Achter Auftritt.

[139] Ludwig. Graf Baptist. Vorige.


LUDWIG öffnet das Zimmer des Grafen. Ihro Excellenz der Herr Graf![139]

BARONESSE. Es ist genug! – Geb' Er mir Seinen Zettel – Einen Augenblick, mon cher Comte! – – Er will zwei hundert sechs und fünfzig Gulden? Geb' Er mir Seine Bleifeder! – – Ich akkordire Ihm hiermit ein für allemal – hundert Thaler.

STOCK desperat. Darf ich an Dero Festen gleichfalls streichen, so –

BARONESSE ohne darauf zu achten. Jetzt geh' Er an die Arbeit – und daß es nirgends fehle!

STOCK außer sich. Aber um des Himmels willen! –

BARONESSE. Wo man nicht hinsieht? – genau! – Zehn Uhr? – alles schlafen! – Ueber die Verabredung? – keinen Wein, kein Feuer, kein Licht! Wer dagegen handelt? – den Abschied! – Er? in's Narrenhäuschen gesperrt, und Ihm an Lohn einbehalten. Geh' Er! – Zur Livree. Geht!

STOCK UND BEDIENTE gehen ab.

BARONESSE mit tiefer Verbeugung zum Grafen. Wie haben Ihro Excellenz geruht?

BAPTIST. So –

BARONESSE schlägt die Hände zusammen. Ich bin beschämt, daß ich Ihro Excellenz warten ließ. Aber die Geschäfte – die Regierung – mein schwacher Körper! – Mir schlägt das Herz – die Adern beben – jeder Nerve ist in Mißklang mit dem andern! – Meine Seelenleiden sind auf den höchsten Grad gestiegen!

BAPTIST. Das gesteh' ich!

BARONESSE mit wüthendem Auge und freundlichen Munde. Setzen wir uns, mon cher Comte!

BAPTIST gibt Stühle.

BARONESSE. Soll ich denn wirklich meine Tochter dem[140] Grafen Bardenrode geben? Warm. dem Erbherrn der Gräflich-Bogaischen Güter und Herrschaften? Soll ich? – Gut! Gut! – ich sehe, ich soll es! – Freilich – ließe sich noch etwas anderes hoffen. Etwas ganz anderes. Stolz. Ich, mon cher Comte, bin eine Bogaische Tochter! – Pause. Nicht? Heftig. Bin ich nicht?

BAPTIST zurück rückend. Die Frau Mutter selig waren Franziska, Gräfin zu Boga.

BARONESSE gelassener. Nun also? – Noch ist Hoffnung wenn ich einem von Ihnen meine Tochter gebe. Was wollen Sie, daß geschehe?

BAPTIST höflich. Ja! – ja!

BARONESSE zudringlich. Wollen Sie es mir überlassen?

BAPTIST verlegen. Was?

BARONESSE. Was noch für die Ehre unsers gemeinschaftlichen Hauses zu thun ist. – Ich will eine Heirath eines Grafen zu Boga mit meiner Tochter. Entweder den Grafen Christoph, oder Ihren Bruder den Grafen Hyazinth – oder Sie! – Begreifen Sie das?

BAPTIST. Ich habe es wohl vernommen.

BARONESSE. Wollen Sie es denn so? – Graf Christoph – Ihr Bruder Graf Hyazinth, oder Sie – wie ich da die Ordnung mache – einer muß der Gemahl meiner Tochter werden.

BAPTIST. Sie lassen es mich doch vorher wissen?

BARONESSE. Natürlich!

BAPTIST empfiehlt sich.

BARONESSE. Wohin?

BAPTIST. Greif hat mir eine Chronik geschickt – und bei der Tafel habe ich noch die Ehre –[141]

BARONESSE. Bardenrode kommt! heute! hieher! Hören Sie das?

BAPTIST. Ja wohl!

BARONESSE. Er, der auf Ihren Tod lauert! Und Sie rasen nicht?

BAPTIST vor sich hin. Allerdings!

BARONESSE. Die Unterthanen rebelliren.

BAPTIST. Man hat nicht gestürmt.

BARONESSE. Man wird stürmen! – Aber wir wollen zuvor kommen, mon cher Comte! – Ich bin eine Bogaische Tochter, und wir wollen stürmen. Den Grafen weiset man ab, zieht die Brücke auf.

BAPTIST. Die Rebellion zieht sie wieder nieder.

BARONESSE. Das will ich! Dann sagen wir: Er hat sie erregt. Ein Graf zu Boga heirathet meine Tochter – Er kommt um alles, und ich bin gerächet. Ja, mon cher Comte! noch sind wir die regierenden Herren.

BAPTIST etwas erwacht. Ja. Wir sind die regierenden Herren. Er empfiehlt sich.

BARONESSE. Wegen des Fremden? – Sie werden ihn doch freundschaftlich empfangen.

BAPTIST. Was hat er für Rang?

BARONESSE gezwungen. Recht vertrauter Freundschaft.

BAPTIST nachsinnend. Das gesteh' ich! – Wie heißt er?

BARONESSE. Monsieur Figaro.

BAPTIST. Figaro – Figaro? – Hm! das ist ja wohl gar der Figaro, nach dessen Namen und Mode meines Herrn Bruders Schnallen –

BARONESSE. Ja, ja, derselbe.

BAPTIST. Und nach dessen Namen des ältesten Herrn Bruders Hund –[142]

BARONESSE. Der nämliche.

BAPTIST. So so! – Allein ich meine, Sie hätten damals gesagt, das wäre eine Komödienpersonage?

BARONESSE. Man hat ein Schauspiel über diesen interessanten Mann geschrieben, ja. Allein – er existirt – das schreibt man mir – auch wirklich, und kommt jetzt eben von Paris.

BAPTIST. Ein – so – so ein wirklich lebendiger Mensch?

BARONESSE. Wirklich lebendig. Ein Mann vom seltensten politischen Talent, einer der ersten Köpfe; ein Graf von Bedeutung folgt ihm als Gesandter in wenig Tagen.

BAPTIST. Auch lebendig?

BARONESSE. Mais mon Dieu –

BAPTIST. Ich will sagen – auch ein wahrhafter Graf?

BARONESSE. Ein wahrhafter Graf.

BAPTIST. Das wundert mich, daß alle diese Personagen ihren Namen zu einer Komödie hergegeben haben. Wer hat die Piece verfertigt?

BARONESSE. Monsieur de Beaumarchais.

BAPTIST. Von Beaumarchais? Von genuinem Adel? So verdenke ich es ihm, daß er Komödien macht. – Also Monsieur Figaro?

BARONESSE. Wie gesagt –

BAPTIST. Das gesteh' ich! Er empfiehlt sich.

BARONESSE. Gelingt es mir nicht, diesen Leichen Seelen einzuhauchen – was wird aus mir und meiner Rache?


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 4, Wien 1843, S. 139-143.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Figaro in Deutschland
Revolutionsdramen: Figaro in Deutschland. Die Kokarden. Das Erbtheil des Vaters.

Buchempfehlung

Spitteler, Carl

Conrad der Leutnant

Conrad der Leutnant

Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon