Zehnter Auftritt.

[42] Vorige. Christian.


CHRISTIAN. Ein Bedienter des Fräuleins – Die Gesellschaft wartete, Leise. der Jude will nicht kommen.

RUHBERG DER SOHN. Schrecklich! – Gleich werde ich kommen. Christian ab. Mit leeren Händen!

MADAME RUHBERG. Du wirst wieder hingehen?

RUHBERG DER SOHN. Ich muß, wegen – ich muß! – heut noch werde ich dem Baron ein Billet an das Fräulein übergeben. Wenn sie Menschen und die Sprache des Herzens kennt, so ist sie überzeugt, daß mein Herz unter Tausenden sie wählen würde – auch wenn sie in Dürftigkeit lebte. Ich[42] habe durch Verlust des Vermögens ihr bewiesen, daß ich jede Aufopferung für nichts achte, wenn ich mir damit erwerbe, um sie zu sein.

MADAME RUHBERG. Wohl – und doch – Wie erniedrigt fühle ich mich, daß du dieser Heirath bedarfst?Ahnend. Wenn man dich abwiese?

RUHBERG DER SOHN. Nimmermehr!

MADAME RUHBERG gewisser. Wenn man dich abwiese! Ach Eduard – ich habe den Gedanken noch nie gedacht, daß man meinen Sohn abweisen könnte – als jetzt – seit ich arm bin!

RUHBERG DER SOHN. Hoffen Sie alles.

MADAME RUHBERG. Du müßtest diese Stadt verlassen, und was würde aus deiner Mutter? Die Welt müßte meines Jammers lachen, dein Vater ihn verdammen. Ach, ein Weib ist so hilflos gegen jeden Schmerz – was könnte ich thun, als mir Vorwürfe machen, dir nachweinen und sterben?

RUHBERG DER SOHN im höchsten Enthusiasmus. Gut, gut – ich sei abgewiesen. – Sie sollen nicht unglücklich werden – wahrhaftig nicht! Kindliche Liebe wird meinen Stolz erheben, Dankbarkeit, dringender Wiederersatz, alles wird mir ungewöhnliche Kraft geben. Jetzt handle ich für die Ehre, für die Freuden der Liebe. Dann handle ich für meine Mutter, für meine verspottete Mutter – für meinen getäuschten Vater. Dann habe ich Unrecht gut zu machen, heiße Thränen abzutrocknen. Der Unglückliche kann einen Segen erlangen, den der Glückliche nicht verdient. Was könnte dem mißlingen, den diese heiligen Gefühle begeistern? – Fühlen Sie das? O liebe Mutter, sollte ich nicht wünschen, ich würde abgewiesen? –[43]

MADAME RUHBERG. Eduard, wie liebe ich dich um dieses kindlichen Gefühls willen! – Ja – du hast mir Muth wieder gegeben. Sei alles verloren – Ehre bleibt uns unverletzt. Dein Vater wird kommen – ich gehe – ich könnte dieser Unterredung nicht zuhören – – unsere Schuld ist zu groß. Sie geht und kommt wieder. Warum wird es mir so schwer von dir wegzugehen? – Ein ungewohntes Gefühl hält mich zurück. – Ach Eduard – dieser Tag entscheidet für eine lange Zukunft – Ehre oder Schande! wie es komme – nur erhalte mir dein Herz und die Ehre! – Nimm ein Andenken von dieser feierlichen Stunde! – da! – das Bild deines Großvaters. Das Schätzbarste, was ich habe, das Einzige, was ich noch geben kann. Im Glück oder Unglück, wenn ich nicht mehr bin – denk' an deine Mutter, und die Ehre! Denke, sie gab dir es in der Stunde, wo das Glück ihres Hauses, die Vorwürfe ihrer Schwäche, die Angst um dich! – ihr Todeskampf kostete. Sie geht.

RUHBERG DER SOHN zugleich ihr nach. Ja das will ich.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 2, Wien 1843, S. 42-44.
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