Vorwort
[zum Wiederabdruck]

Den besten Aufschluß über die Entstehungsgeschichte des Papa Hamlet gab seiner Zeit das Vorwort zur ersten Auflage der Familie Selicke. Da dieses aber inzwischen, gelegentlich der dritten Auflage, durch ein neues ersetzt wurde, so ist es vielleicht nicht unerwünscht, wenn wir es jetzt, gelegentlich der dieser Sammelausgabe unserer Schriften, wieder zum Abdruck bringen.

Es lautete:

Im Januar 1889, also jetzt gerade vor einem Jahre, brachte der Verlag von Carl Reissner in Leipzig eine Papa Hamlet betitelte Novität auf den Büchermarkt, als deren Verfasser ein bis dahin noch gänzlich unbekannt gewesener Norweger Bjarne P. Holmsen angegeben war, während sein Übersetzer sich Dr. Bruno Franzius nannte. Dieses Buch war eine Mystifikation, und die Unterzeichneten waren ihre Urheber.

Was sie dazu veranlaßt hatte? Die alte, bereits so oft gehörte Klage, daß heute nur die Ausländer bei uns Anerkennung fänden und daß man namentlich, um ungestraft gewisse Wagnisse zu unternehmen, zum mindesten schon ein Franzose, ein Russe oder ein Norweger sein müsse. Als Deutscher wäre man schon von vornherein zur alten Schablone verdammt, nur jene dürften scrupellos die alten Vorurteile über Bord werfen, nur jene sogenannten »neuen Zielen« zustreben! Mit anderen Worten: Quod licet Jovi, non licet bovi!

Wir waren der Meinung, daß diese Klage nur auf einer falschen Deutung der Tatsachen beruhe. Wir glaubten, daß die bekannte, ablehnende Haltung, die unsere landläufige[11] Kritik uns Jüngeren gegenüber nun einmal einnimmt, mit unserem Deutschtum absolut nichts zu schaffen habe; daß dieses ihr vielmehr völlig gleichgültig sei, daß es ihr einzig auf unsere »Richtung« als solche ankäme! Wir waren überzeugt, daß man uns mit den üblichen Komplimenten überhäufen würde, auch wenn wir beispielsweise als Norweger zeichneten! Es unterlag uns gar keinem Zweifel, daß der Kampf heute nicht mehr zwischen Inlandstum und Auslandstum tobe, sondern nur noch – man verzeihe uns hier diese dehnbaren Worte – zwischen Idealismus und Realismus, zwischen Konvention und Naturwollen! Und in der Tat hat denn auch unser Experiment unsere Hypothese bestätigt ...

Diese Mystifikation als solche glückte glänzend. So durchaus durchsichtig sie auch gehalten war und so leicht es jetzt natürlich auch manchem geworden sein mag, nachträglich zu behaupten, er hätte sie gleich durchschaut: man glaubte an die Existenz Bjarne P. Holmsens sieben volle Monate lang und kam erst hinter seine Nichtexistenz, nachdem bereits die Verfasser selber kein Hehl mehr aus ihr machten.

Eine der ersten »Enthüllungen« brachte die erste Novembernummer des Magazins für die Litteratur des In- und Auslands in einem Kaberlin unterzeichneten Artikel.

Der Anfang desselben lautete:

»Der Verfasser des Dramas Vor Sonnenaufgang, Gerhart Hauptmann, hat auf der ersten Seite seines Buches einen gewissen Bjarne P. Holmsen freudig anerkannt. Es war dessen Novellenzyklus Papa Hamlet, erschienen bei C. Reissner in Leipzig, der, wie es in der Widmung heißt, die entscheidende Anregung gegeben hatte. Wieder einmal, so dachte ich – das Buch in die Hand nehmend,[12] ist die Befruchtung aus dem Ausland gekommen; es scheint also, daß der deutsche Realismus zur Selbständigkeit immer noch nicht reif – vielmehr noch gezwungen ist, die französische Knechtschaft mit der des Nordens zu wechseln.

Als ich jedoch die erste der drei Novellen durchgelesen hatte, erschien mir bereits die Echtheit der norwegischen Ortsfärbung sehr zweifelhaft. Denn nur zu bald bricht jenes urwüchsige, warme Element eines Humors durch die Schilderung, der nur den Germanen der Mittelzonen zu eigen ist. Und eine Nachforschung bestätigte meinen Verdacht: es stellte sich heraus, daß sich hinter dem Namen Holmsen ein jungdeutscher Dichter versteckt hält, der als Pfadfinder in dem bisher noch ziemlich dunkeln Gebiet des deutschen Realismus schon bekannt ist: Arno Holz, der Dichter des Buchs der Zeit.

