Siebente Szene

[647] OMAR tritt ein, der rechte Arm ist ihm verbunden.

Kalif,

Du winktest, ich bin da!

DER KALIF.

Mein Bruder Omar,

Ich bin zufrieden! Huldige denn jetzt

Dem neuen Herrn! Die Krone des Propheten

Ging über auf


Er deutet auf Assad.


dies junge Haupt. – Du zauderst?

OMAR sich mühsam fassend.

So lange nur, als not ist, dich zu bitten,

Dem Boten, welchen du an mich gesandt,

Die freche Zunge aus dem Hals zu reißen!

Denn dieser Lügner sagte mir –

DER KALIF.

Ich hätte

Dir selbst die Krone zugedacht, nicht wahr?

Das hatt ich auch! Ja, ich ernannte schon

An deiner Statt Ägyptens neuen Pascha!

Nun kam es aber so![647]

OMAR geschmeidig, indem er sich vor Assad niederwirft.

Und das war gut!

Wer diente dir nicht lieber, als er selbst

Die Welt beherrschte! Doch, ich bitte dich:

Ernenne mich zu deinem Mundschenk!

ASSAD.

Dich?

OMAR.

Es wär mein Stolz und meine Seligkeit!

ASSAD.

Den Pascha und den Bruder des Kalifen?

Wie könnt es sein!

OMAR aufstehend.

So mache ich mir den

Zum Freund, ders wird! – Es gibt ja wohl noch Gift!

HAKAM.

Ist es denn möglich!


Er kann nicht länger an sich halten.


SOLIMAN.

Nun?

DER KADI mit einer Gebärde an den Hals.

Ich folge Rustan!

Der läßt mich braten! Täte ichs doch selbst,

Wär ich an seiner Statt und er an meiner!


Zu Selim leise.


Den Strick!

SELIM reicht ihn hin.

Den Strick?

DER KADI greift rasch darnach.

Nur her! Ich habe Eil! –

Noch denkt er nicht an mich!


Schleicht sich fort.


DER VEZIER zu Assad.

Vergönnt jetzt, Herr!


Er hängt Assad das Purpurgewand um und setzt ihm das Diadem auf. Assad läßt es willen- und bewußtlos geschehen.


ASSAD streicht sich mit der Hand über die Stirn.

Schon einmal träumt ich so!

DER VEZIER kniet.

Bin ich der zweite

Im Niederknien, so werde ich dafür

Im Pflicht-Erfüllen stets der erste sein!

Das hoff ich dir noch heute darzutun!

DER KALIF.

Ich huldige dir auch!


Er will ihn zum Thron führen.


Dies ist dein Sitz!

ASSAD.

Herr![648]

IRAD tritt mit Majestät hervor.

Still! Ich weiß, was dein bescheidner Sinn

Einwenden möchte. Aber dies geschieht

Mit Allahs Willen und auf sein Geheiß.

Der böse Geist hat, ohne es zu ahnen,

Für seinen Plan gewirkt!

ASSAD.

Ehrwürdger Greis,

Ich bin ein Fischersohn!

IRAD.

Ward der Prophet

Im Purpurkleid geboren? Zwanzig Jahre

Trieb er Kamele durch den Wüstensand!

ASSAD.

Wie kann der Fischersohn die Millionen

Regieren, welche –

IRAD.

Wenn er nie vergißt,

Daß er von allen diesen Millionen

Nur einer ist, und daß sein Volk nicht bloß

Mit seinen beiden, nein, mit Millionen

Von Ohren und von Augen hört und sieht,

Daß es mit Millionen Herzen fühlt,

Mit Millionen Köpfen denkt! Du hast

Die Not gekannt, die bittre Not, es schritt

Drei Mal sogar der Tod an dir vorüber,

Du wirst dich niemals in betörtem Sinn

Für einen Gott erklären, auch dein Sohn

Wirds noch nicht tun, und selbst dein Enkel nicht.

Und das ist schon genug!

DER VEZIER.

Erfüll, o Herr,

Jetzt deine erste Herrscherpflicht: die Pflicht,

Dich selbst zu schützen vor Verrat und Tücke.

Es gibt hier einen, der dir Böses sinnt,


Deutet auf Omar.


Leg den in Fesseln!

ASSAD.

Das verschiebe ich

So lange, bis er Böses an mir tat!

DER KALIF.

Wer sprach das, Abubeker?

DER VEZIER.

Wer das sprach?

Ein treuer Diener seines neuen Herrn!

ASSAD.

Doch, wenn ich wirklich meine Brüder jetzt[649]

In Fesseln legen kann, so werd ich sie

Ja wohl von Fesseln auch befreien können!

Nehmt diesem denn die seinen ab!


Er deutet auf Babeck. Es geschieht.


ASSAD jauchzend.

Man tuts!

Ich kann das in der Tat! O Allah, Allah!

Ich bin ein Fischersohn und doch Kalif.

Jetzt öffn ich denn die Kerker meines Reichs,

Daß Tausende um Segen für mich flehn,

Dann wird mir Kraft und Mut und Weisheit werden,

Und was noch fehlt, das


Zu Irad.


fügt dein Rat hinzu!

IRAD.

Wir scheiden gleich! Der böse Geist erwacht,

Ich fühl es schon, und ich muß schlafen gehn!


Zum Vezier.


Vezier, verkünde du dem Volke jetzt

Den neuen Herrscher! Assad nennt er sich!

ASSAD.

Noch nicht!


Deutet auf Fatime.


Und sie?

IRAD.

Sie teilt den Thron mit dir!

ASSAD zu Fatime.

Darf ich es hoffen?

FATIME.

Weißt du es nicht schon?

Mein Vater!

DER KALIF.

Folg ihm nur! Ich segne euch!

HAKAM.

Kalif, ich küsse dir die Füße!


Er wirft sich vor Assad nieder.


ASSAD tritt zurück.

Au!

HAKAM steht auf.

Verzeih die Inbrunst! Einmal mußt ich ihn

Noch beißen! Jetzt verehr ich den in ihm,

Der mir die Taschen füllen und den Kopf

Mir nehmen kann!

DER VEZIER mit erhobener Stimme.

Ihr Gläubgen, Harun stieg

Herab vom Thron und Assad steigt hinauf!


Musik und Jubelgeschrei der Menge.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 647-650.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anselm von Canterbury

Warum Gott Mensch geworden

Warum Gott Mensch geworden

Anselm vertritt die Satisfaktionslehre, nach der der Tod Jesu ein nötiges Opfer war, um Gottes Ehrverletzung durch den Sündenfall des Menschen zu sühnen. Nur Gott selbst war groß genug, das Opfer den menschlichen Sündenfall überwiegen zu lassen, daher musste Gott Mensch werden und sündenlos sterben.

86 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon