Neunter Auftritt.

[221] Aus Nr. 3 kommen eilig Nante, Mine einen verdeckten Korb tragend.


MINE mitleidig. Nur nicht knebeln; es schläft ganz still.

NANTE. Wenn wir erst unten sind, steck' ich ihm doch ein Tuch in'n Mund, der kleine Satan könnte doch aufwecken. – Nimm die Laterne.

MINE die gestohlne Kleider, Betten etc. unterm Arm hat. Ich bin ja schon beladen.

NANTE. Wirf das Zeugs auf den Korb.[221]

MINE. Daß nur das Kind nicht erstickt!

NANTE schon im Abgehen. Pimple nicht um das Kind – Marsch – und so wie wir die Hausthür haben, pust'st Du die Lampe aus. Beide ab.

DÖRTHE wieder vorschleichend, reibt sich die Augen, als ob sie nicht klar gesehen hätte. Nein, das waren keine Gespenster – das waren Menschen – das waren Fremde – Diebe. – Ach Gott! nun bin ich allein im Hause! Gewiß haben sie gestohlen. Wüßt' ich nur, ob noch mehr da drinn sind? – Aber ich wag's, ich geh' hinein, – 's ist meine Schuldigkeit. – Sie faßt Muth und geht nach Nr. 3. Nach einem Weilchen stürzt sie zurück. Ach, Du himmlischer Vater, das Kind ist fort! Ach, das haben sie im Korbe weggetragen! Ach, das ist mein Tod! Sie bringen's um! Du arme Mutter! O, Du armer Vater! Lieber Himmel, was soll ich nun beginnen? Ich möchte hinausschreien, aber ich kann nicht, ich hab' keinen Athem, keine Kraft, die Kniee brechen mir zusammen – und die Hände, – wie zerschlagen – und das Geblüte will mir zum Halse 'raus. – O, hilf mir, hilf mir! Sie sinkt nieder. Ich will ja Alles wagen, wenn ich nur aufstehen könnte – wenn ich nur fort könnte. – Wenn ich nur meine Besinnung hätte! 's ist mir ganz duster vor den Augen, – und die Nacht! – Sie werfen's gewiß in's Wasser! – Wenn nur ein Mensch da wäre! – Wenn mich nur ein Mensch hörte! – Mit größter Anstrengung. Franz, lieber, einziger Franz, komm zu Hülfe! – Ach, der ist gewiß schon längst fort, weil's gar so lange gewährt hat, Sich mühsam aufhebend. aber ich muß nach, und wenn ich auch[222] hier auf unserm Kietz keinen Menschen nicht begegne, der mir beisteht, ich gehe nach – ich muß die Mörder einholen, – ich muß sehen, was aus unser Kind wird! – Sie hat mich zwar oft geschumpfen und gestoßen und geknufft und ungerecht behandelt, aber 's ist doch ihr Einzigstes, und Herrn Ehrenthal sein Enkel und seines Sohnes Sohn. – Ja, wenn's mein Tod wäre, ich will's retten, oder ich will selber drauf gehen, mag's nun schon werden, wie's will.


Ab. Das Theater bleibt wieder einige Secunden leer.


Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 1, Breslau 1867, S. 221-223.
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