Zu diesem Absatze veröffentlichte dann die übernächste Nummer desselben Blattes folgenden Brief. Wir bringen ihn hiermit abermals zum Abdruck, um auch in Zukunft etwaigen ähnlichen Deutungen unseres Zusammenarbeitens ein für allemal aus dem Wege zu gehen.


Sehr geehrter Herr!

Gestatten Sie mir zu dem in No. 45 Ihres Blattes erschienenen Aufsatze »Neurealistische Novellen. Besprochen von Kaberlin« freundlichst folgende Berichtigung:

Nachdem mich der Herr Verfasser des betreffenden Artikels – nebenbei bemerkt des weitaus eingehendsten und gediegensten, der, wenigstens in der deutschen Presse, bisher über Papa Hamlet erschienen ist – als Autor dieses Buches namhaft gemacht, setzt er in Form einer kleinen Fußnote hinzu:[13]

»Johannes Schlaf soll ebenfalls, aber nur im zweiten Grad, an der Arbeit beteiligt sein.«

Nun! Er soll es nicht nur, sondern er ist es auch! Und soweit wenigstens unsere, d.h. seine und meine Kenntnis der Sachlage reicht, ist es überdies durchaus ungerechtfertigt, einem von uns beiden, und zwar ganz gleichgültig welchem, eine Beteiligung »ersten« oder »zweiten« Grades zuzumessen. Im Gegenteil! Nicht allein, daß wir unsere Arbeit zu gleichen Hälften geleistet zu haben glauben, wir haben sie tatsächlich so geleistet!

Eine langjährige Freundschaft, verstärkt durch ein fast ebenso langes, nahestes Zusammenleben, und gewiß auch nicht in letzter Linie beeinflußt durch gewisse ähnliche Naturanlagen, hat unsere Individualitäten, wenigstens in rein künstlerischen Beziehungen, nach und nach geradezu kongruent werden lassen! Wir kennen nach dieser Richtung hin kaum eine Frage, und sei sie auch scheinbar noch so minimaler Natur, in der wir auseinandergingen. Unsere Methoden im Erfassen und Wiedergeben des Erfaßten sind mit der Zeit die vollständig gleichen geworden. Es gibt Stellen, ja ganze Seiten im Papa Hamlet, von denen wir uns absolut keine Rechenschaft mehr abzulegen vermöchten, ob die ursprüngliche Idee zu ihnen dem einen, die nachträgliche Form aber dem anderen angehört oder umgekehrt. Oft flossen uns dieselben Worte desselben Satzes gleichzeitig in die Feder, oft vollendete der eine den eben angefangenen Satz des anderen. Wir könnten so vielleicht sagen, wir hätten uns das Buch gegenseitig »erzählt«; wir haben es uns einander ausgemalt, immer deutlicher, bis es endlich auf dem Papier stand. Uns nun nachträglich sagen zu wollen, das gehört dir und das dem anderen, liegt uns ebenso fern, als es in den weitaus[14] meisten Fällen auch tatsächlich kaum mehr zu ermitteln wäre. Wir haben nicht das mindeste Interesse daran! Unsere Freude war, daß es dastand, und die Arbeit selbst gilt uns auch heute noch mehr als die Arbeiter. Ein weiteres, größeres Opus haben wir bereits wieder unter der Feder, und es wird sich ja zeigen, ob es die von uns angenommene »Einheit unserer beiden Naturen« bestätigen wird oder nicht.

Mit der Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung


Berlin, 1. November 1889.

Ihr ergebenster Arno Holz.


Das angedeutete Werk ist dieses Drama. –

Zum Schlusse noch eins! Wir haben uns nicht versagen können, aus den uns vorliegenden Kritiken über unser Buch, das übrigens – der Kuriosität wegen sei es erwähnt! – zur Zeit von Herrn Harald Hansen in Christiania ins Norwegische übersetzt wird, eine kleine Blütenlese zusammenzustellen. Möge ihre seltene Farbenpracht die Leser ähnlich erfreuen, wie sie uns erfreut hat! ...


Glaubt der Verfasser ein Realist zu sein, ... dann täuscht er sich.

C. Alberti in der »Gesellschaft«


Als Norweger ist Bjarne P. Holmsen natürlich Realist und ein radikalerer als alle seine Landsleute.

»Hamburger Nachr.«


Papa Hamlet ... une suite des scènes détachées d'un réalisme violent.

