VIII. Gesang.

[126] Den versammelten Göttern verbietet Zeus, weder Achaiern noch Troern beizustehn, und fährt zum Ida. Schlacht. Zeus wägt den Achaiern Verderben und schreckt sie mit dem Donner. Here bittet den Poseidon umsonst, den Achaiern zu helfen. Die Achaier in die Verschanzung gedrängt. Agamemnon und ein Zeichen ermuntert sie zum neuen Angriff. Teukros streckt viele mit dem Bogen nieder und wird von Hektor verwundet. Die Achaier von neuem in die Verschanzung getrieben. Here und Athene fahren vom Olympos den Achaiern zu Hilfe. Zeus befiehlt ihnen durch Iris, umzukehren. Er selbst, zum Olympos gekehrt, droht den Achaiern noch größere Niederlage. Hektor mit den siegenden Troern übernachtet vor dem Lager.


Eos im Safrangewand erleuchtete rings nun die Erde,

Als der Donnerer Zeus die Unsterblichen rief zur Versammlung

Auf den obersten Gipfel des vielgezackten Olympos.

Selbst nun begann er den Rat, und die Himmlischen horchten ihm alle:

Hört mein Wort, ihr Götter umher und ihr Göttinnen alle,

Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet.

Keine der Göttinnen nun erhebe sich, keiner der Götter,

Trachtend, wie dies mein Wort er vereitele, sondern zugleich ihr

Stimmt ihm bei, daß ich eilig Vollendung schaffe dem Werke!

Wen ich jetzt von den Göttern gesonderten Sinnes erkenne,

Daß er geht und Troer begünstiget oder Achaier,

Schmählich geschlagen fürwahr kehrt solcher mir heim zum Olympos!

Oder ich faß und schwing ihn hinab in des Tartaros Dunkel,

Ferne, wo tief sich öffnet der Abgrund unter der Erde,

Den die eiserne Pforte verschleußt und die eherne Schwelle,

So weit unter dem Ais, wie über der Erd ist der Himmel!

Dann vernimmt er, wie weit ich der mächtigste sei vor den Göttern!

Auf wohlan, ihr Götter, versucht's, daß ihr all es erkennet:

Eine goldene Kette befestigend oben am Himmel,

Hängt dann all ihr Götter euch an und ihr Göttinnen alle;

Dennoch zögt ihr nie vom Himmel herab auf den Boden

Zeus, den Ordner der Welt, wie sehr ihr rängt in der Arbeit!

Aber sobald auch mir im Ernst es gefiele zu ziehen,

Selbst mit der Erd euch zög ich empor und selbst mit dem Meere.

Und die Kette darauf um das Felsenhaupt des Olympos

Bänd ich fest, daß schwebend das Weltall hing' in der Höhe!

So weit rag ich vor Göttern an Macht, so weit vor den Menschen![127]

Jener sprach's, doch alle verstummten umher und schwiegen,

Hoch das Wort anstaunend; denn kraftvoll hatt er geredet.

Endlich erwiderte Zeus' blauäugige Tochter Athene:

Unser Vater Kronion, o du, der Gebietenden Höchster,

Wohl ja erkennen auch wir, wie an Macht unbezwinglich du waltest.

Aber es jammern uns der Danaer streitbare Völker,

Welche, das böse Geschick nunmehr vollendend, verschwinden.

Dennoch entziehn wir hinfort dem Gefecht uns, wenn du gebietest;

Rat nur wollen wir geben den Danaern, welcher gedeihe,

Daß nicht all hinschwinden vor deinem gewaltigen Zorne.

Lächelnd erwiderte drauf der Herrscher im Donnergewölk Zeus:

Fasse dich, Tritogeneia, mein Töchterchen! Nicht mit des Herzens

Meinung sprach ich das Wort, ich will dir freundlich gesinnt sein!

Jener sprach's und schirrt' in das Joch erzhufige Rosse,

Stürmenden Flugs, umwallt von goldener Mähne die Schultern;

Selbst dann hüllt' er in Gold sich den Leib und faßte die Geißel,

Schön aus Golde gewirkt, und trat in den Sessel des Wagens.

Treibend schwang er die Geißel, und rasch hinflogen die Rosse,

Zwischen der Erd einher und dem sternumleuchteten Himmel.

Schnell den Ida erreicht' er, den quelligen Nährer des Wildes.

Gargaros, wo ihm pranget ein Hain und duftender Altar.

Dort nun hielt der Vater des Menschengeschlechts und der Götter,

Löste die Rosse vom Wagen und breitete dichtes Gewölk aus.

Selber setzt' er nunmehr auf die Höhe sich, freudigen Trotzes,

Und umschaute der Troer Stadt und die Schiffe Achaias.

Jene nun nahmen das Mahl, die hauptumlockten Achaier,

Rasch in den Zelten umher und hüllten sodann ihr Geschmeid um.

So auch dort die Troer in Ilios faßten die Waffen,

Weniger zwar, doch entbrannt zum blutigen Kampf der Entscheidung

Durch hartdringende Not; denn es galt für Weiber und Kinder.

Ringsum standen geöffnet die Tor', und es stürzte das Kriegsheer,

Streiter zu Fuß und zu Wagen, hinaus mit lautem Getümmel.

Als sie nunmehr anstrebend auf einem Raum sich begegnet,

Trafen zugleich Stierhäut' und Speere zugleich und die Kräfte

Rüstiger Männer in Erz, und die hochgenabelten Schilde

Naheten dichtgedrängt, und umher stieg lautes Getös auf.

