Dauersinn

[146] Mächtige Stille reiner Tage,

Mählich linderndes Verwinden!

Aus geprüftem Herzensschlage

Spür' ich ruhig Weltempfinden.

Nicht erstorben, nicht ermattet,

Regt der Puls sich immer neu,

Nur ein goldner Friede gattet

Sich der Seele tief und treu.
[146]

Geist der flüchtigen Gefühle,

Geh vorüber, halt dich ferne!

Öder Druck der Sinnenschwüle,

Nebeldunst der Irrlichtsterne!

Wohl in dieser Brust erbauen

Will sich ein gesichert Gut,

Das zum Schaffen und zum Schauen

Auf dem Fels der Dauer ruht.


Rauscht vorüber, hurtige Dinge,

Lasset Bild um Bild gestalten,

Mit der Seele Siegelringe

Formgeprägt und festgehalten!

Keine Ferne sei verschlossen,

Keine Nähe sei versagt,

Aller Fluß in eins geflossen

Und das Eigne frisch gewagt!

Quelle:
Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 1: Buch des Lebens, München 1921, S. 146-147.
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