»Le Temps«


Ein Trost für das patriotische Gefühl – wenn auch ein sehr kleinlicher – ist es beinahe, daß nach diesen jämmerlichen deutschen »Werken« der vorliegende Ausländer gleichfalls nichts Rühmliches bietet.

»Bl. f. litt. Unterh.«[15]


Ein norwegischer Dichter, welcher sich bald, und mit Recht, auch bei uns in Gunst setzen wird!

»Leipz. Tagebl.«


... Ein Machwerk traurigster Sorte! C. Alberti in der »Gesellschaft«

... Ein Beleg mehr für die literarische Kraft des Nordens!

»Kieler Zeitung«


Es sind drei Sittenbilder aus dem norwegischen Leben, in welchen die Roheit des Inhalts mit der Roheit der Darstellung einen tadellosen Zusammenklang bildet.

»Die Post«


Som hos den nye Kunsts Begyndere er adskilligt uklart, og mangen en Farveklat forbliver paa hvilken som helst Afstand en Klat, men de tre Studier efterlader dog alle det tilsigte de Indtryk. (Obgleich, wie bei allen Anfängern der neuen Kunst, hin und wieder etwas unklar ist, mancher Farbenklecks auch auf jede Distanz ein Klecks bleibt, so hinterlassen doch die Studien alle den beabsichtigten Eindruck.)

Harald Hansen im »Morgenbladet« (Kopenhagen)


»Papa Hamlet« (die erste) ist ein Bild trüber gesellschaftlicher Verhältnisse, ein trübes Motiv in jenem düstren Kolorit, über welches die Norweger, die Leute aus dem Lande der Mitternachtssonne, so einzig verfügen. Die Hauptfigur dieses Bildes ist Niels Thienwiebel, der herabgekommene Schauspieler, der in seinen kleinlichen häuslichen Verhältnissen den Hamlet spielt, anfangs aus Eitelkeit und dann, um seinen Untugenden und Fehlern einen Mantel umzuhängen. Wenn es ihm gelegen kommt, greift er sogar zur Methode des Wahnsinns und läßt so lange »Nordnordwest wehen«, bis er auf kurze Zeit wieder aus der Klemme oder anderen unbehaglichen Zuständen befreit ist. Das Mitzehren bei einem Freunde, dem es ebenfalls nicht besonders geht, versteht er wie keiner. Das Bild ist überraschend einfach gehalten, aber man merkt recht, daß in dieser Einfachheit eine Kunst liegt.

»Kieler Zeitung«


(Die zweite) wird ... nicht nur diejenigen, die die stofflichen Mißgriffe der Jüngstdeutschen noch nicht überwinden können, mit der neueren Richtung im Grunde versöhnen, sondern überhaupt mit einigen Jahren alle Herzen erobern und ohne Zweifel eine Perle der humoristischen Literatur werden. Denn, von der Reuterschen Muse abgesehen, wüßte ich nichts, was nur im entferntesten mit dem »Ersten Schultag« verglichen werden könnte ...

»Magazin«[16]


Den tredje Studie »Et Drodsfald« giver to Brodres Nattevangen over en tredje Broder, som er bleven saaret i Duel og dor ud paa Formiddagen. Jeg folte under Läsningen baade den lange, kolde Nat, den gryende Morgen, hvor Livet i Byen lidt efterlidt vaagner, og den fulde Dag, da alle styrter ud og ind for at bringe den doende Hjälp. Det varudmärket, skjont jeg läste i mit Ansigts Sved! (Die dritte Studie: »Ein Tod« schildert uns die Nachtwache zweier Kameraden bei einem dritten, der im Duell gefallen ist und am Morgen stirbt. Ich fühlte während des Lesens die lange, kalte Nacht, den grauenden Morgen, wo das Leben in der Stadt allmählich erwacht, und den vollen Tag, wo alles ein- und ausstürzt, um dem Sterbenden Hilfe zu bringen. Das war ausgezeichnet, obgleich ich es las im Schweiße meines Angesichts!)

Harald Hansen im »Morgenbladet« (Kopenhagen)


Da geht uns denn doch schließlich die Galle über, sowohl an dem Ekel, den diese Verirrung erregen möchte, als an dem Ärger, den der Mißbrauch guter Mittel hervorruft!

»Frankf. Ztg.«


Es sind keine fröhlichen Bilder, die Bjarne P. Holmsen zeigt. Sie erfreuen nicht, sie ergreifen. Wir dürfen über die Wahl seines Sujets nicht mit ihm rechten, denn er allein kann wissen, was ein Gott ihm zu sagen gegeben. Wir müssen zufrieden sein, daß in unseren Tagen ein Talent erstanden ist, welches kleine Züge so sorgsam zu beachten und festzuhalten versteht wie einst Jean Paul und welches zugleich eine Phantasie besitzt, wie Theodor Amadeus Hoffmann sie besessen.

»Berl. Börsencourir«


... Novellen, welche ein junger Mann von fünfundzwanzig Jahren zusammengeschrieben hat, nachdem er eingesehen, daß die ihm von seinen Eltern vorgeschriebene Tätigkeit in einem Bankgeschäft seinem literarischen Ehrgeize nicht genügte.

»Die Post«


Der Herr Verleger hat geglaubt, den Eindruck dieser Novellen, in denen entsetzlich viel geflucht und geschimpft wird, durch höchste Eleganz der Ausstattung einigermaßen abzuschwächen. Schade um das schöne Papier und den tadellosen Druck.

»Die Post«


»Papa Hamlet«. Sous ce titre a paru récement en Norvège une nouvelle qui fait assez grand bruit. Elle a été traduite en allemand, elle va l'être en anglais, peut-être le sera-t-elle en français.

»Le Temps«


Der Einband zeigt in der äußersten Ecke das Bild des Verfassers. Nicht[17] umsonst hat sich der hübsche, junge Mann mit solcher Bescheidenheit in den Winkel gestellter wird wohl darin stehen bleiben.

»Blätter für litterar. Unterh.«


Zulk een schrijver moet gelezen worden; jammer, dat hij aan eene oogziekte lijdende is, zoodat hij slechts met groote moeite zijn sociaalroman »Fremud« persklaar kan maken. Holmsen is wel een Noor van geboorte, maar zijn scherpe blik, zijn heldere geest, zijn onverbeterlijke humor maken hem internationaal.

»De Leeswijzer«


Wo der Übersetzer den »grandiosen Humor« findet, bleibt unergründlich.

»Allgem. Kunstchronik«


Franzius läßt uns die Bekanntschaft mit einem jungen norwegischen Humoristen machen, der in der Tat eine nicht gewöhnliche Begabung besitzt und dessen Humor Franzius grandios zu nennen ein Recht hat.

»Vossische Zeitung«


Der Übersetzer ist so naiv, in seiner Einleitung einzugestehen, daß die Schöpfungen des von ihm entdeckten schriftstellerischen Genies »in ihrer norwegischen Heimat noch lange nicht nach Gebühr gewürdigt« sind, was uns mit Hochachtung vor dem literarischen Geschmack der Norweger erfüllt und uns von neuem in der Meinung bestärkt, daß auch Ibsen zu den Propheten gehört, die in ihrem Vaterlande nichts gelten.

»Die Post«


Deze nieuwe Noordsche schrijver is onlangs (19. Dec.) eerst 28 jaar geworden, een leeftijd, waarop nog niet ieder auteur buiten de grenzen van zijn vaderland bekend is geworden. Toch is den jongen auteur reeds die eer te beurt gevallen!

»De Leeswijzer«


Der Übersetzer hat sich sichtlich große Mühe gegeben, das norwegische Original deutschen Lesern mundgerecht zu machen; aber er hat, nach unserer Meinung, seine Arbeit keinem würdigen Objekt zugewandt.

»Berner Bund«


Bogen fortjener de Lovord, den dog har faaet af enkelte. Jeg kjender saa overmaade lidt tysk Literatur, at jeg slet ikke kan tale med om den, men det skulde alligevel ikke andre mig, om dette var nyt i Tyskland! (Das Buch verdient die erhaltenen Lobreden. Ich kenne die deutsche Literatur nur sehr oberflächlich und kann also nicht recht mitreden, aber es sollte mich doch wundern, wenn dies in Deutschland nicht neu wäre!)

Harald Hansen im »Morgenbladet« (Kopenhagen)[18]


Erheben sich die übrigen Erzählungen nicht über den Durchschnitt, die erste ist vortrefflich und rechtfertigt die Arbeit des Übersetzers durchaus.

»Voss. Ztg.«


Von den drei Stücken des vorliegenden Buches ist das erste, »Papa Hamlet«, fast lediglich eine Studie des Häßlichen und Unvernünftigen; dagegen hat die kleine Skizze »Der erste Schultag« und noch mehr das düstere Augenblicksbild »Ein Tod« eine eigene poetische Bedeutung. Namentlich in dem letzteren redet die Wirklichkeit unmittelbar zu dem Leser.

»Hamburger Nachrichten«


Die in dem Buche noch enthaltenen Erzählungen »Der erste Schultag« und »Ein Tod« geben der erstgenannten an Unwahrheit nichts nach.