Jetzo erscholl Wehklagen und Siegsgeschrei miteinander,[128]

Würgender dort und Erwürgter, und Blut umströmte die Erde.

Weil noch Morgen es war und der heilige Tag emporstieg,

Hafteten jegliches Heeres Geschoss', und es sanken die Völker.

Aber nachdem die Sonne den Mittagshimmel erstiegen,

Jetzo streckte der Vater empor die goldene Waage,

Legt' in die Schalen hinein zwei finstere Todeslose,

Trojas reisigem Volk und den erzumschirmten Achaiern,

Faßte die Mitt und wog. Da lastete schnell der Achaier

Schicksalstag, daß die Schale zur nahrungsprossenden Erde

Niedersank und der Troer zum weiten Himmel emporstieg.

Laut vom Ida herab nun donnert' er, und sein entbrannter

Strahl durchzuckte das Heer der Danaer; jen' ihn erblickend,

Starreten auf, und alle durchschauerte bleiches Entsetzen.

Nicht Idomeneus selber verweilt' itzt, nicht Agamemnon,

Nicht die Ajas wagten zu stehn, die Genossen des Ares.

Nestor allein noch stand, der gerenische Hort der Achaier,

Ungern, weil ihm verletzt war ein Roß. Das traf mit dem Pfeile

Alexandros der Held, der lockigen Helena Gatte,

Grad in die Scheitel des Haupts, wo zuerst die Mähne der Rosse

Vorn dem Schädel entwächst und am tödlichsten ist die Verwundung.

Angstvoll bäumt' es empor, weil tief der Pfeil ins Gehirn drang,

Und verwirrte die Ross', um das Erz in der Wunde sich wälzend.

Während der Greis die Stränge dem Nebenroß mit dem Schwerte

Abzuhaun sich erhub, kam Hektors schnelles Gespann ihm

Durch die Verfolgung daher, mit dem unerschrockenen Lenker

Hektor! Dort nun hätte der Greis sein Leben verloren,

Wenn nicht schnell ihn bemerkt der Rufer im Streit Diomedes.

Furchtbar jetzt ausrufend, ermahnt' er so den Odysseus:

Edler Laertiad, erfindungsreicher Odysseus,

Wohin fliehst du, den Rücken gewandt, wie ein Feiger im Schwarme?

Daß nur keiner den Speer dir Fliehendem heft in die Schulter!

Bleib doch und hilf vom Greise den schrecklichen Mann mir entfernen!

Jener sprach's, nicht hörte der herrliche Dulder Odysseus,

Sondern er stürmte vorbei zu den räumigen Schiffen Achaias.

Doch der Tydeid, auch selber allein, drang kühn in den Vorkampf,

Stellte sich nun vor die Rosse des neleiadischen Greises,

Und er begann zu jenem und sprach die geflügelten Worte:[129]

Wahrlich, o Greis, sehr hart umdrängen dich jüngere Männer!

Deine Kraft ist gelöst, und mühsames Alter beschwert dich;

Auch ist schwach dein Wagengefährt und ermüdet die Rosse.

Auf denn, zu meinem Geschirr erhebe dich, daß du erkennest,

Wie doch troische Rosse gewandt sind, durch die Gefilde

Dort zu sprengen und dort, in Verfolgungen und in Entfliehung,

Die ich jüngst von Äneias errang, dem Schreckengebieter.

Jene laß den Gefährten zur Obhut; wir mit den meinen

Wollen den reisigen Troern entgegengehn, daß auch Hektor

Lern, ob mir selber vielleicht auch wüte der Speer in den Händen!

Sprach's; und ihm folgete gern der gerenische reisige Nestor.

Jetzt die nestorischen Rosse besorgeten beide Gefährten,

Sthenelos, tapferen Muts, und Eurymedon, glühend vor Ehrfurcht.

Jene dann traten zugleich in das rasche Geschirr Diomedes'.

Nestor faßt' in die Hände die purpurschimmernden Zügel,

Schwang dann die Geißel zum Lauf, und bald erreichten sie Hektor.

Ihm, wie er grad andrang, entsandte den Speer Diomedes;

Und er verfehlt' ihn zwar, doch dem wagenlenkenden Diener,

Jenem Eniopeus, dem Sohn des erhabnen Thebäos,

Als er hielt das Gezäum, durchschoß er die Brust an der Warze;

Und er entsank dem Geschirr, und zurück ihm zuckten die Rosse

Fliegenden Laufs; ihm aber erlosch der Geist und die Stärke.

Hektors Seele durchdrang der bittere Schmerz um den Lenker;

Dennoch ließ er ihn dort, wie sehr er traurte des Freundes,

Liegen und forscht', ob irgendein mutiger Lenker erschiene.

Und nicht lang ihm entbehrten die Rosse der Hut; denn er fand nun

Iphitos' mutigen Sohn Archeptolemos; eilend ihn hieß er

Steigen ins rasche Geschirr und reicht' in die Hand ihm die Zügel,

Jetzt wär entschieden der Kampf und unheilbare Taten vollendet

Und sie zusammengescheucht in Ilios, gleich wie die Lämmer,

Schauete nicht der Vater des Menschengeschlechts und der Götter.

Furchtbar erscholl sein Donner daher, und der leuchtende Strahl schlug

Schmetternd hinab in den Grund vor dem raschen Gespann Diomedes';

Schrecklich lodert' empor die schweflichte Flamme des Himmels,

Und wild bebten in Angst die Rosse zurück vor dem Wagen.

