sie hin?

SOLIMAN.

Es war der Greis!

HAKAM.

Hier darf man doch was wagen!

Am Fuß des Galgens wird man noch gerettet!

Wer hätte in dem Alten das gesucht!

RUSTAN.

Ich häng mich selbst, bevor mich der Kadi[616]

Dazu verdammt! Der wirds mir nimmer glauben.

Daß dieser ohne meine Schuld entkam!


Er stampft die Erde.


Pfui, Erde, pfui!

SOLIMAN.

Mir wirds wieder leicht.

Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 614-617.
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