Siebente Szene

[159] Halle. Truchs und Wulf treten auf. Zwerge tragen Schätze über die Bühne.


TRUCHS.

Ich steh zu Kriemhild.

WULF.

So? Zu Brunhild ich.

TRUCHS.

Warum, wenns dir beliebt?

WULF.

Wie brächtest du

Dein Lanzenspiel zusammen, wenn wir alle

Dieselbe Farbe hielten?

TRUCHS.

Diesen Grund

Muß ich dir gelten lassen, aber sonst

Wärs Tollheit.

WULF.

Ho! Das sag nur nicht zu laut,

Denn viele gibts, die zu der Fremden schwören.

TRUCHS.

Es ist ein Unterschied, wie Tag und Nacht.

WULF.

Wer leugnet das? Doch mancher liebt die Nacht!


Zeigt auf die Zwerge.


Was schleppen die?[159]

TRUCHS.

Ich denk, es ist der Hort,

Denn Siegfried hat ihn von den Nibelungen,

Als er sie zum Geleit hieher entbot,

Gleich mit herauf gebracht, und wie ich höre,

Ist er zum Wittum für Kriemhild bestimmt.

WULF.

Unholde, diese Zwerge! Hohl im Rücken!

Kehr einen um, so liegt ein Backtrog da.

TRUCHS.

Sie hausen auch ja mit dem Wurm-Geschlecht

Im Bauch der Erde und in Berges-Höhlen,

Und sind des Maulwurfs Vettern.

WULF.

Aber stark!

TRUCHS.

Und klug! Der braucht nach der Alraunen-Wurzel

Nicht mehr zu spähn, der die zu Freunden hat.

WULF zeigt auf die Schätze.

Wer das besitzt, braucht alle beide nicht.

TRUCHS.

Ich mögt es kaum. Es ist ein altes Wort,

Daß Zaubergold noch durstiger nach Blut,

Als ausgedörrter Schwamm nach Wasser ist;

Auch führen diese Nibelungen-Recken

Gar wunderliche Reden.

WULF.

Von dem Raben!

Was war es doch? Ich habs nur halb gehört.

TRUCHS.

Ein Rabe hat sich auf das Gold gesetzt,

Als mans zum Schiff hinunter trug, und so

Gekrächzt, daß Siegfried, weil er ihn verstand

Sich erst die Ohren zugehalten und

Gepfiffen, dann nach ihm mit Edelsteinen

Geworfen, und zuletzt, weil er nicht wich,

Sogar den Speer geschleudert haben soll!

WULF.

Das will was heißen! Denn er ist im Grunde

So sanft, als tapfer.


Es wird geblasen.


Horch, das gilt auch uns!

Sie sammeln sich. Hie Brunhild!

TRUCHS.

Kriemhild hie!


Ab. Andere Recken, die sich inzwischen gesammelt haben, schließen sich an und wiederholen den Ruf. Es wird nach und nach dunkel.[160]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 159-161.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Nibelungen
Die Nibelungen
Dramen (Judith - Maria Magdalena - Gyges und sein Ring - Die Nibelungen)
Agnes Bernauer - Die Nibelungen - Deutsche Klassiker Bibliothek der literarischen Meisterwerke

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Musarion. Ein Gedicht in drei Buechern

Musarion. Ein Gedicht in drei Buechern

Nachdem Musarion sich mit ihrem Freund Phanias gestrittet hat, flüchtet sich dieser in sinnenfeindliche Meditation und hängt zwei radikalen philosophischen Lehrern an. Musarion provoziert eine Diskussion zwischen den Philosophen, die in einer Prügelei mündet und Phanias erkennen lässt, dass die beiden »nicht ganz so weise als ihr System sind.«

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon