Fünfzehnter Auftritt.

[177] Graf Bardenrode. Baronesse.

Verbeugungen in der Etikette.


BARDENRODE geht dann zu ihr, will ihr die Hand küssen. Gnädige Frau –

BARONESSE erlaubt ihm den Backen. Ich bin erfreut, mein bester Vetter, daß wir uns endlich wieder sehen.

BARDENRODE. Erfreut? – Hätte ich das hoffen dürfen. –

BARONESSE. Ach, meine Brust! – Ich bin ganz außer Athem – Ich hörte, daß Ihre Excellenz in meiner Antichambre waren – Hm! – Die Leute wissen niemals Unterschied zu machen.

BARDENRODE bedeutend. Einst war ich diesen Leuten –

BARONESSE. Meine Nervenschwäche, lieber Graf, hat indeß sehr zugenommen. Ich bin ein armes, schwach besaitetes Geschöpf – Fremde Thränen – rauben mir den Schlaf. Ich bin so weich, so sanft gestimmt, daß – Und dazu die Grafen, die Geschäfte, Regierung, Korrespondenz und alles auf mir ruhen lassen.

BARDENRODE. Meine Vettern werden dabei gewinnen.

BARONESSE. Die Wünsche der Grafen tirannisiren mich. – Was werde ich ihnen noch aufopfern müssen! – Ab davon.[177] – Wie lange ist es nun, daß wir uns nicht gesehen? – Drei Jahre! Nicht? – Ja, ja! – Es war in der Zeit des letzten Balles – wo Sie den Tag zuvor – erinnern Sie sich noch? – mit mir bei Hofe speisten.

BARDENRODE. Ich hatte das Unglück, Ihnen damals zu mißfallen –

BARONESSE fremd. Wie wäre das? – Ah – so! – Sie meinen das Gespräch an der Tafel? – Bagatellen! – die man für das Vergnügen der Gesellschaft soutenirt – und dann vergißt. – Da ich den Sieger schätze, mon Cousin, wie könnte ich ihn beneiden?

BARDENRODE. Cousin? – und Schätzung? – Bin ich nicht Sohn? durch Sie so lange Zeit getrennt von meiner guten Leopoldine –

BARONESSE pathetisch. Herr Vetter, täglich empfehle ich diese Angelegenheit dem Himmel im Gebet.

BARDENRODE. Leopoldinens Heirath –

BARONESSE. Muß das Werk des Himmels sein.

BARDENRODE. Er spricht durch unsre Herzen und aller guten Menschen Stimme.

BARONESSE. Ich habe Pflichten für das Haus, aus dem ich stamme – für mich als Mutter – meine Tochter – für Sie, geliebter Vetter – und muß er warten, daß, was ich nicht einzusehen fähig bin, der Himmel lenke.

BARDENRODE. Ich finde mir das Schloß verboten –

BARONESSE erschrocken. So ist das wirklich wahr?

BARDENRODE. O – man hatte gar die Brücke aufgezogen.

BARONESSE. Ist's möglich? Ich hörte in meinem Zimmer davon sprechen. Allein –[178]

BARDENRODE. Daß ich die Lage der Sachen hier nicht nützen will, beweiset die Ruhe, womit alle in ihre Häuser zurück gegangen sind. Allein der Sprecher der gedrückten Menschheit zu werden – das kann ich nicht versagen. Gewiß – man läßt die Menschheit hier sehr leiden.

BARONESSE. Die Menschheit – Entsetzlich! – Doch, ich sehe jetzt nur die Schmach, die Sie erlitten haben. Ich opfere mein Vermögen meinen Vettern auf; – den Einzigen, der mir es sichern kann – der mir so nahe angehört – Sie, will man auch noch von mir trennen? – Das geht zu weit! Ich will doch sehen, ob man da, wo ich einiges Einflusses mich rühmen darf, Kavaliers so tief zu kränken sich unterfangen darf? – Die Grafen müssen Ihnen Abbitte thun. –

BARDENRODE. Wie – gnädige Frau?

BARONESSE ereifert. Abbitte in Person. – Und wer dazu gerathen, wer den Befehl vollzogen – kassirt, ohne Ansehen der Person. Sie geht in des Grafen Hyazinth's Zimmer.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 4, Wien 1843, S. 177-179.
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