Auf einer Heide geschrieben

[28] Wohl mir! daß ich den Schwarm der Toren nimmer erblicke,

Daß jetzt unumwölkter der Blick zu den Lüften emporschaut,

Freier atmet die Brust dann in den Mauren des Elends,

Und den Winkeln des Trugs. O! schöne, selige Stunde!

Wie getrennte Geliebte nach langentbehrter Umarmung

In die Arme sich stürzen, so eilt ich herauf auf die Heide,

Mir ein Fest zu bereiten auf meiner einsamen Heide.

Und ich habe sie wieder gefunden, die stille Freuden

Alle wieder gefunden, und meine schattigten Eichen

Stehn noch eben so königlich da, umdämmern die Heide

Noch in alten stattlichen Reihn, die schattigten Eichen.

Jedesmal wandelt an meinen tausendjährigen Eichen

Mit entblößtem Haupt der Jäger vorüber, dann also

Heischet die ländliche Sage; denn unter den stattlichen Reihen

Schlummern schon lange gefallene Helden der eisernen Vorzeit.

Aber horch! was rauschet herauf im schwarzen Gebüsche?

Bleibe ferne! Störer des Sängers! – aber siehe,

Siehe! – wie herrlich! wie groß! ein hochgeweihetes Hirschheer

Wandelt langsam vorüber – hinab nach der Quelle des Tales. –

O! jetzt kenn ich mich wieder, der menschenhassende Trübsinn

Ist so ganz, so ganz aus meinem Herzen verschwunden.

Wär ich doch ewig fern von diesen Mauren des Elends,

Diesen Mauren des Trugs! – Es blinken der Riesenpaläste

Schimmernde Dächer herauf, und die Spitzen der alternden Türme,

Wo so einzeln stehn die Buchen und Eichen; es tönet

Dumpf vom Tale herauf das höfische Wagengerassel

Und der Huf der prangenden Rosse – – Höflinge! bleibet,[29]

Bleibet immerhin in eurem Wagengerassel,

Bückt euch tief auf den Narrenbühnen der Riesenpaläste,

Bleibet immerhin! – Und ihr, ihr Edlere, kommet!

Edle Greise und Männer, und edle Jünglinge, kommet!

Laßt uns Hütten baun – des echten germanischen Mannsinns

Und der Freundschaft Hütten auf meiner einsamen Heide.

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Stuttgart 1946, S. 28-30.
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