Mein Vorsatz

[27] O Freunde! Freunde! die ihr so treu mich liebt!

Was trübet meine einsame Blicke so?

Was zwingt mein armes Herz in diese

Wolkenumnachtete Totenstille?


Ich fliehe euren zärtlichen Händedruck,

Den seelenvollen, seligen Bruderkuß.

O zürnt mir nicht, daß ich ihn fliehe!

Schaut mir ins Innerste! Prüft und richtet! –


Ists heißer Durst nach Männervollkommenheit?

Ists leises Geizen um Hekatombenlohn?

Ists schwacher Schwung nach Pindars Flug? ists

Kämpfendes Streben nach Klopstocksgröße?


Ach Freunde! welcher Winkel der Erde kann

Mich decken, daß ich ewig in Nacht gehüllt

Dort weine? Ich erreich ihn nie, den

Weltenumeilenden Flug der Großen.


Doch nein! hinan den herrlichen Ehrenpfad!

Hinan! hinan! im glühenden kühnen Traum

Sie zu erreichen; muß ich einst auch

Sterbend noch stammeln: Vergeßt mich, Kinder!

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Stuttgart 1946, S. 27-28.
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