Nestors Hand entsanken die purpurschimmernden Zügel,

Und er erschrak im Herzen und sprach zum Held Diomedes:[130]

Tydeus' Sohn, auf, wende zur Flucht die stampfenden Rosse!

Oder erkennest du nicht, daß Zeus nicht Sieg dir gewähret?

Jetzo zwar wird jener von Zeus Kronion verherrlicht,

Heut, doch künftig werden wir selbst auch, wenn's ihm gelüstet,

Wieder geehrt! Darf keiner doch Zeus' Ratschlüsse verhindern,

Nicht der Gewaltigste selbst; denn er ist mächtig vor allen!

Ihm antwortete drauf der Rufer im Streit Diomedes:

Wahrlich, o Greis, du hast wohlziemende Worte geredet;

Aber ein heftiger Schmerz durchdringt mir die Tiefe des Herzens!

Hektor sagt nun hinfort in des troischen Volkes Versammlung:

Tydeus' Sohn ist vor mir hinabgeflohn zu den Schiffen!

Also trotzt er hinfort; dann reiße sich weit mir die Erd auf!

Ihm antwortete drauf der gerenische reisige Nestor:

Wehe mir, Tydeus' Sohn, des Feurigen, welcherlei Rede!

Denn wofern dich Hektor auch feig einst nennet und kraftlos,

Niemals glauben ihm doch die Troer und Dardanionen,

Oder die Fraun der Troer, der schildgewappneten Streiter,

Welchen umher in den Staub die blühenden Männer du strecktest.

Jener sprach's und wandte zur Flucht die stampfenden Rosse

Durch die Verfolgung zurück; nach stürmeten Troer und Hektor

Mit graunvollem Geschrei und schütteten herbe Geschosse.

Aber es rief lauttönend der helmumflatterte Hektor:

Tydeus' Sohn, dich ehrten die reisigen Helden Achaias

Hoch an Sitz und an Fleisch und vollgegossenen Bechern.

Künftig verachten sie dich; wie ein Weib erscheinest du jetzo!

Fort, du zagendes Mädchen! Denn nie, mich selber vertreibend,

Steigst du die Mauern hinan von Ilios oder entführest

Uns die Weiber im Schiff; zuvor dir send ich den Dämon!

Jener sprach's; da erwog mit wankendem Sinn Diomedes,

Ob er die Ross' umlenkt' und kühn entgegen ihm kämpfte.

Dreimal sann er umher in des Herzens Geist und Empfindung,

Dreimal erscholl vom Ida das Donnergetön des Kronion,

Trojas Volk ankündend der Schlacht abwechselnden Siegsruhm.

Hektor anjetzt ermahnte mit lautem Rufe die Troer:

Troer, und Lykier ihr, und Dardaner, Kämpfer der Nähe,

Seid nun Männer, o Freund', und gedenkt des stürmenden Mutes!

Denn ich erkenne, wie mir voll Huld zuwinkte Kronion[131]

Sieg und erhabenen Ruhm, doch Schmach den Achaiern und Unheil.

Törichte, welche nunmehr zum Schutz sich erfanden die Mauer,

Schwach und verachtenswert, die nichts vor meiner Gewalt ist;

Denn mir springen die Rosse mit Leichtigkeit über den Graben!

Aber sobald ich dort den gebogenen Schiffen genahet,

Dann gedenke man wohl für brennendes Feuer zu sorgen,

Daß ich die Schiff' anzünde mit Glut und sie selber ermorde,

Argos' Söhn' um die Schiffe, betäubt im Dampfe des Brandes!

Jener sprach's, und die Ross' ermahnet' er, laut ausrufend:

Xanthos, und du Podargos, und mutiger Lampos und Äthon,

Jetzt die reichliche Pflege vergeltet mir, welche mit Sorgfalt

Euch Andromache gab, des hohen Eetions Tochter,

Da sie zuerst vor euch den lieblichen Weizen geschüttet,

Auch des Weines gemischt, nach Herzenswunsche zu trinken,

Eher denn mir, der doch ihr blühender Gatte sich rühmet!

Auf denn mit großer Gewalt, und verfolget sie, daß wir erobern

Nestors strahlenden Schild, des Ruhm nun reichet zum Himmel:

Golden sei die Wölbung umher und die Stangen des Schildes.

Auch herab von der Schulter dem reisigen Held Diomedes

Jenen künstlichen Harnisch, den selbst Hephästos geschmiedet!

Würd uns solches ein Raub, dann hofft ich wohl, die Achaier

Möchten die Nacht noch steigen in leichthinsegelnde Schiffe!

Also jauchzet' er laut; da zürnt' ihm die Herrscherin Here,

Wandte sich heftig im Thron und erschütterte weit den Olympos.

Drauf zu Poseidaon, dem mächtigen Gotte, begann sie:

Wehe mir, Erderschüttrer, Gewaltiger, wenden auch dir nicht

Argos' sinkende Scharen das Herz im Busen zu Mitleid?

Bringen sie doch gen Ägä und Helike dir der Geschenke

Viel und erfreuende stets! O gönne du ihnen den Sieg nun!

Denn wenn wir nur wollten, der Danaer sämtliche Helfer,

Trojas Volk wegdrängen und Zeus dem Donnerer steuern,

Traun, bald säß er daselbst sich einsam härmend auf Ida!

