Auf die Heydnischen Philosophos

[34] 1.

So streng und tugendhafft die alten Weisen schrieben/

So heuchelten sie doch/ und recht erhitzt zu lieben

War unter andern auch ihr bester Zeit Vertreib.

Euclides kleidete sich selber als ein Weib/

Statt von dem Socrates die Mäßigkeit zu hören/

Ließ er sich in Athen die Fleisches Ubung lehren.


2.

Der weise Socrates war scharff genug zu nennen/

Man sah ihn auf der Brust Aspasiens doch brennen.

Pythagor wandert auch/ ob seine Träume groß/

Mit seiner Seelen offt in der Theano Schooß.

Und Solon kan mit Lust so wohl auf schöne Frauen/

Als wie des Landes Heil auf die Gesetze bauen.
[34]

3.

Diogenes mag wohl der Lais Bildniß tragen/

Der erst von seinem Faß will alle Weiber schlagen.

Und Plato, welcher sich zum Halb-Gott hat gemacht/

Hat die Gemeinschafft gar der Weiber aus gedacht.

Kurtz: welche Weißheit auch sie in den Schulen lehren/

Die Schule der Natur kan Weise leicht bethören.


4.

So war die Lehre scharff/ das Leben frey zu heissen.

Nur zwang sie ein Gesetz von aussen schön zu gleissen.

Ein Sinnen-reicher Spruch/ ein stoisches Gesicht

Bezauberte das Wolck/ und half zur Tugend nicht.

Von den Affecten frey/ ein Sieger seyn von Lüsten/

Weiß kein Philosophus, es wissens nur die Christen.


Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Menantes Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte, Halle/ Leipzig 1713, S. 34-35.
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