»Allgem. Kunstchronik«


Logische und psychologische Entwicklung ist bei diesem Holmsen ein überwundener Standpunkt.

»Frankfurter Ztg.«


Wie Papa Hamlets Stolz, der geschminkt und geliehen ist, wie sein Selbstbewußtsein, welches sich mit den goldenen Fetzen seiner Lieblingsrolle ausstaffiert, sich einer immer öderen Wirklichkeit anbequemt, wie in dem wirtschaftlichen Bankbruch allmählich nackter und nackter die ganz gewöhnliche, ganz gemeine Bestie hervortritt, das ist mit einer Meisterschaft skizziert, welches an keiner Stelle verlegen ist, den charakteristischen Zug und für diesen das charakteristische Wort zu finden.

»Berl. Börsencourir«


... Im übrigen hat der Verfasser nur für den Schmutz einen klaren Blick.

»Allg. Kunstchr.«


... und als sicherste Bürgen dichterischen Berufes einen freien Humor und in glücklichen Momenten jene Prägnanz und Keuschheit der Gestaltung und Darstellung, die mit wenigen Strichen oft ein ganzes, großes Gemälde andeutet ...

»Hamb. Nachr.«


Der Übersetzer gibt sich in seiner Einleitung Mühe, seinen Autor dem Leser nahe zu bringen; er sucht die allgemeine Teilnahme für den »originellen« Norweger zu erwecken.

»Allgem. Kunstchr.«


Het behoeft ons geenszins te verwonderen, dat Dr. Franzius zieh genoopt gevoelde dit werk te vertolken, want reeds bij de eerste regels vaet het op, dat Holmsen een origineel is.

»De Leeswijzer«[19]


Der junge Autor, der uns hier vorgestellt wird, ... stellt in der krassesten Weise die Auswüchse einer Schule dar, der man schon an sich nicht ohne starke Vorbehalte und Bedenken entgegentreten kann. Er gehört ... zu jenen ... Ibseniden und Björnsterneiden, die in der Überbietung der Manieren der Meister die beste Art der Nachahmung zu suchen scheinen.

»Frankfurter Zeitung«


Forfatternes »Oversätter« hävder i Forordet, at dette ikke er Efterligneres Värk, og det foles a aadan. (Die »Dichter-Übersetzer« erwähnen im Vorwort, daß ihr Buch kein Werk der Nachahmung sei, und das fühlt man auch durch.)

Harald Hansen im »Morgenbladet« (Kopenhagen)


Il a passé deux ans en France ... et ce séjour paraît avoir exercé une certaine influence sur sa vocation littéraire. Ses procédés relèvent d'ailleurs plutôt de l'école russe contemporaine.

»Le Temps«


... Anhänger des Naturalismus, Schüler Zolas!

»Allgem. Kunstchr.«


Dem Verfasser schwebt vielleicht dasselbe Kunstziel vor, welches Hogarth mit seinen grotesken Zeichnungen sich setzte. Aber es liegt in der Verschiedenheit der Kunstmittel – bei Hogarth das Nebeneinander der Figuren, bei Holmsen das Nacheinander der Worte –, daß der Schriftsteller die Deutlichkeit des Malers nur selten zu erreichen vermag.

»Berner Bund«


... Was den impressionistisch-pessimistischen Effekt anbetrifft, so darf man dem Autor zu seinem Können gratulieren.

G.M. Conrad in der »Gesellschaft«


... ungenügende Art der Darstellung!

»Berner Bund«


... erstaunliche Lebendigkeit der Darstellung!

»Voss. Ztg.«


... rücksichtslose, aber wahre Darstellung!

»Kieler Ztg.«


Ausdrucksvoll herausgebildete Darstellung!

»Hamb. Nachr.«


Das lesen wir nicht, wir sehen es vor Augen, während das Herz zusammenkrampft, die Faust sich ballt!

»Berl. Börsencourir«


Holmsen malt mit einem dicken Borstenpinsel.

»Züricher Post«[20]


... Das sind die Geschehnisse, welche uns der Dichter erzählt. Die unvergleichliche Kleinmalerei, mit welcher er es erzählt, möge nun jeder selbst genießen.

»Leipziger Tagebl.«


Holmsen besitzt Begabung, aber noch eine weit größere müßte zugrunde gehen, wenn sie alle Kraft verschwendete, Schatten auf Schatten zu legen. Mit Schwarz allein läßt sich weder malen noch dichten. Nur der Wechsel von Licht, Halblicht und Dunkel gibt den Schein der Körperlichkeit, in Kunst und Leben.

