Laura

[92] Kein Blick der Hoffnung heitert die Seele mir,

Kein Blick der Freude! Nimmer, ach, nimmer wird

Dein Auge, Laura, meinem Auge

Wieder begegnen, und Liebe sprechen.


Dein ehrner Fußtritt hallte mir oft, o Tod,

In meiner Kindheit werdenden Dämmerung,

Und manche Mutterthräne rann mir

Auf die verblühende Knabenwange.


Wer hemmte deinen Bogen? O Seraphim,

Was flogt ihr mit der Krone zurück, und mit

Den Siegespalmen, die ihr eurer

Scheidenden Schwester entgegenhieltet?


O Kronengeber, welcher den Sterblichen

Die Ketten abreißt, komm, und entfeßle mich,

O Wonnetod! Dann schweb ich Lauren,

Lauren entgegen, und bin ihr Engel!
[92]

Quelle:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Sämtliche Werke. Band 1, Weimar 1914, S. 92-93.
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