Unmutsvoll nun begann, der Erderschüttrer Poseidon:

Welch ein Wort, o Here, Verwegene, hast du geredet!

Nimmermehr verlang ich mit Zeus Kronion zu kämpfen,

Ich und die anderen hier; denn er ist mächtig vor allen!

Also redeten jen' im Wechselgespräch miteinander.[132]

Dort, so weit von den Schiffen zum Wall und Graben sich hinstreckt,

Voll war's rings von Rossen und schildgewappneten Männern,

Dichtgedrängt; denn es drängte, dem stürmenden Ares vergleichbar,

Hektor, Priamos' Sohn, nachdem Zeus Ruhm ihm gewährte.

Und nun hätt er verbrannt in lodernder Flamme die Schiffe,

Legete nicht Agamemnon ins Herz die erhabene Here,

Ihm, der auch selbst umeilte, die Danaer schnell zu ermuntern.

Schleunig ging er hinab der Danaer Schiff' und Gezelte,

Haltend in nervichter Hand den großen purpurnen Mantel.

Und er betrat des Odysseus' gewaltiges dunkeles Meerschiff,

Welches die Mitt einnahm, daß beiderseits sie vernähmen.

Dort zu Ajas' Gezelten hinab, des Telamoniden,

Dort zu des Peleionen, die beid an den Enden ihr Schiffheer

Aufgestellt, hochtrotzend auf Mut und Stärke der Hände.

Laut erscholl sein durchdringender Ruf in das Heer der Achaier:

Schande doch, Argos' Volk, ihr Verworfenen, trefflich an Bildung!

Wo ist jetzo der Ruhm, da wir uns Tapfere priesen,

Was ihr vordem in Lemnos mit nichtiger Rede geprahlet,

Schmausend das viele Fleisch der hochgehörneten Rinder

Und ausleerend die Krüge, zum Rand mit Weine gefüllet?

Gegen hundert der Troer, ja selbst zweihundert vermaß sich

Jeder im Kampfe zu stehn! Nicht einem auch gelten wir jetzo,

Hektor, der bald die Schiffe verbrennt in loderndem Feuer!

Hast du, o Vater Zeus, je einen gewaltigen König

So beladen mit Fluch und des herrlichen Ruhms ihn beraubet?

Weißt du doch, wie ich nie vor deinem prangenden Altar

Im vielrudrigen Schiff hinsteuerte, als ich hieherkam;

Nein, auf allen verbrannt ich der Stiere Fett und die Schenkel,

Wünschend hinwegzutilgen die festummauerte Troja.

Aber, o Zeus, gewähre mir doch nur dieses Verlangen:

Laß uns wenigstens selber errettet sein und entfliehen

Und nicht so hinsinken vor Trojas Macht die Achaier!

Jener sprach's, da jammerte Zeus des weinenden Königs,

Und er winkt' ihm Errettung der Danaer, nicht ihr Verderben.

Schnell den Adler entsandt er, die edelste Vorbedeutung;

Dieser trug in den Klauen ein Kind der flüchtigen Hindin,

Und vor Zeus' Altar, den prangenden, warf er das Hirschkalb,[133]

Wo dem enthüllenden Zeus die Danaer pflegten zu opfern.

Jene, sobald sie gesehn, wie von Zeus herschwebte der Vogel,

Drangen gestärkt in der Troer Gewühl und entbrannten vor Streitlust.

Keiner rühmte sich nun, so viel auch Danaer waren,

Daß vor Tydeus' Sohn er gelenkt die hurtigen Rosse,

Vorgesprengt aus dem Graben, und kühn entgegen gekämpfet;

Sondern zuerst den Troern ermordet' er einen der Kämpfer,

Phradmons Sohn Agelaos; zur Flucht dort wandt' er die Rosse.

Doch dem Gewendeten stieß der Tydeide den Speer in den Rücken

Zwischen der Schulterbucht, daß vorn aus dem Busen er vordrang;

Und er entsank dem Geschirr, und es rasselten um ihn die Waffen.

Hinter ihm Atreus' Söhn' Agamemnon und Menelaos,

Drauf die Ajas zugleich, mit trotzigem Mute gerüstet,

Dann Idomeneus selbst und Idomeneus' Kriegesgenoß auch,

Held Meriones, gleich dem männermordenden Ares,

Auch Eurypylos dann, der glänzende Sohn des Euämon;

Teukros auch kam der neunte, gespannt den schnellenden Bogen,

Hinter des Ajas' Schilde gestellt, des Telamoniden.

Oft daß Ajas den Schild ihm hinweghob, aber der Held dort

Schaut' umher, und sobald sein Todesgeschoß im Getümmel

Traf, dann taumelte jener dahin, sein Leben verhauchend;

Doch er eilte zurück, wie ein Kind an die Mutter sich schmieget,

Nah an Ajas gedrängt, der mit strahlendem Schild ihn bedeckte.

Wen nun traf von den Troern zuerst der untadlige Teukros?

Erst den Orsilochos traf er und Ormenos, auch Ophelestes,

Dätor und Chromios auch und den göttlichen Held Lykophontes,

Auch Polyämons Sohn Hamopaon, auch Melanippos:

All aneinander gestürzt zur nahrungsprossenden Erde.

Ihn nun sah mit Freude der Völkerfürst Agamemnon,

Wie er mit starkem Geschoß die troischen Reihen vertilgte.

