Dritter Auftritt.

[199] Ein Bedienter kommt von der Seite, und öffnet die Mitte, dann folget der Geheimerath. Vorige.


LIEUTENANT. Das ist ja vermutlich der Geheimerath – Mein Herr Baron –

SEKRETÄR zum Lieutenant. Pst, pst! jetzt nicht. Pst!

GEHEIMERATH bleibt stehen, starrt beide an. Was gibt's?

SEKRETÄR. Es ist –

LIEUTENANT. Ein Mann, der mit Ihnen zu reden wünscht.

GEHEIMERATH. Mit mir reden? Geht vor.

LIEUTENANT. Gnädiger Herr, wir beide sind leider mit einander verwandt worden –

GEHEIMERATH sieht den Sekretär an. Verwandt? – Wüßte nicht.

SEKRETÄR lacht. Lieutenant Stern.

LIEUTENANT. Sein Sie so gut, diese Menschen fortzuschicken. Wir müssen allein reden.

GEHEIMERATH verlegen. Allein?

SEKRETÄR warnend. Ihro Excellenz!

LIEUTENANT. Oder nicht allein – wie Sie wollen.

GEHEIMERATH zu dem Bedienten. Geht! Zum Sekretär. Er bleibt da. Bedienter geht. Was soll's?

LIEUTENANT. Ihr Neveu prostituirt meinen Namen.

GEHEIMERATH. Wie heißen Sie?

LIEUTENANT. Stern heiße ich, und der Name ist überall ehrlich, wo er aufgerufen wird.

GEHEIMERATH. Ich habe meinen Neveu enterbt, nehme mich nun nichts mehr an.[200]

LIEUTENANT. Ich nehme meine Tochter und meinen Enkel mit mir fort.

GEHEIMERATH. Sie thun wohl daran.

LIEUTENANT. Ich komme auch nicht darüber zureden, sondern von Ihrem Neveu. Er taugt freilich nichts, muß aber doch leben. Ich bin arm. Sie sind reich. Werden Sie ihn betteln lassen?

GEHEIMERATH. Ich gebe ihm nichts, gar nichts.

LIEUTENANT. Das ist ungerecht.

SEKRETÄR. Ei, ei!

GEHEIMERATH. Ich bin des Bettelns überdrüssig. Ist aber Ihre Tochter separirt, und er kann dereinst noch durch eine standesmäßige Mariage sein Glück machen, so ist mir es lieb, aber dermalen thue ich nichts.

LIEUTENANT. Meine Tochter behält er nicht, und wenn er eine Million von Ihnen bekäme; aber Sie sind schuldig, ihn zu erhalten.

GEHEIMERATH zum Sekretär. Schuldig? Höre Er doch!

LIEUTENANT. Schuldig! Sie haben ihn zum Bettler erzogen. Was hat er gelernt? Reiten, fechten, tanzen, spielen, Musik, und eine Quittung falsch und unleserlich schreiben. – Hätte er Wissenschaft, so brauchte er jetzt Ihre Hilfe nicht.

GEHEIMERATH. Adieu, Herr Stern!

LIEUTENANT. Der Monarch nennt mich Lieutenant. – Also geben Sie Ihrem Neveu nichts?

GEHEIMERATH. Nein.

LIEUTENANT. Nun – machen Sie das mit Ihren Herzen aus. Jetzt habe ich für mich noch etwas mit Ihnen abzumachen, oder mit Ihrem Wapen.

GEHEIMERATH. Mit meinem Wapen? Wer ficht das an?[201]

LIEUTENANT. Sie! Sie selbst!

GEHEIMERATH. Ich bin außer mir.

LIEUTENANT. Steht es einem Manne Ihres Standes an, durch Schleichwege einen alten, gut gedienten Offizier um einen längst verdienten militärischen Grad zu bringen?

GEHEIMERATH. Wen habe ich darum gebracht?

LIEUTENANT. Mich.

GEHEIMERATH. Wie? –

LIEUTENANT. Ein junger Mensch von hier, ein gewisser Gabrecht, ein Bursche von zwei und zwanzig Jahren, soll durch Ihre Protektion mein Hauptmann werden.