Otto v. Leixner in der »Deutschen Romanztg.«


Ein äußerst wirksames und feines Kolorit ist dieser Darstellung eigen.

»Kieler Ztg.«


Unter solchen Händen muß auch der beste Stoff zuschanden werden; die Kunst wird geradezu entweiht und dies gar noch, ohne daß sich dafür ein ethischer oder sozialer Vorwand entdecken ließe!

»Frankf. Ztg.«


Die Dichter sind die einzigen Rächer der gemordeten Schwachheit. Auch Holmsen ist ein Rächer. Jede Mutter, die ihr Kind lieb hat, lese: »Der erste Schultag«.

»Züricher Post«


Eine pessimistische Grundansicht von allem Menschlichen zum Verrücktwerden!

G.M. Conrad in der »Gesellschaft«


Man ist verletzt durch die scheußlichen Bilder, die der Verfasser vor unsere Phantasie gebracht hat. Er behandelt die denkbar widerwärtigsten Themata mit Vorliebe.

»Berner Bund«


Was man vor hundert Jahren an Empfindsamkeit gesündigt hat, das wird hier zehnfach durch Brutalität wettgemacht; uns wird auch nicht das Äußerste von Schmutz erspart.

»Frankf. Ztg.«


Quellfrischer Humor!

»Magazin«


Scharfes Auge, milder, versöhnlicher Sinn!

»Voss. Ztg.«


Det »realistiske« i hele Bogen er saa uskyldigt, at an an ker til Lands näppe vilde have gjort Ophävelser over det. Realisme er nemlig, i alt Fald i Norge, bleve enstydig med Skildringer af kjonslige Udskejelser, og af det findes der intet i »Papa Hamlet«. Fraregnet den forste Studie er[21] Bogen ikke engang »häslig«. (Das speziell »Realistische« des ganzen Buches ist so unschuldiger Natur, daß man hierzulande kaum davon Aufhebens gemacht haben würde. Realismus ist nämlich, wenigstens in Norwegen, gleichbedeutend geworden mit der Schilderung gewisser Zweideutigkeiten, und davon findet sich nichts in »Papa Hamlet«. Abgesehen von der ersten Studie, ist das Buch nicht einmal »häßlich«!)

Harald Hansen im »Morgenbladet« (Kopenhagen)


Nichts als Schmutz, Elend, Verkommenheitkörperlich wie geistig. Ich hasse jenen schönfärbenden falschen Idealismus, welcher alles in erborgten Schimmer kleidet. Er ist eine Lüge und – der Tummelplatz der kunstfertigen Kunstspieler. Aber ebenso ist ein Todfeind echter Poesie jene sogenannte Wahrheit, welche alle Krankheiten, seien sie des Leibes oder der Seele, auf die Gestalten häuft und die Augen schließt, um nichts Lichtes sehn zu müssen. Auch das ist Lüge.

Otto v. Leixner in der »Deutschen Romanztg.«


Het is of Holmsen het leven à la Zola bestudeert heeft, maar niet diens pessimistischen bril heeft opgezet zelfs in het laatste stuck, – het boek heeft er drie – waarin hij den dood van een Student zoo aangrijpend sehetst, komt vaak de humor om den hoek gluren en gaat er en lach op, die u als een snijdend sarkasme op dit leven in de ooren klinkt.

»De Leeswijzer«


Alles erscheint verzerrt, wie in den teergefüllten Glaskugeln, die man früher in Gärten hatte, aber diese Vergröberung des Groben ist weder Porträt noch Kunstwerk, sondern einfach Versündigung an Kunst und Natur zugleich.

»Frankf. Ztg.«


»Bjarne P. Holmsen« ist also nicht nur derjenige Dichter, welcher dem Realismus neue Bahnen erschlossen, sondern er ist auch bis jetzt noch der einzige, der mit voller Sicherheit bis an die vorläufig erreichbare Grenze in Stoff und Form vorgehen kann. Als Künstler eine große Individualität, fordert er gänzliche Unterwerfung, ehe sich die Feinheiten seiner Kunst dem Genusse erschließen. Lernt der Dichter erst noch seinen Reichtum ganz beherrschen, wird er bald unter den deutschen Realisten eine einsame und noch lange verkannte Erscheinung sein. Dem wirklich eigenen Künstler bleibt das nicht erspart; Gottfried Keller ist es ja auch so ergangen.

»Magazin«


Wandelt der noch jugendliche Autor auf der aufsteigenden Bahn weiter, die durch die Reihenfolge der drei Studien des vorliegenden Buches[22] angedeutet ist, so mag er sich in nicht ferner Zeit einen ausgezeichneten Platz unter den Dichtern seines Volkes gewinnen.

