Ihre Genesung

[22] Sieh! dein Liebstes, Natur, leidet und schläft und du,

Allesheilende, säumst? oder ihr seids nicht mehr,

Zarte Lüfte des Aethers,

Und ihr Quellen des Morgenlichts?


Alle Blumen der Erd, alle die goldenen

Frohen Früchte des Hains, alle sie heilen nicht

Dieses Leben, ihr Götter,

Das ihr selber doch euch erzogt?


Ach! schon atmet und tönt heilige Lebenslust

Ihr im reizenden Wort wieder, wie sonst und schon

Glänzt in zärtlicher Jugend

Deine Blume, wie sonst, dich an,


Heilge Natur, o du, welche zu oft, zu oft,

Wenn ich trauernd versank, lächelnd das zweifelnde

Haupt mit Gaben umkränzte,

Jugendliche, nun auch, wie sonst!


Wenn ich altre dereinst, siehe, so geb ich dir,

Die mich täglich verjüngt, Allesverwandelnde,

Deiner Flamme die Schlacken,

Und ein anderer leb ich auf.

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Stuttgart 1953, S. 22-23.
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