2.
Een Boot is noch buten!

[100] »Ahoi! Klaas Nielsen und Peter Jehann!

Kiekt nach, ob wi noch nich to Mus sind!

Ji hewt doch gesehn dem Klabautermann?

Gott Lob, dat wi wedder to Hus sind!«

Die Fischer riefen's und stiessen ans Land

Und zogen die Kiele bis hoch auf den Strand,

Denn dumpf an rollten die Fluthen;

Han Jochen aber rechnete nach

Und schüttelte finster sein Haupt und sprach:

»Een Boot is noch buten!«


Und ernster keuchte die braune Schaar

Dem Dorf zu über die Dünen,

Schon grüssten von fern mit zerwehtem Haar

Die Frau'n an den Gräbern der Hünen.

Und »Korl!« hiess es und »Leiw Marie!«

»'T is doch man schön, dat ji wedder hie!«

Dumpf an rollten die Fluthen –

»Un Hinrich, min Hinrich? Wo is denn dee?!«

Und Jochen wies in die brüllende See:

»Een Boot is noch buten!«[100]


Am Ufer dräute der Möwenstein,

Drauf stand ein verrufnes Gemäuer,

Dort schleppten sie Werg und Strandholz hinein

Und gossen Oel in das Feuer.

Das leuchtete weit in die Nacht hinaus

Und sollte rufen: O komm nach Haus!

Dumpf an rollen die Fluthen –

Hier steht Dein Weib in Nacht und Wind

Und jammert laut auf und küsst Dein Kind:

»Een Boot is noch buten!«


Doch die Nacht verrann und die See ward still

Und die Sonne schien in die Flammen,

Da schluchzte die Aermste: »As Gott will!«

Und bewusstlos brach sie zusammen!

Sie trugen sie heim auf schmalem Brett,

Dort liegt sie nun fiebernd im Krankenbett

Und draussen plätschern die Fluthen;

Dort spielt ihr Kind, ihr »lütting Jehann«,

Und lallt wie träumend dann und wann:

»Een Boot is noch buten!« –[101]


Quelle:
Arno Holz: Buch der Zeit. Berlin 21892, S. 100-102.
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