SEKRETÄR. Menagiren Sie sich, dieser Gabrecht ist mein Sohn.

LIEUTENANT. Herr Geheimerath, Sie kennen mich jetzt. Auf meinem Gesichte sehen Sie den Gram vieljähriger Zurücksetzung – und Gibt ihm Papiere. daraus können Sie sich von meinem Verhalten und von meinen Wunden überzeugen. Als ehrlicher Mann sind Sie schuldig, dem Kriegsminister, den Ihre Sollicitation für Gabrecht überrascht hat, zu unterrichten, daß Sie sich übereilt haben.

GEHEIMERATH. Wie?

LIEUTENANT. Und dies bald, denn mein Unvermögen verstattet mir keinen kostbaren Aufenthalt. Um sechs Uhr morgen früh reise ich ab. Uebergeben Sie dem Herrn Minister meine Papiere. Sobald Sie mir diese Gerechtigkeit erwiesen haben, werde ich mich bei ihm melden.

GEHEIMERATH. Uebergangen – wären Sie? –

SEKRETÄR. Sie sollen begreifen, daß mein hoher Gönner seine Protektion verleihen kann wem er will, ohne daß ein anderer darein zu reden hat.[202]

LIEUTENANT. Ein vierundsechzigjähriger Lieutenant – Herr Baron! Herr Baron!

GEHEIMERATH zum Sekretär. Es ist freilich arg – aber – man müßte etwa mit Seinem Sohne reden, daß der –

SEKRETÄR. Ach nein! Was geht das meinen Sohn an? Es beliebe der Herr Lieutenant den gewöhnlichen Weg einzuschlagen, und zum Herrn Kriegsminister zu gehen.

LIEUTENANT. Ich will nicht den gewöhnlichen Weg einschlagen, das sehen Sie doch wohl! Ich bin lange genug darauf gegangen, bin vergessen und hintangesetzt. Der Name von Wallenfeld kostet mir Thränen und Galle genug. Der eine plündert mein Herz, der andere meine Ehre. Sie haben gefehlt; machen Sie es gut, oder ich stoße gegen Ihr Wapen, daß der Edelmann dem Kriegsmanne Genugthuung gebe; eins von beiden müssen Sie thun, welches wollen Sie?

GEHEIMERATH. Gabrecht – was meint Er?

SEKRETÄR. Sehen Sie, Herr Lieutenant, Sie sind bei Jahren: wenn man Ihnen nun ein Stück Geld –

LIEUTENANT zum Geheimenrath. Schaffen Sie sich doch für Ihr Geld ein besseres Organ, als dies alte Pennal da.

GEHEIMERATH. Was soll ich denn? – Was wollen Sie? –

LIEUTENANT. Daß Sie gut machen, was Sie verdorben haben, oder daß Sie sich mit mir schießen.

SEKRETÄR. Du mein Gott! Ein Mordattentat gegen Hochdero Person!

LIEUTENANT. Das versteht der Herr nicht, der Herr Baron ist Kavalier.

GEHEIMERATH. Ganz recht.

LIEUTENANT. Es ist schon spät –

GEHEIMERATH. Ich gebe heute eine Fete, wo ich nicht wohl[203] abkommen kann. Nun so mag es denn sein! Ja! – In Gottes Namen – ja, ich will den Fehler repariren.

LIEUTENANT. Ich danke Ihnen. Das ist ehrlich.

GEHEIMERATH. Freilich bin ich ehrlich. Ich will mit dem Herrn Kriegsminister sprechen.

SEKRETÄR. Aber mein Sohn –

LIEUTENANT. Wann werden Sie mit ihm reden?

GEHEIMERATH. In – in – ja – in einer Stunde.

LIEUTENANT. Gut. Nach einer Stunde werde ich mich bei dem Herrn Kriegsminister melden lassen. Der Herr Baron übergeben ihm meine Attestate. Hiermit haben wir kein Geschäft mehr mit einander. Geht ab.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 3, Wien 1843, S. 199-204.
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