»Hamburger Nachr.«


Für den Stil kann nur der Übersetzer verantwortlich gemacht werden, und letzterer scheint der Ansicht zu sein, man müsse das Abscheuliche auch abscheulich schreiben. Man wird nicht bald eine solche Fülle abgehackter Sätze und unschöner Worte in einem Werke beisammen finden. Eine wahre Distellese von Geschmacklosigkeiten.

»Allgem. Kunstchronik«


Men jeg kjender när sagt ikke det tyske Sprog igjen. Hvor er de lange Sätninger, hvor de lange Ord, hvor de släbende haben-werden-sein! Det er et helt nyt Sprog! (Ich erkenne kaum die deutsche Sprache wieder! Wo sind die langen Sätze geblieben, wo die langen Wörter, wo die schleppenden haben-werden-sein? Es ist eine gänzlich neue Sprache!)

Harald Hansen im »Morgenbladet« (Kopenhagen)


... eine sehr geschickte Übersetzung ...

»Hamburger Nachrichten«


... eine sehr gute Übersetzung ...

»Gesellsch.«


... eene goode Duitsche vertaling ...

»De Leeswijzer«


... die Übersetzung ... eine wundervoll vollendete!

»Berliner Börsencourier«


Der Übersetzer nennt Holmsen einen »Anatomen« von der Art der großen modernen Schriftsteller; das ist er aber in keiner Weise, denn sein Seziermesser ist kein Instrument, welches bloßlegt, erklärt, verdeutlicht, wie es der Realismus zu tun pflegt, sondern es schabt nur allerhand Fleischfetzen und Knöchelchen auf einen Haufen zusammen, aus denen der arme Leser dann die Glieder heraussuchen mag. Gewiß kann man dem Realismus als Prinzip von allerhand Standpunkten aus Vorwürfe machen, aber der schwerste Vorwurf wäre der der Verundeutlichung statt der Verdeutlichung – denn er will ja im Prinzip nichts als die Deutlichkeit der Dinge, sei es selbst die gemeine Deutlichkeit auf Kosten der Verklärung.

»Bl. f. litt. Unt.«


Die Technik der Darstellung ist in hohem Grade originell. Es sind fast lauter Farbenspritzer, jäh, grell, unvermittelt, die sich in der Phantasie des kunstgeübten Lesers sofort zum brennendsten Lebensgemälde zusammensetzen.[23] Nur Bilder, keine Gedanken. Diese erschreckliche Virtuosität der Wirklichkeitsnachbildung in winzigen Ausschnitten, nur am Tragisch-Banalen geübt, macht den Leser auf die Dauer ganz nervös.

G.M. Conrad in der »Gesellsch.«


... Abgesehen, sagen wir, von dem Krassen solcher Motive, ist auch die stilistische Methode, durch welche Holmsen seine Effekte zu erreichen bemüht ist, eine höchst widerliche ... Man ist oft viele Sätze hindurch ganz im unklaren über den Ort der Handlung, über Personen und ihre Verhältnisse. Die Lektüre des Buches läßt daher einen sehr unbehaglichen Eindruck zurück!

»Berner Bund«


Aber für das Beste, für eine Errungenschaft, aus der sich noch ein Kardinalgrundsatz des epischen Verismus entwickeln kann, halte ich die Art der Darstellungsweise selbst! »Holmsen« beschreibt nämlich die Dinge von innen nach außen, d.h., er konzentriert sie so in die Lebensäußerungen, daß sie sich dem Leser durch dichterische Schlüsse von selbst erzählen ... Ich werde mich wohl hüten, eine solche Darstellungsweise im Prinzip neu zu nennen, denn sie wird bereits von vielen Realisten, hie und da angewandt, aber »Holmsen« ist der erste, der sie konsequent durchgeführt, und in diesem Sinne der Einheitlichkeit ist sein Stil, den die glücklichste Wirkung rechtfertigt, mit ganzem Recht relativ neu zu nennen. Es ist wohl möglich, daß durch die dichte Folge der die Situation fortrückenden Momente hie und da die Darstellung hüpft und dadurch Unklarheiten entstehen, aber dafür reizt dieser Stil, ja zwingt die Phantasie geradezu die entstehenden Lücken durch Mitdichten auszufüllen, wodurch der Leser in die angenehmste Spannung gerät!

