An M.B.

[4] O lächle fröhlich unschuldsvolle Freuden,

Ja, muntrer Knabe, freue dich,

Und unbekümmert, gleich dem Lamm auf Frühlingsheiden,

Entwickeln deine Keime sich.


Nicht Sorgen und kein Heer von Leidenschaften

Strömt über deine Seele hin;

Du sahst noch nicht, wie tolle Toren neidisch gafften,

Wann sie die Tugend sehen blühn.


Dich sucht noch nicht des kühnen Lästrers Zunge:

Erst lobt sie, doch ihr Schlangengift

Verwandelt bald das Lob, das sie so glänzend sunge,

In Tadel, welcher tödlich trifft.


Du glaubst mir nicht, daß diese schöne Erde

So viele Unzufriedne trägt,

Daß nicht der Welt, der dich der Schöpfer gab, Beschwerde,

Nur eigner Kummer Seufzen regt.


So folge ihr, du edle gute Seele,

Wohin dich nur die Tugend treibt,

Sprich: Welt! kein leerer Schatten ists, das ich mir wähle,

Nur Weisheit, die mir ewig bleibt.

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Stuttgart 1946, S. 4-5.
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