Nahe trat er hinan und sprach zu jenem die Worte:

Teukros, edelster Freund, Telamonier, Völkergebieter,

Triff so fort und werde der Danaer Licht und des Vaters

Telamon auch, der in Liebe dich nährete, als du ein Kind warst,

Und, der Dienerin Sohn, dich pflegt' in seinem Palaste;

Ihn, den Entferneten nun, erhebe zu glänzendem Ruhme!

Denn ich verkündige dir, und das wird wahrlich vollendet:[134]

Wenn mir solches gewährt der Donnerer Zeus und Athene,

Ilios auszutilgen, die Stadt voll prangender Häuser,

Werd ich zuerst nach mir die geehrteste Gabe dir reichen,

Ob es ein Dreifuß sei, ob ein rasches Gespann mit dem Wagen

Oder ein blühendes Weib, das dir dein Lager besteige.

Jener sprach's, ihm erwiderte schnell der untadlige Teukros:

Atreus' Sohn, Ruhmvoller, warum, da ich selber ja strebe,

Treibst du mich an? Nichts wahrlich, so viel die Kraft mir gewähret,

Zauder ich, sondern seitdem gen Ilios jene wir drängen,

Hab ich feindliche Männer mit zielendem Bogen getötet.

Acht schon hab ich versandt der langgespitzten Geschosse,

Und sie hafteten all in streitbarer Jünglinge Leibern.

Jenen nur nicht vermag ich, den wütenden Hund, zu erreichen!

Sprach's und sandt ein andres Geschoß von der Senne des Bogens,

Grad auf Hektor dahin, mit herzlichem Wunsch, ihn zu treffen.

Und er verfehlt' ihn zwar, doch den edlen Gorgythion traf er,

Priamos' tapferen Sohn, ihm die Brust mit dem Pfeile durchbohrend,

Welchen ein Nebenweib, aus Äsyme gewählt, ihm geboren,

Kastianeira die Schön, an Gestalt den Göttinnen ähnlich.

So wie der Mohn zur Seite das Haupt neigt, welcher im Garten

Steht, von Wuchs belastet und Regenschauern des Frühlings,

Also neigt' er zur Seite das Haupt, vom Helme beschweret.

Teukros sandt ein andres Geschoß von der Senne des Bogens

Grad auf Hektor dahin, mit herzlichem Wunsch, ihn zu treffen.

Aber auch jetzt verfehlt' er; denn seitwärts wandt es Apollon.

Archeptolemos nur, dem mutigen Lenker des Hektor,

Als er sprengt' in die Schlacht, durchschoß er die Brust an der Warze:

Und er entsank dem Geschirr, und zurück ihm zuckten die Rosse

Fliegenden Laufs; ihm aber erlosch der Geist und die Stärke.

Hektors Seele durchdrang der bittere Schmerz um den Lenker,

Dennoch ließ er ihn dort, wie sehr er traurte des Freundes.

Schnell nun hieß er den Bruder Kebriones, der ihm genaht war,

Nehmen der Rosse Gezäum, und nicht unwillig gehorcht' er.

Aber er selbst entschwang sich dem glänzenden Sessel des Wagens

Mit graunvollem Geschrei und faßt' in der Rechte den Feldstein,

Drang dann grad auf Teukros, in heißer Begier ihn zu treffen.

Jener hatt aus dem Köcher ein herbes Geschoß sich gewählet[135]

Und auf die Senne gefügt, da traf der gewaltige Hektor,

Als er die Senn anzog, ihn am Schlüsselbein auf die Achsel,

Zwischen Hals und Brust, wo am tödlichsten ist die Verwundung.

Dort den Strebenden traf er mit zackigem Stein des Gefildes

Und zerriß ihm die Senn; es erstarrte die Hand an dem Knöchel,

Und er entsank hinkniend; es glitt aus der Hand ihm der Bogen.

Doch nicht Ajas vergaß des hingesunkenen Bruders,

Sondern umging ihn in Eile, mit großem Schild ihn bedeckend.

Schnell dann bückten sich her zween auserwählte Genossen,

Echios' Sohn Mekisteus zugleich und der edle Alastor,

Die zu den räumigen Schiffen den Schweraufstöhnenden trugen.

Wieder erhob die Troer mit Mut der olympische König.

Grade zurück an den Graben verdrängten sie nun die Achaier;

Hektor drang mit den ersten voran, wutfunkelnden Blickes.

So wie ein Hund den Eber des Bergwalds oder den Löwen

Kühn mit dem Rachen erhascht, den hurtigen Füßen vertrauend,

Hinten an Hüft und Lend, und stets des Gewendeten achtet:

Also verfolgt' itzt Hektor die hauptumlockten Achaier,

Immerdar hinstreckend den äußersten; und sie entflohen.

Aber nachdem sie die Pfähle hindurch und den Graben geeilet,

Fliehend, und manchen gestürzt die mordenden Hände der Troer,

Jetzo hemmeten jene sich dort bei den Schiffen beharrend

Und ermahnten einander, und rings mit erhobenen Händen

Betete laut ein jeder zu allen unsterblichen Göttern.

Hektor tummelt' umher das Gespann schönmähniger Rosse,

Graß wie Gorgo an Blick und der männermordende Ares.

Jene nun sah erbarmend die lilienarmige Here,

Wandte sich schnell zur Athen' und sprach die geflügelten Worte:

Weh mir, o Tochter Zeus' des Donnerers, wollen wir noch nicht

Retten das sterbende Volk der Danaer, auch nur zuletzt noch,

Welche, das böse Geschick nunmehr vollendend, verschwinden

Unter des einen Gewalt? Da wütet er ganz unerträglich,

Hektor, Priamos' Sohn, und viel schon tat er des Frevels!