»Magazin«


Holmsen valt om zoo te zeggen – met de deur in het huis, en hij laat zijne personen, alsof het reeds oude bekenden waren, zelfs zoo vlug, d.i. zonder nadere aanwijzing, met elkander spreken, dat het vaak moeilijk is, hem te volgen. En toch trekt die vreemde behandeling van zijne stof aan, vooral daar zij ook komisch is.

»De Leeswijzer«


Die Natürlichkeit wird hier zur Affektion und – unabweisliche Folge – überschlägt sich in Inhalt und Form derart, daß an die Stelle des auch nur mäßigsten Kunstgenusses eine mit Ekel gemischte Betäubung tritt!

»Frankf. Ztg.«


Es würde nichts nützen, den Gang der Erzählungen hier in Hauptumrissen wiederzugeben. Das würde auch leicht genug sein, denn nicht um[24] sonderbare Verknotungen und fremdartige, unerwartete Geschicke handelt es sich, sondern um alltägliches Menschenelend, aber mit Dichteraugen geschaut und im Dichterherzen nachgefühlt.

»Leipziger Tageblatt«


Grade wir ... grade wir haben im höchsten Grade die Pflicht, uns gegen unreife Knaben zu wenden, welche den Realismus diskreditieren, indem sie seinen Namen benutzen, um ihre ganz gewöhnliche Unfähigkeit zu bemänteln, die sich hinter Grotesksprüngen à la Hanswurst versteckt. Der Realismus ist eine ernste, heilige Sache, aber keine Löwenhaut, hinter der sich Esel verstecken dürfen ... – Wir müssen auch Herrn Holmsen von unseren Rockschößen abschütteln!

C. Alberti in der »Gesellsch.«


Es hat schon mehr als einmal eine Zeit des Realismus gegeben, und immer war sie eine Übergangszeit. Sie geht der Blüte der Literatur vorauf oder sie folgt ihr, und es kann uns nicht irre machen, daß dem Realismus eine wüste Schar von Unfähigkeiten lärmend sich aufdrängt. Dieser Haufe zerstiebt verdientermaßen wie Spreu, und wenn er sich für eine Schule hält, weil er sich schülerhaft gebärdet, so wird sein Lärmen doch mit dem Tage vergessen. Aus Sturm und Drang ist Großes hervorgegangen, nicht weil Sturm und Drang groß waren, sondern weil unter den Stürmern und Drängern sich Große befanden. Auch jetzt stehen wir mitten in solchem Sturm und Drang, aber zum ersten Mal sehen wir in dem Gewimmel, das bisher nur die Laufgräben der Literaturfestung mit schlechter Makulatur füllte, ein starkes Talent, und dieses Talent hat mit diesem Gewimmel nichts gemein. Bjarne P. Holmsen wird wohl von den Realisten als einer der Ihren reklamiert, doch er weiß von ihnen so wenig wie die Nachtigall von einer Gesangsschule.

»Berl. Börsencourir«


Eine merkwürdige Künstlerindividualität, wenn auch kein Realist in unserem Sinne, ist Holmsen unter allen Umständen.

G.M. Conrad, ebenfalls in der »Gesellschaft«


Allen, die sich die Menschheit und die Poesie verekeln wollen, sei dieses Buch bestens empfohlen!

Otto v. Leixner in der »Deutschen Romanztg.«


... es gehört zu jener schlechten Gattung von literarischen Neuigkeiten, welche durch einen originellen Titel Erwartungen zu erregen suchen, welche der Inhalt nicht befriedigt!

»Die Post«[25]


... In der Tat ein seltsames Buch, welches sehr verschiedene Aufnahme finden wird ... Wann kommen Bücher wie »Papa Hamlet« dahin, wohin sie gehören: ins Volk?

»Züricher Post«


Und unsere eigene Meinung?


»Der eine betracht's,

Der andere beacht's,

Der dritte verlacht's –

Was macht's?«


Berlin, 24. Dezember 1889.

Arno Holz

Johannes Schlaf

Quelle:
Arno Holz und Johannes Schlaf: Papa Hamlet. Frankfurt a.M. 1979, S. 9-26.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Papa Hamlet
Papa Hamlet
Papa Hamlet (Dodo Press)
Papa Hamlet / Ein Tod.
Papa Hamlet.
Papa Hamlet

Buchempfehlung

Weiße, Christian Felix

Atreus und Thyest. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Atreus und Thyest. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die Brüder Atreus und Thyest töten ihren Halbbruder Chrysippos und lassen im Streit um den Thron von Mykene keine Intrige aus. Weißes Trauerspiel aus der griechischen Mythologie ist 1765 neben der Tragödie »Die Befreiung von Theben« das erste deutschsprachige Drama in fünfhebigen Jamben.

74 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon