Dritte Szene


[753] Die Tür wird geöffnet, man erblickt Häscher und Reisige, die jedoch draußen bleiben, es tritt ein: Emeran Nusperger zu Kalmperg und bleibt am Eingang stehen.


AGNES ihm entgegen. Herr Emeran, hätte mein Gemahl je erfahren, was ich von Euch wußte, Ihr lebtet nicht, um mich zu verderben! Er haßte Euch schon ohne Grund, wie keinen auf der Welt, ich hätt ihm wohl einen Grund angeben können, aber ich tats nicht! Sinnt nach, und wenn Ihr ein Mensch seid, so muß sich in Eurer Brust jetzt etwas für mich regen!

EMERAN NUSPERGER ZU KALMPERG schweigt.

AGNES. Herr Emeran, bin ich auf ehrliche Weise in Eure Hand gefallen? Bedenkt, wohin Ihr mich ohne Vorbereitung schickt, laßt mir noch etwas Zeit, und Gott solls Euch verzeihen, daß Ihr einen Judas mehr gemacht habt, ich will selbst für Euch bitten!

EMERAN NUSPERGER ZU KALMPERG schweigt.

AGNES. Herr Emeran, wie ich in diesem Augenblick zu Euch, so werdet Ihr dereinst zu Gott um eine kurze Frist flehen, und er wird Euch antworten, wie Ihr mir! Seht mich an, wie jung ich noch bin, und gebt mir von jedem Jahr, das ihr mir raubt, nur eine Minute zurück! Könnt Ihr mirs weigern? Ich will ja nur von mir selbst Abschied nehmen!

PREISING. Ihr verlangt von ihm, was er nicht gewähren kann! Er weiß von Eurem Knecht, daß Ihr gestern zur Nacht erst gebeichtet habt, und die Stunde drängt! Auch ist die eine ebenso schwarz, wie die andere, glaubts mir! Aber willigt ein und –[753]

AGNES. Hebe dich von mir, Versucher!

EMERAN NUSPERGER ZU KALMPERG winkt einem Häscher.

EIN HÄSCHER tritt herein und nähert sich Agnes.

AGNES. Fort, Mensch! Willst du deine Hand an die legen, die noch keiner, als dein Herzog, berührt hat? Nur dem Totengräber kann ichs nicht mehr wehren! Sie schreitet zur Tür, bleibt dann aber stehen. Albrecht, Albrecht, was wirst du empfinden!

PREISING. Ja! Ja! Und Ihr wollt diesen Stachel lieber in seine Seele drücken, als – – Noch ists Zeit!

AGNES. Fragt ihn, wenn ich dahin bin, ob er lieber eine Unwürdige verfluchen, als eine Tote beweinen mögte! Ich kenne seine Antwort! Nein, nein, Ihr bringt Euer Opfer nicht so weit, daß es sich selbst befleckt. Rein war mein erster Hauch, rein soll auch mein letzter sein! Tut mir, wie Ihr müßt und dürft, ich wills leiden! Bald weiß ich, obs mit Recht geschah!


Sie schreitet durch die Häscher hindurch. Preising und Emeran Nusperger zu Kalmperg folgen.


Offenes Feld.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 753-754.
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