Abendlied

[70] Der schwarze Flügel trüber Nacht

Will Alles überdecken;

Doch dies, was Gottes Finger macht,

Bringt mir geringen Schrecken.


Es ist das Aufgebot zur Ruh,

Der Abschied vieler Sorgen,

Und gar in einem kurzen Nu

Erscheint ein neuer Morgen.


Mein Jesu, bleib mein klares Licht!

Entzünd' in meinem Herzen,

Wenn mir der Sonne Glanz gebricht,

Der Andacht reine Kerzen.
[71]

Beschütze meinen Leib und Geist

Durch deines Heeres Wache,

Daß, was da Feind und Teufel heißt,

Mich nicht zu Schanden mache.


Laß gegen mich nicht Schlaf und Tod

Zusammen sich verbinden;

Laß keine Krankheit, Angst und Noth

Sich um mein Lager finden.


Hilf, daß die weiche Lagerstatt

Sich nicht zu Dornen mache.

Wohl dem, der diesen Machtspruch hat:

Herr führe meine Sache!


Laß durch die Ruh sich neue Kraft

In Geist und Adern rühren

Und deines Segens Eigenschaft

Mich auch im Schlafe spüren!


Doch laß den Schlaf zu rechter Zeit

Auch, wie die Nacht, verschwinden[72]

Und mich in reiner Freudigkeit

Das neue Licht empfinden!


So will ich mich, so viel ich kann,

Der Erden stets entreißen,

Dich ehren und auch Jedermann

Zu dienen mich befleißen.


Mein Herze soll dein Weihrauch sein;

Ich will es dir verbrennen

Und ohne Heuchelei und Schein

Dich Herr, mich Diener nennen.

Quelle:
Auserlesene Gedichte von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Wernike, Friedrich Rudolf Frhr. von Canitz, Christian Weise, Johann von Besser, Heinrich Mühlpforth, Benjamin Neukirch, Johann Michael Moscherosch und Nicolaus Peucker, Leipzig 1838, S. 70-73.
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