Schwabens Mägdelein

[88] So lieb wie Schwabens Mägdelein

Gibts keine weit und breit,

Die Engel in dem Himmel freun

Sich ihrer Herzlichkeit.


Mir war noch immer wohl zu Sinn,

So lang ich bei ihr war,

Bei meiner Herzenskönigin

Im blonden Lockenhaar.


Sie blickt des lieben Herrgotts Welt

So traut, so freundlich an

Und geht gerad und unverstellt

Den Lebensweg hinan.


Die Blumen wachsen sichtbarlich,

Wenn sie das Land begießt,

Es beuget Birk und Erle sich,

Wenn sie den Hain begrüßt.


Entgegen hüpft ihr jedes Kind

Und schmiegt sich traulich an,

Die Mütter in dem Dorfe sind

Ihr sonders zugetan.


Es freun sich alle, fern und nah,

Die meine Holdin sehn,[89]

Du lieber Gott! wie sollt ich da

Die süße Minne schmähn.


Nicht minder lob ich alle mir

Die Schwabenmägdelein

Und tracht im Herzen für und für

Mich ihrer Gunst zu freun.


Und zieh ich einst um Ruhmsgewinn

In Helm und Harnisch aus –

Kommt ihr, ihr Lieben, mir in Sinn,

Stracks kehrt der Held nach Haus.


Und trauft mir einst von Honigseim

Das Land Arabia,

So ruft: Herr Schwabe, komm er heim!

Flugs bin ich wieder da.


Wes Herz die Holdin nicht verehrt,

Der höre meinen Hohn,

Er ist des Vaterlands nicht wert,

Er ist kein Schwabensohn.


Er schmähe mir die Minne nicht,

Die Minne treu und rein;

Es spricht der Tor: Die Rose sticht,

Laß Rose Rose sein.

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Stuttgart 1946, S. 88-90.
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