Achter Auftritt

[88] Pausanias. Panthea. Delia.


PAUSANIAS.

Ist Empedokles hier? o Panthea,

Du ehrest ihn, du kömmst herauf, du kömmst

Noch einmal ihn den ernsten Wanderer

Auf seinem dunkeln Pfad zu sehn!

PANTHEA.

Wo ist er?

PAUSANIAS.

Ich weiß es nicht. Er sandte mich hinweg,

Und da ich , sah ich ihn nicht wieder.

Ich rief ihn im Gebürge, doch ich fand

Ihn nicht. Er kehrt gewiß. Versprach

Er freundlich doch, bis in die Nacht zu weilen.

O käm er nur! Die liebste Stunde flieht

Geschwinder, denn die Pfeile sind, vorüber.

Noch Einmal soll ich freudig sein mit ihm,

Und du auch wirst es, Panthea! und sie,

Die edle Fremdlingin, die ihn nur Einmal,

Nur, wie ein herrlich Traumbild sieht. Euch schreckt

Sein Ende, das vor aller Augen ist,

Doch keiner nennen mag; ich glaub es wohl,

Doch werdet ihrs vergessen, sehet ihr

In seiner Blüte den Lebendigen.

Denn wunderbar vor diesem Manne schwindet

Was traurig Sterblichen und furchtbar dünkt.

Und vor dem selgen Aug ist alles licht.[88]

DELIA.

Wie liebst du ihn? und dennoch batest du

Umsonst, du hast ihn wohl genug gebeten,

Den Ernsten, daß er bleib, und länger noch

Bei Menschen wohne.

PAUSANIAS.

Konnt ich viel?

Er greift in meine Seele, wenn er mir

Antwortet, was sein Will ist. O das ists!

Daß er nur Freude gibt, wenn er versagt,

Und tiefer nur das Herz ihm widerklingt,

Und einig ist mit ihm, je mehr auf Seinem

Der Nieergründete besteht. Es ist

Nicht eitel Überredung, glaub es mir,

Wenn er des Lebens sich bemächtiget,

Oft, wenn er stille war in seiner Welt,

Der Stolzgenügsame, dann sah ich ihn

In dunkler Ahnung, voll und rege war

Die Seele mir, doch konnt ich sie nicht fühlen.

Mich ängstigte die Gegenwart des Reinen,

Des Unberührbaren; doch wenn das Wort

Entscheidend ihm von seinen Lippen kam,

Dann wars, als tönt' ein Freudenhimmel wider

In ihm und mir und ohne Widerred

Ergriff es mich, doch fühlt ich nur mich freier.

Ach! könnt er irren, um so tiefer nur

Erkennt ich ihn, den Unerschöpflichwahren,

Und wenn er stirbt, so flammt aus seiner Asche

Mir heller nur der Genius empor.

DELIA.

Ha! große Seele! dich erhebt der Tod[89]

Des Großen, mich zerreißt er nur. Was soll

Es mirs gedenken, hat der Sterbliche

Der Welt sich aufgetan, der kindlich fremde,

Und kaum erwarmt, und frohvertraut geworden,

Bald stößt ihn dann ein kaltes Schicksal wieder,

Den Kaumgeborenen, zurück,

Und ungestört in seiner Freude bleiben

Darf auch das Liebste nicht, ach! und die besten,

Sie treten auf der Todesgötter Seit,

Auch sie, und gehn dahin, mit Lust, und machen

Es uns zur Schmach, bei Sterblichen zu bleiben.

PAUSANIAS.

O bei den Seligen! verdamme nicht

Den Herrlichen, dem seine Ehre so

Zum Unglück ward

Der sterben muß, weil er zu schön gelebt,

Weil ihn zu sehr die Götter alle liebten.

Denn wird ein anderer, denn er, geschmäht,

So ists zu tilgen, aber er, wenn ihm

Was kann der Göttersohn?

lich trifft es den Unendlichen.

Ach niemals ward ein edler Angesicht

Empörender beleidiget! ich mußt

Es sehn.[90]

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 4, Stuttgart 1962, S. 88-91.
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