Drauf antwortete Zeus' blauäugige Tochter Athene:

Wohl schon hätte mir dieser den Mut und die Seele verloren,

Unter der Hand der Argeier vertilgt im heimischen Lande;

Aber es tobt mein Vater mit übelwollendem Herzen,[136]

Grausam und stets unbillig und jeden Entschluß mir vereitelnd.

Nicht gedenkt er mir dessen, wie oft vordem ich den Sohn ihm

Rettete, wann er gequält von Eurystheus' Kämpfen sich härmte.

Auf zum Himmel weinte der Duldende; aber es sandt ihm

Mich zur Helferin schnell von des Himmels Höhe Kronion.

Hätt ich doch solches gewußt im forschenden Rate des Herzens,

Als er hinab in Ais' verriegelte Burg ihn gesendet,

Daß er dem Dunkel entführte den Hund des graulichen Gottes!

Niemals wär er entronnen dem stygischen Strom des Entsetzens!

Nun bin ich ihm verhaßt; doch den Rat der Thetis vollführt er,

Welche die Knie ihm geherzt und die Hand zum Kinn ihm erhoben,

Flehend, daß Ruhm er gewähre dem Städteverwüster Achilleus.

Aber er nennt mich einmal blauäugiges Töchterchen wieder!

Auf, und schirr uns sofort das Gespann starkhufiger Rosse,

Weil ich selbst, in den Saal des ägiserschütternden Vaters

Gehend, zum Kampf anlege die Rüstungen, daß ich erkenne,

Ob uns Priamos' Sohn, der helmumflatterte Hektor,

Freuen sich wird, wenn ich plötzlich erschein in den Pfaden des Treffens.

Traun, wohl mancher der Troer wird sättigen Hund' und Gevögel

Seines Fettes und Fleisches, gestreckt bei den Schiffen Achaias!

Sprach's, und willig gehorcht' ihr die lilienarmige Here.

Jene nun eilt' anschirrend die goldgezügelten Rosse,

Here, die heilige Göttin, erzeugt vom gewaltigen Kronos.

Aber Pallas Athene, des Ägiserschütterers Tochter,

Ließ hinsinken das feine Gewand im Palaste des Vaters,

Buntgewirkt, das sie selber mit künstlicher Hand sich bereitet.

Drauf in den Panzer gehüllt des schwarzumwölkten Kronions,

Nahm sie das Waffengeschmeide zur tränenbringenden Feldschlacht.

Jetzt in den flammenden Wagen erhub sie sich, nahm dann die Lanze,

Schwer und groß und gediegen, womit sie die Scharen der Helden

Bändiget, welchen sie zürnt, die Tochter des schrecklichen Vaters.

Here beflügelte nun mit geschwungener Geißel die Rosse,

Und aufkrachte von selbst des Himmels Tor, das die Horen

Hüteten, welchen der Himmel vertraut ward und der Olympos,

Daß sie die hüllende Wolk itzt öffneten, jetzo verschlössen.

Dort nun lenkten sie durch die leichtgesporneten Rosse.

Aber da Zeus vom Ida sie schauete, heftig ergrimmt' er;[137]

Drauf als Botin entsandt er die goldgeflügelte Iris:

Eile mir, hurtige Iris, und wende sie, ehe daher sie

Kommen; denn unsanft möchten im Kampf wir einan der begegnen!

Denn ich verkündige dir, und das wird wahrlich vollendet:

Lähmen werd ich jenen die hurtigen Ross' an dem Wagen,

Stürzen sie selbst vom Sessel herab und den Wagen zerschmettern!

Nicht auch einmal in zehn umrollender Jahre Vollendung

Würden die Wunden geheilt, womit mein Strahl sie gezeichnet,

Daß mir erkenn Athene den schrecklichen Kampf mit dem Vater!

Minder erregt mir Here des Unmuts oder des Zornes;

Stets ja war sie gewohnt, daß sie einbrach, was ich beschlossen!

Jener sprach's; doch Iris, die windschnell eilende Botin,

Flog von Idas Gebirg einher zum großen Olympos.

Jetzt am vordersten Tor des vielgebognen Olympos

Hielt sie die Kommenden an und sprach die Worte Kronions:

Sagt mir, wohin so eifrig? Was wütet das Herz euch im Busen?

Nicht verstattet euch Zeus, der Danaer Volke zu helfen.

Denn so droht' euch jetzo der Donnerer, wo er's vollendet:

Lähmen werd er euch beiden die hurtigen Ross' an dem Wagen,

Stürzen euch selbst vom Sessel herab und den Wagen zerschmettern.

Nicht auch einmal in zehn umrollender Jahre Vollendung

Würden die Wunden geheilt, womit sein Strahl euch gezeichnet,

Daß du erkennst, Athene, den schrecklichen Kampf mit dem Vater.

Minder erregt ihm Here des Unmuts oder des Zornes;

Stets ja war sie gewohnt, daß sie einbrach, was er beschlossen.

Aber Entsetzliche du, Schamloseste, wenn du in Wahrheit

Wagst, zum Kampfe mit Zeus den gewaltigen Speer zu erheben!

Also sprach und entflog die leichthinschwebende Iris.

