Im Kasernenarrest

1.

[10] O sonnenseliger Pfingstentag!

Nun lacht und kost es in Flur und Hag.

Verlassen ist Stube und Bürgerhaus,

Nun ziehen sie alle hinaus, hinaus.

Wer sonst des Lebens nie sich freut,

Er pflückt die Rose der Freude heut.

Nur ich allein, nur ich allein

Darf nicht im fröhlichen Bunde sein,

Und der das schnöde Gebot gegeben,

Stiehlt mir einen schönen Tag im Leben,

Und das verzeih' ihm Gott!


2.

Will euch doch ein Schnippchen schlagen!

Mich soll Langeweile plagen?

Wozu wär' ich denn Poet?

Und da dicht' ich meine Lieder,[10]

Schlägt die Drossel, blüht der Flieder,

Und der Hauch des Frühlings weht,

Wenn auch gähnend Spind am Spinde,

Schemel hier an Schemel steht.

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 1: Buch des Lebens, München 1921, S. 10-11.
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