Hof-[192] Ministri und Cavaliers.

Hof-Ministri und Cavaliers betriegen 1) Wenn sie auf allerhand Art und Weise / sonderlich durch Vorschlagung dieser und jener Ergötzlichkeiten die Landes-Herren von den Regierungs-Sorgen und einen Regenten obliegenden Verrichtungen abzuziehen suchen / damit sie nur bey so gestalten Sachen desto mehr in trüben Wassern fischen und vor ihren Theil selbst regieren können. 2) Wenn sie ihren Bedienten sowol, als andern, viel versprechen / aber wenig oder nichts halten. 3) Wenn sie durch Verkleinerung anderer Dienere veranlassen / daß diesen ihre Besoldung beschnitten werde / die ihrige aber[192] durch vieles Lamentiren und Vorstellung ihrer Meriten / von den Herren vergrössern lassen. 4) Wenn sie diejenigen / so in höhern Chargen stehen, als sie, beneiden, und durch allerhand Hof-Streiche und Räncke aus dem Sattel zu heben, sich aber desto höher ans Bret zu bringen, suchen. 5) Wenn sie von ihren Landes-Herren durch allerhand Liebkosungen oder beym Trunck deren geheime Staats-Sachen heraus locken / und hernach andern / von denen sie mit Geld dazu bestochen werden, unbefugter Weise offenbahren. 6) Wenn sie denen Herren, um deren Gnade zu erhalten oder zu erwerben /Anschläge geben / die zwar denen Herren dem Schein nach einträglich, hergegen aber dem Lande und Unterthanen, folglich dem wahren Interesse derer Herren selbst höchstschädlich sind. 7) Wenn sie mehr ihr eigenes / als das Interesse ihrer Herren zu befördern die Oberstelle bey Hofe affectiren und das Fac totum seyn wollen. 8) Wenn sie aus zeitlicher Absicht, um Ehre und Reichthum zu erlangen / die falsche Religion ihrer Herren annehmen, und mit deren Abfall von der wahren auch die ihrige changiren. 9) Wenn sie den Herren ihre Epicurische / oder gar Atheistische Principia beybringen / um dadurch ihre sündliche Begierden / Woll- und Fleisches-Lust in Fressen / Sauffen / unzüchtigen Wandel und dergleichen desto ungehinderter, gleich ihren Herren, ausüben zu können. 10) Wenn sie / unter dem Vorwand nöthiger Reisen, allerhand Lust- und Spatzier-Reisen anstellen, und dadurch, was ihnen zu thun anbefohlen / stehen und liegen lassen. 11) Wenn sie den so genannten kurtzweiligen[193] Rath oder Hof-Narren / dem man nichts vor übel nimmt, instigiren / daß er honette Leute / denen sie etwa abhold sind / vexiren, und durch die Hechel ziehen soll / um sich dadurch an ihnen heimlich zu revangiren. 12) Wenn sie eifrige Prediger, die ihren Herren und Ihnen die Wahrheit sagen / um nicht weiter von ihnen gestrafft zu werden / unter dem Vorwand / als ob sie in der Lehre verdächtig / oder wider des Herrn höchsten Respect, ihn auf der Cantzel gestrafft und prostiruiret / vom Dienst helffen. 13) Wenn sie sich aus der Hof-Küche und Keller / worüber sie theils die Aufsicht mit haben, delicate Bißgen und kostbare Weine, hinter ihrer Herren Wissen, und ausser der Tafel, zubereiten und reichen / nicht aber in Rechnung setzen lassen. 14) Wenn sie bey entstehenden Streitigkeiten mit andern denen Herren nicht zum Vergleich rathen, sondern sie noch mehr gegen einander verhetzen, um dadurch in trüben Wassern fischen, und ihre Pfeiffe desto grösser darbey schneiden zu können. 15) Wenn sie die ihnen von jemand / auch wol von armen Wittwen, Waisen und andern preßhafften Personen überreichte Suppliquen, unter dem Versprechen, solche ihrem Herrn zu insinuiren, annehmen, nachgehends aber gleichwol unterschlagen / und vor sich behalten. 16) Wenn sie Unpäßlichkeit simuliren / oder Artzney eingenommen zu haben / vorgeben, damit sie zu Hause bleiben, und daselbst sich entweder mit guten Freunden divertiren, oder sonsten ihre Privat-Geschäffte desto ungehinderter abwarten können. 17) Wenn sie denen Herren, oder auch ihres gleichen, gewisse Spiele[194] mit ihnen anzunehmen, Gelegenheit geben, da sie doch wissen, daß sie selbigen darinnen überlegen / und also ihnen Geld abgewinnen können. 18) Wenn sie diejenigen Personen / welche Audienz bey dem Herrn suchen, und etwas anzubringen haben / ausforschen, was ihr Anbringen beträffe, und da dieses ihnen nicht anständig, zwar sich anstellen, als wolten sie die Person bey dem Herrn melden / gehen auch pro Forma in des Herrn Gemach / gedencken von der suchenden Audienz aber nichts / und hinterbringen im herausgehen denen Aufwartenden die erdichtete Resolution: Der Herr könte sie itzo anderer Verrichtungen wegen nicht sprechen. 19) Wenn sie denen, welche bey dem Herrn etwas zu suchen oder anzubringen haben, und sich deßhalben in dem Vor-Gemach, um vorzukommen / præsentiren / von selbsen melden: Sie würden dieser oder jener Ursache wegen itzo nicht vor den Herrn kommen können, möchte man aber ihnen das Verlangen oder Anbringen eröffnen, wolten sie es dem Herrn bestens recommendiren, heissen ihn auch wol im Vor-Gemach warten, oder wiederkommen, gehen darauf in des Herrn Gemach, und nachdem sie die Sache gar nicht / oder sinistre vorgetragen / wieder heraus, und fertigen den Sollicitanten oder die Person, welche die Affaire angehet / mit einer von dem Herrn darauf ertheilten abschlägigen / oder von ihnen nach ihrer Convenienz ersonnenen Resolution ab / und contestiren dabey, wie sie zwar die Angelegenheit bestens und auf das favorableste vorgetragen / sie hätten aber den Herrn zu keiner andern / als zu dieser / disponiren können.
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Mittel: Daß zu solchen wichtigen Hoff-Diensten / Cavaliers, welche von einer ungeheuchelten Gottesfurcht / von Ehr- und Geld-Geitz unbefleckte und redliche aufrichtige Leute sind / aufgesuchet und angenommen werden / denn auch / daß der Herr nicht leicht jemanden /eine zumahlen kurtze Audientz versage / oder / wie an gewissen Höfen höchstlöblich angeordnet und eingeführet ist / jedem / er sey reich oder arm / hoch oder niedrig / einen Zutritt und Gehör zu gewissen gesetzten Tagen und Stunden in der Woche verstatte / die übrigen Gebrechen aber vermittelst einer guten Hof-Ordnung abschaffe / und solchen vorbeuge.

Quelle:
Hoenn, Georg Paul: Betrugs-Lexikon, worinnen die meisten Betrügereyen in allen Staenden nebst denen darwieder guten Theils dienenden Mitteln entdecket von ,-, Dritte Edition, Coburg 1724 [Nachdruck Leipzig 1981], S. 192-196.
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