Aber Here begann und sprach zu Pallas Athene:

Weh mir, o Tochter Zeus' des Donnerers! Länger fürwahr nicht

Duld ich es, daß wir Zeus um sterbliche Menschen bekämpfen!

Mag ein anderer sinken in Staub und ein anderer leben,

Welchen es trifft! Doch jener, nach eigenem Rate beschließend,

Richte den Streit der Troer und Danaer, wie es ihm ansteht!

Sprach's und lenkte zurück das Gespann starkhufiger Rosse.

Dort nun lösten die Hören die schöngemähneten Rosse;

Diese banden sie fest, zu ambrosischen Krippen geführet,[138]

Stellten darauf den Wagen empor an schimmernde Wände.

Jene selbst dann setzten auf goldene Sessel sich nieder,

Unter die anderen Götter, ihr Herz voll großer Betrübnis.

Aber Zeus vom Ida im schöngeräderten Wagen

Trieb zum Olympos die Ross' und kam zu der Götter Versammlung.

Dort nun löst' ihm die Rosse der Erderschüttrer Poseidon,

Hub aufs Gestell den Wagen empor und umhüllt' ihn mit Leinwand.

Er, dem goldenen Throne genaht, der Ordner der Welt, Zeus,

Setzte sich; unter dem Gang erbebten die Höhn des Olympos.

Jene, getrennt von Zeus und allein, Athenäa und Here

Saßen und wageten nichts zu verkündigen oder zu fragen.

Aber er selbst vernahm es in seinem Geist und begann so:

Warum seid ihr also betrübt, Athenäe und Here?

Doch nicht lange bemüht' euch die männerehrende Feldschlacht,

Trojas Volk zu verderben, das heftigen Groll euch erregt hat!

Alle, so weit ich rag an Gewalt und unnahbaren Händen,

Möchten mich nicht abwehren, die Götter gesamt im Olympos!

Doch euch bebten ja eher vor Angst die reizenden Glieder,

Eh ihr den Krieg noch gesehn und die schrecklichen Taten des Krieges.

Denn ich verkündige nun, und wahrlich wär es vollendet:

Nimmer in eurem Geschirre, vom Schlag der Donner verwundet,

Wärt ihr gekehrt zum Olympos, dem Sitz der unsterblichen Götter!

Jener sprach's, da murrten geheim Athenäa und Here.

Nahe sich saßen sie dort, nur Unheil sinnend den Troern.

Jene nunmehr blieb schweigend und redete nichts, Athenäa,

Eifernd dem Vater Zeus, und ihr tobte das Herz in Erbittrung.

Here nur konnte den Zorn nicht bändigen, sondern begann so:

Welch ein Wort, Kronion, du Schrecklicher, hast du geredet!

Wohl ja erkennen auch wir, wie an Macht unbezwinglich du waltest,

Aber es jammern uns der Danaer streitbare Völker,

Welche, das böse Geschick nunmehr vollendend, verschwinden.

Dennoch entziehn wir hinfort dem Gefecht uns, wenn du gebietest;

Rat nur wollen wir geben den Danaern, welcher gedeihe,

Daß nicht all hinschwinden vor deinem gewaltigen Zorne.

Ihr antwortete drauf der Herrscher im Donnergewölk Zeus:

Morgen gewiß noch mehr, du hoheitblickende Here,

Wirst du schaun, so du willst, den überstarken Kronion[139]

Tilgen ein großes Heer von Achaias Lanzengeübten.

Denn nicht ruhn soll eher vom Streit der gewaltige Hektor,

Eh sich erhebt bei den Schiffen der mutige Renner Achilleus,

Jenes Tags, wann dort sie zusammengedrängt um die Steuer

Kämpfen in schrecklicher Eng um den hingesunknen Patroklos.

Also sprach das Verhängnis! Doch dein, der Zürnenden, acht ich

Nichts, und ob du im Zorn an die äußersten Enden entflöhest

Alles Lands und des Meers, wo Japetos drunten und Kronos

Sitzen, von Helios nie, dem leuchtenden Sohn Hyperions,

Noch von Winden erfreut; denn tief ist der Tartaros ringsum!

Nicht, ob auch dort hinschweifend du wandertest, nicht auch ein

Acht ich der Tobenden doch, weil nichts schamloser denn du ist!

Sprach's; ihm erwiderte nichts die lilienarmige Here.

Doch zum Okeanos sank des Helios leuchtende Fackel,

Ziehend die dunkele Nacht auf die nahrungsprossende Erde.

Ungern sahn die Troer das tauchende Licht; doch erfreulich

Kam und herzlich erwünscht die finstere Nacht den Achaiern.

Jetzo berief die Troer zum Rat der strahlende Hektor,

Abgewandt von den Schiffen zum wirbelnden Strome sie führend,

Wo noch rein das Gefild aus umliegenden Leichen hervorschien.

Alle, den Wagen entstiegen zur Erd hin, hörten die Rede,

Welche nun Hektor begann, der Göttliche; und in der Rechten

Trug er den Speer, elf Ellen an Läng, und vorn an dem Schafte

Blinkte die eherne Schärf, umlegt mit goldenem Ringe;

Hierauf lehnte sich jener und sprach die geflügelten Worte:

Hört mein Wort, ihr Troer, ihr Dardaner und ihr Genossen!

Jetzo hofft ich, verderbend die Schiff' und alle Achaier,

Siegreich heimzukehren zu Ilios' luftigen Höhen;

Doch uns ereilte die Nacht, die jetzt am meisten gerettet

Argos' Volk und die Schiff' am wogenden Strande des Meeres.

