Dritte Szene


[623] Fatime erscheint allmählig, die Wolke verschwindet nach und nach, ein rötliches Licht umfließt sie.


FATIME wie träumend.

Drei Tropfen meines Bluts?

Droht, wie ihr wollt, ich geb sie nicht! Nicht näher!

Ich fürcht Euch! – Bin ich hier denn ganz allein? –

Rührt mich nicht an!


Sie schreit.


Mein Vater!

ASSAD nähert sich ihr ängstlich.

Holdeste –

FATIME.

Wer bist du? O, genug! Der Alte nicht!

Der grimme Alte nicht! So schütze mich!

Tritt her! Ganz nah! Weg, Mädchenscham und Sitte!

Hier gilts den Tod, und mehr! Ganz nah! Ganz nah!

ASSAD für sich.

Sie weiß nicht, was mit ihr geschah!

FATIME.

Wo blieb er?

Steht er nicht hinter mir? Er tuts! Er tuts!

Ich fühle es! Nimm mich in deine Arme

So lange, bis mein Vater kommt! Er kommt

Gewiß im Augenblick! Du hast

Doch einen Dolch?

ASSAD.

Beruhge dich![623]

FATIME.

Wie kann ich?

Noch eben war es Tag! Nun ist es Nacht!

Ich stand an einem Rosenbeet, und nun –


Sie schaut sich um.


Der Greis ist fürchterlich! Auf seinen Wink

Verkriecht die Sonne sich zur Mittagszeit,

Die Gärten sinken ein – Ein Menschenkind

Wird durch die Luft entführt und merkt es nicht!


Stürzt auf ihre Knie.


Allah, beschirme du mich!

ASSAD.

Bete lieber:

Allah, erlöse mich!

FATIME springt auf.

Mich graust! Mich graust!

Sprich! Ist es schon geschehn? Bin ich verzaubert?

Hat er die Drohung schon erfüllt? Du schweigst?

Er hat! Er hat! O, ich erinnre mich!

»Sagst du noch ein Mal nein, so bist du Stein!«

Das rief er mir in grimmgem Zorne zu

Und zog ein spitzes Instrument hervor

Und griff nach meiner Hand, als wollte er

Mir eine Ader öffnen, ehe ich

Das zweite Nein noch fände –

ASSAD.

Dennoch hast

Du es gefunden, denn –

FATIME.

Ich lebe ja,

Ich atme ja!


Sie faßt ihre Locken an.


Die sind ja weich, wie sonst,

Ich bin ja noch nicht Stein –

ASSAD.

Du warst es schon

Und mußt, o Allah! mußt es wieder werden,

Wenn du –

FATIME.

Mich fröstelt schon! O, es ist wahr!

Ist schrecklich wahr!

ASSAD fährt fort.

Wenn du nicht weißt, wie du

Entzaubert werden kannst!

FATIME greift sich an die Stirn.

Mir deucht, ich weiß es!

ASSAD.

So sags mir an!

FATIME.

O, jetzt besinn ich mich

Auf alles wieder![624]

ASSAD.

Nun, so zögre nicht!

FATIME.

Ich bin in einen Edelstein gebannt!

ASSAD.

Nicht länger, als –

FATIME.

Und du, du hast den Stein!

ASSAD.

Laß das! Verkünde mir –

FATIME.

Du liebst den Stein!

O ganz gewiß, du liebst ihn!

ASSAD.

Mit dem Leben

Hab ich ihn fast bezahlt! Und, sicher geb ich

Mein Leben eher hin, als ihn!

FATIME bricht aus.

Entsetzlich!

Ich werde nie erlöst!

ASSAD.

Ich faß dich nicht!

FATIME.

Nur deshalb wählte er den Edelstein

Und nicht den Kiesel!

ASSAD.

Selbst den Kiesel hättest

Du in den herrlichsten Rubin verwandelt,

Mit Purpurrot hätt ihn dein Blut durchhaucht,

Mit Feuer dies dein Auge ihn getränkt!

Wer weiß denn, obs vorher kein Kiesel war.

FATIME.

Du liebst auch mich!

ASSAD.

Dich liebt ich stets in ihm!

FATIME.

Weh dir und mir!

ASSAD.

Wohl bin ich zu gering,

Doch wahrlich auch nicht kühn genug, zu dir

Den Blick emporzuheben!

FATIME.

Du verstehst

Mich nicht!

ASSAD.

