Eilfte Szene

[194] Kriemhild kommt.


KRIEMHILD.

Ihr geht zur Jagd?

SIEGFRIED.

Ja wohl! Bestell dir gleich

Den Braten!

KRIEMHILD.

Teurer Siegfried, bleib daheim.

SIEGFRIED.

Mein Kind, eins kannst du nicht zu früh erfahren,

Man bittet einen Mann nicht: bleib daheim![194]

Man bittet: nimm mich mit!

KRIEMHILD.

So nimm mich mit!

HAGEN.

Das wird nicht gehn!

SIEGFRIED.

Warum nicht? Wenn sies wagt?

Es wird ja wohl das erste Mal nicht sein!

Den Falken her! Ihr, was da fliegt, und uns,

Was hüpft und springt. Das gibt die beste Lust.

HAGEN.

Die eine sitzt voll Scham in ihrer Kammer,

Die andre zöge in den Wald hinaus?

Es wär, wie Hohn!

SIEGFRIED.

Das hab ich nicht bedacht.

Ja wohl, es kann nicht sein.

KRIEMHILD.

So wechsle nur

Das Kleid!

SIEGFRIED.

Noch einmal? Jeden deiner Wünsche

Erfüll ich, keine Grille.

KRIEMHILD.

Du bist herb.

SIEGFRIED.

Laß mich hinaus! Die Lust nimmt alles weg,

Und morgen abend bitte ich dir ab!

HAGEN.

So kommt.

SIEGFRIED.

Ja wohl. Nur noch den Abschiedskuß.


Er umarmt Kriemhild.


Du sträubst dich nicht? Du sagst nicht: morgen abend!

Wie ich? Das nenn ich edel.

KRIEMHILD.

Kehr zurück!

SIEGFRIED.

Ein wunderlicher Wunsch! Was hast du nur?

Ich zieh hinaus mit lauter guten Freunden,

Und wenn die Berge nicht zusammenbrechen

Und uns bedecken, kann uns nichts geschehn!

KRIEMHILD.

O weh! Gerade das hat mir geträumt.

SIEGFRIED.

Mein Kind, sie stehen fest.

KRIEMHILD umschließt ihn nochmals.

Kehr nur zurück!


Die Recken ab.[195]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 194-196.
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