Aber wohlan, jetzt wollen der finsteren Nacht wir gehorchen

Und das Mahl uns bereiten. Die schöngemähneten Rosse

Löst aus dem Joch der Geschirr' und reicht vorschüttend das Futter.

Doch aus der Stadt führt Rinder zum Schmaus und gemästete Schafe

Eilend daher, auch Wein, den herzerfreuenden, bringt uns

Reichlich und Brot aus den Häusern und Holz auch leset in Menge,

Daß wir die ganze Nacht bis zum dämmernden Schimmer der Eos[140]

Feuer brennen durchs Heer und der Glanz den Himmel erreiche;

Daß nicht gar im Finstern die hauptumlockten Achaier

Uns zu entfliehn versuchen auf weitem Rücken des Meeres,

Wenigstens nicht in Muße die Schiff' und ruhig besteigen;

Nein, daß mancher von jenen daheim die Wunde des Pfeiles

Oder des scharfen Speers sich lindere, welche den Flüchtling,

Springend ins Schiff, noch ereilte, damit auch andre sich scheuen,

Gegen die reisigen Troer das Weh des Krieges zu tragen.

Aber ruft durch die Stadt, ihr Herolde, Freunde Kronions,

Daß die blühenden Knaben und silberhaarigen Greise

Rings um die Stadt sich lagern, auf gottgebaueten Türmen.

Aber die zarten Fraun, umher in den Wohnungen jede,

Brennen ein mächtiges Feuer, und wachsame Hut sei beständig,

Daß nicht schlau einbreche der Feind, da die Krieger entfernt sind.

Also sei's, wie ich red, ihr edelmütigen Troer,

Und gesagt ist das Wort, das jetzt ich heilsam geachtet.

Morgen werd ich das andre den reisigen Troern verkünden.

Flehend wünsch ich und hoffe zu Zeus und den anderen Göttern,

Endlich hinwegzutreiben die wütenden Hunde des Schicksals,

Welche das Schicksal gebracht auf dunkelen Schiffen des Meeres.

Auf, und laßt uns die Nacht das Heer sorgfältig bewachen;

Aber früh am Morgen, mit ehernen Waffen gerüstet,

Gegen die räumigen Schiff' erheben wir stürmenden Angriff.

Dann will ich sehn, ob Tydeus' gewaltiger Sohn Diomedes

Mich von den Schiffen zur Mauer hinwegdrängt oder ich selbst ihn

Töte mit meinem Erz und blutige Warfen erbeute.

Morgen zeig uns der Held die Tapferkeit, ob er vor meiner

Nahenden Lanze besteht. Doch unter den vordersten, mein ich,

Sinkt er dem Stoße der Hand und viel umher der Genossen,

Wann uns Helios morgen emporstrahlt. O so gewiß nur

Möcht ich unsterblich sein und blühn in ewiger Jugend,

Ehrenvoll, wie geehrt wird Athene selbst und Apollon,

Als der kommende Tag ein Unheil bringt den Argeiern!

Also redete Hektor, und laut herriefen die Troer.

Sie nun lösten die Rosse, die schäumenden, unter dem Joche,

Banden sie dann mit Riemen am eigenen Wagen ein jeder.

Schnell nun führte man Rinder zum Schmaus und gemästete Schafe[141]

Her aus der Stadt, auch Wein, den herzerfreuenden, trug man

Reichlich und Brot aus den Häusern, und Holz auch las man in Menge.

Und man brachte den Göttern vollkommene Festhekatomben,

Und dem Gefild entwallte der Opferduft in den Himmel,

Süßen Geruchs; doch verschmäheten ihn die seligen Götter,

Abgeneigt; denn verhaßt war die heilige Ilios jenen,

Priamos selbst und das Volk des lanzenkundigen Königs.

Sie dort, mutig und stolz, in des Kriegs Abteilung gelagert,

Saßen die ganze Nacht, und es loderten häufige Feuer.

Wie wenn hoch am Himmel die Stern' um den leuchtenden Mond her

Scheinen in herrlichem Glanz, wann windlos ruhet der Äther

(Hell sind rings die Warten der Berg' und die zackigen Gipfel,

Täler auch, aber am Himmel eröffnet sich endlos der Äther;

Alle nun schaut man die Stern', und herzlich freut sich der Hirte):

So viel zwischen des Xanthos Gestad und den Schiffen Achaias

Loderten, weit erscheinend vor Ilios, Feuer der Troer.

Tausend Feuer im Feld entflammten sie; aber an jedem

Saßen fünfzig der Männer, im Glanz des lodernden Feuers.

Doch die Rosse, mit Spelt und gelblicher Gerste genähret,

Standen bei ihrem Geschirr, die goldene Früh erwartend.

Quelle:
Homer: Ilias / Odyssee. München 1976, S. 126-142.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ilias
Ilias
Ilias · Odyssee
Ilias
Ilias (insel taschenbuch)
Ilias (Fischer Klassik)

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

In die Zeit zwischen dem ersten März 1815, als Napoleon aus Elba zurückkehrt, und der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni desselben Jahres konzentriert Grabbe das komplexe Wechselspiel zwischen Umbruch und Wiederherstellung, zwischen historischen Bedingungen und Konsequenzen. »Mit Napoleons Ende ward es mit der Welt, als wäre sie ein ausgelesenes Buch.« C.D.G.

138 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon