Siebente Scene.


[365] Vorige. Salvatore stürzt herein, hinter ihm Leporello der ihn vergebens aufzuhalten sucht. Dann der Karthäuser Mönch.


WIRTH. Todt sagt ihr? die Contessina todt? Gemordet ist sie, sag' ich euch, und dort Auf Don Juan zeigend. steht der Mörder!


Große Bewegung unter dem Volk.


LEPORELLO. Verruchter Schwätzer – elender Lügner –

WIRTH. Die Hand von mir, frecher Gesell! Schüttelt ihn ab. Und wenn ich hier auf dem Fleck todt niedersinken sollte – Tritt mit geballter Faust dicht vor Don Juan hin. ihre verlorene Seligkeit über dein schuldiges Haupt, Bube, und mögest du verdammt sein wie Kain!

GRÄFIN richtet sich mühsam auf, von Gianotto und Martina unterstützt. Warum schmähst du diesen Fremden, Salvatore? Nur mich selbst hab' ich anzuklagen. Ich – ich hätte um jeden Preis –[365]

WIRTH. Ihr? O gnädige Gräfin, wenn Ihr wüßtet – Aber fragt sie selbst – laßt sie Euch wiederholen, was sie mir gestand, da ich sie vor Reu' und Verzweiflung halb wahnsinnig herumirren sah –

GRÄFIN. Wen? Wen?

WIRTH. Biondetta, meine Braut – nein, hinfort nicht mehr werth, eines ehrlichen Mannes Namen zu tragen. Der da – dieser Fremde, den Ihr in Schutz nehmt – er hat sie so bethört, daß sie ihn bei Nacht in die Kammer der Contessina geführt und dort mit ihr allein gelassen hat.

GRÄFIN. O mein Gott!

WIRTH mit wildem Blick auf Don Juan. Was dort geschehen – nur das Auge des Allwissenden hat es geschaut. Hier aber liegt das arme junge Leben hingemordet – und dort frank und frei – doch nein, das soll man den Burschen von Resina nicht nachsagen, daß sie mit gekreuzten Armen zuschauen, wenn fremde Verführer ihnen ihre Mädchen stehlen. In die Hölle mit dir, du Schuft!


Er zieht ein langes Messer aus dem Gürtel und dringt damit auf Don Juan ein. Gianotto wirft sich dazwischen, entwindet ihm den Dolch und tritt, die Waffe hoch schwingend, schützend vor den Vater hin.


GIANOTTO. Wer wagt es, meinem Vater ein Haar zu krümmen? Wer, ihn zu verklagen? Was er gesündigt hat – der barmherzige Gott mög' es ihm verzeihen! Ich bin sein Richter nicht – ich habe mich selbst zu richten!

DON JUAN. Mein Sohn –

GIANOTTO. Du hältst den Arm der Gerechtigkeit nicht zurück, Vater! Dich selbst rufe ich zum Zeugen auf, daß ich, ich allein[366] dies süße, reine Herz gebrochen habe. Nur für mich hat es geschlagen und mußte stillstehen, da ich es so grausam kränken konnte. Ihr aber – hört mich wohl und ehrt meinen letzten Willen: diesen Mann laßt frei hinweggehen, wohin er mag! Ich aber habe nur die Wahl, im Licht des Tages wie ein ruheloser Geist der Unterwelt durch die Lande zu irren. oder mir eine Ruhstatt zu suchen – zu ihren Füßen.


Er ist während der letzten Worte nach der Bahre hingewankt, stößt sich plötzlich den Dolch in die Brust und sinkt zu Ghita's Füßen zusammen.


GRÄFIN schreit auf. Gianotto! Wehe!

MARTINA sie in ihren Armen auffangend. O Mutter der Gnaden!


Der Berg donnert näher.


DON JUAN in dumpfer Qual. Mein Sohn – mein herrlicher Sohn! Und keinen Blick deinem reuegequälten, verzweifelnden Vater – keinen Blick der Gnade und des Erbarmens!

GIANOTTO richtet das Haupt matt auf, streckt die Hand wie suchend nach ihm aus. Don Juan stürzt zu ihm hin, ergreift die Hand und küßt sie, sinkt dann in die Kniee. Gianotto läßt das Haupt sinken und stirbt.


Pause.


DER KARTHÄUSER der schon bei Gianotto's letzter Rede aufgetreten und durch die Menge nach vorn gekommen ist, tritt zu Don Juan und legt ihm die Hand auf die Schulter. Unglücklicher Mann! Die Schlacken der Selbstsucht fallen von dir ab in diesem furchtbaren Seelenbrande. Komm mit mir! Ich führe dich an die Stätte des Friedens.

DON JUAN sich aufrichtend. Friede? An einem Ort, von dem herab ich ewig diese beiden Gräber sehen würde? Mein Freund, du meinst es gut, aber du weißt nicht, was Solche bedürfen, die Nichts auf Erden mehr lieben können, nicht einmal sich selbst.


Wendet sich nach rechts, beginnt den Felsweg hinanzusteigen.
[367]

DER MÖNCH. Wohin wollt Ihr? Hört Ihr den Berg nicht donnern? Seht Ihr die glühende Aschenwolke nicht, die nah und näher sich heranwälzt?

DON JUAN auf der Höhe des Weges noch einmal sich umwendend. Ich hab' am Kraterrande droben einen Ring verloren, den mir die Mutter dieses Knaben gab. Den will ich suchen gehn.


Er steigt hinauf, man verliert ihn aus den Augen.


DER ALTE FISCHER. Herr – um Gott, was thut Ihr? Ihr geht in den sichern Tod!

DER WIRTH. Laßt ihn! Laßt den Teufel den Weg zur Hölle gehn!

DER FISCHER Don Juan nachspähend. Er geht – der Rauch umqualmt ihn schon – Heilige Madonna, er ist verloren!


Starker Donner, die Luft verfinstert sich.


DER MÖNCH auf die Kniee sinkend Ewige Gerechtigkeit, deine Wege sind wunderbar! – Betet für die Seele dieses großen Sünders!


Während die Meisten der Umstehenden sich erschüttert auf die Kniee werfen und in stummem Gebet die Hände falten, fällt der Vorhang.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 365-368.
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