Du bist bestimmt, den Mann zu lohnen,

Der auf der Welt die größte Tat vollbringt,

Du schwebst ihm vor, das spornt ihn an, nun stürzt

Er freudgen Mutes sich in Not und Tod,

Und wenn er dann als Sieger wiederkehrt

Und dich erblickt, wenn du dich huldvoll ihm

Entgegen neigst, dann tritt er noch in Demut

Zurück und sagt: auch ich bin dein nicht wert!

Ja, tut ers nicht, so rufe ichs ihm zu.

FATIME mit einem Blick auf Assad.

Ich möchte leben, leben![625]

ASSAD.

Doch das gibt

Mir eben Kraft, das Äußerste für dich

Zu wagen und mein Alles einzusetzen!

Wer deiner würdig ist, der schone sich,

Und wärs auch nur, weil du vielleicht im Herzen

Sein Bild schon trägst und ihn nicht missen kannst!

Ich bin es nicht und werde mich nicht schonen,

Drum sag mir, wie du zu erlösen bist!

Und wär es dadurch, daß ich diesen Dolch

Ins Herz mir stoße: schneller werd ichs tun,

Als du es fordern kannst!

FATIME.

Das würde ich

Gewiß nicht fordern!

ASSAD.

Tu es ohne Scheu!

Denn ohne dich vermag ich nicht zu leben,

Seit ich mit diesen Augen dich gesehn,

Und –

FATIME.

Edler Jüngling! Oft schon warf der Baum

Die goldne Frucht von selbst auf den herab,

Den heilge Scheu zurückhielt, ihn zu schütteln!

ASSAD.

Was sagst du da? O, wiederhol es mir!

FATIME für sich.

Er rührt mein Herz!


Laut.


Wie gerne würd ich dir

Mein Leben danken! Aber nimmer wirst

Du mich erlösen!

ASSAD.

Dennoch hörte ich,

Es steh in Menschenmacht!

FATIME.

In Menschenmacht?

Ach, es ist leicht, es ist unendlich leicht!

ASSAD.

Und doch –

FATIME.

So leicht, daß dus an jedem Ort

Vollbringen könntest und zu jeder Zeit!

ASSAD.

Und doch – O, gib mir keine Rätsel auf!

FATIME.

Doch würdest du mich eher einem Drachen

Abkämpfen, eher aus dem Grund des Meers

Herauf mich holen, wenn mich eine Muschel

Umschlösse, eher Salomonis Siegel

Zerbrechen, wenn es in ein Grab mich bannte,

Als dieses Leichteste des Leichten tun![626]

ASSAD.

So nenn es mir!

FATIME.

Ach, dürft ich dir es nennen,

So wär es schnell vollbracht! Du mußt darauf

Von selber kommen! Doch du wirst es nicht!

Denn es ist schwer, es steht im Widerspruch

Mit allem, was du denkst und fühlst. Und wenn

Ich dir entdecken wollte, was es ist,

Gleich würde eine andere Bedingung,

Und eine noch viel schlimmere, gesetzt;

Ich weiß es nur, damit ich doppelt leide.

Du wirst auf jedem Stern den Schlüssel suchen,

Der meinen Kerker öffnet, wirst den Abgrund

Darnach durchspähn und hast ihn in der Hand.

ASSAD.

Ich werde alles tun –

FATIME.

Bis auf das rechte!

Ja, wenn du mich nicht – Unglückselge, schweig!

ASSAD.

Du nimmst mir selbst die Hoffnung?

FATIME.

Nehme ich

Sie dir allein? Ich nehm sie mir zugleich!

Du durftest mich nur darum einmal sehn,

Damit du elend würdest! Elend bist

Du jetzt! Ich fühls! Nun siehst du mich nicht mehr!

Ich werde niemals wieder aus dem Stein

Zu neuem Sein hervorgehn, oder erst,

Wenn alles, was mir lieb und teuer war,

In Staub zerfallen und die schöne Welt

Mir völlig fremd geworden ist. Wer weiß,

Ob das nicht schon geschah, ob ich nicht schon

Jahrhunderte – Wer herrscht in Bagdad?

ASSAD.

Harun!

FATIME.

So ists noch Zeit! – Wie wird mir! Allah! Hülfe!

Ich möcht ihm noch was sagen! – Was denn? –


Zu Assad, verwirrt.


Frag doch!


Eine Wolke umfließt sie, sie verschwindet. Es wird dunkel.


ASSAD.

Weh, weh! Ich seh nichts mehr von ihr! Und dort,

Dort funkelt der Rubin schon wieder hell!


Er hebt ihn auf.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 623-627.
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