Sechster Auftritt.

[22] Madam Dominique. Dominique.


MADAM DOMINIQUE. Dominique!

DOMINIQUE. Julie!

MADAM DOMINIQUE. Ich weiß, – es geht nicht alles, wie es gehen sollte.

DOMINIQUE. Ach![22]

MADAM DOMINIQUE. Aber heute suche es zu vergessen. Sey freundlich, lieber Mann!

DOMINIQUE. Ich bin sehr gerührt, recht herzlich, das weiß Gott. Du verkennst mich gewiß nicht.

MADAM DOMINIQUE. Mit jedem Tage schließe ich mich inniger an deine Empfindungen.

DOMINIQUE. Darum verhehle ich dir nicht, daß ich für Morgen zittre.

MADAM DOMINIQUE. Was kann ein so zärtlicher Vater thun, das einen so guten Sohn zittern machen könnte?

DOMINIQUE sehr tief. Ach!

MADAM DOMINIQUE. Was fürchtest du?

DOMINIQUE. Hoheit!

MADAM DOMINIQUE. Seyn wir auch nicht zu hart gegen die Schwäche, womit ein thätiger, reicher Bürger am Ziele einen Lohn sucht, dessen wir freylich nicht bedürfen –

DOMINIQUE. Der uns unglücklich macht.

MADAM DOMINIQUE. Den wir uns bescheiden gefallen lassen, und unsre Ehre in dem Gehorsam finden, womit wir dem Vater folgen.

DOMINIQUE. Wir werden zum Gelächter.

MADAM DOMINIQUE. Durch kindliche Geduld?[23]

DOMINIQUE. Das ist nicht alles. Wir könnten strafbar werden, liebe Julie!

MADAM DOMINIQUE. Wodurch?

DOMINIQUE. – Ich will den morgenden Tag abwarten.

MADAM DOMINIQUE. Strafbar? Darüber darf kein Geheimniß unter uns bleiben. Sage mir alles!

DOMINIQUE. Liebe Freundin, es giebt Besorgnisse, die allein dem Manne gehören.

MADAM DOMINIQUE. Wenn es der Frau an Muth fehlt und an Willen, sie zu tragen. Seit wann scheine ich dir so schwach?

DOMINIQUE. Seit ich mich selbst unzuverlässig gefunden habe, lege ich keine erdrückende Last auf Andere.

MADAM DOMINIQUE. Unzuverlässig? Du?

DOMINIQUE. Vergißt du, was um uns vorgeht? Man nennt mich Baron von Dominique, und ich habe dem aus – unzeitiger Rücksicht nicht widersprochen.

MADAM DOMINIQUE. Es ist gut, über Thorheiten zu lächeln, und ich halte es für weise, nicht jede Schwäche mit Strenge zu verfolgen.

DOMINIQUE. Ich hätte das durchaus nicht zugeben müssen.[24]

MADAM DOMINIQUE. Mußtest du den lächerlich machen, der es sich übersehen hatte, diesen Irrthum zu veranlassen?

DOMINIQUE. Von diesem Irrthume schreibt sich alles, was mich beengt und beugt –

MADAM DOMINIQUE. Dominique!

DOMINIQUE. Darauf ruhet das Gebäude der – Verkehrtheiten, die geschehen sind –

MADAM DOMINIQUE. Lieber Dominique!

DOMINIQUE. Und die uns unmittelbar bevorstehen. –

MADAM DOMINIQUE. Du hast einen redlichen Mann bey Wort und Ehre erhalten; du hast lieber heimlich leiden, als meinen alten Vater lächerlich werden lassen wollen. Nimm dafür einen Händedruck von Herzen aus, und den Kuß der dankbaren Liebe!

DOMINIQUE umarmt sie.

MADAM DOMINIQUE. Auf unsrer Flucht, wenn der Tod uns zur Seite stand, fühltest du dich durch mich so mit Muth beseelt. Laß meine Liebe jetzt nicht weniger gelten, da sie für deine Geduld dich nicht reicher belohnen kann.

DOMINIQUE. Ach Julie! – du kannst alles aus mir machen. Seit du das so innig gesprochen hast, – – ist auch das Verdienst dahin, was ich mit meiner Geduld um dich zu haben glaubte. Es[25] sey darum! Je mehr ich deinen Werth empfinde, je glücklicher bin ich. –

HORFMANN bringt den fünften Lehnstuhl.

DOMINIQUE. Nun – ich sehe denn wohl, daß mir irgend eine Maskerade bevorsteht, die mir vielleicht sehr weh thun wird, so gut sie auch gemeint ist. Ich will den Zwang unterdrücken, der mir damit aufgelegt wird, so lange ich irgend kann. Aber Eins gelobe mir –

MADAM DOMINIQUE. Was?

DOMINIQUE. Wenn es so weit kommen sollte, daß du selbst es dir gestehen müßtest, es gehen Dinge vor, die meine Grundsätze umstoßen, meinen Charakter durchaus zweydeutig machen, – dann gebrauche nicht die Gewalt der Liebe, meine Empfindungen zu bekämpfen, sonst werde ich ganz kraftlos, und sterbe ab an deiner Seite.

MADAM DOMINIQUE. Wenn es so weit kommen sollte, – so werde Bürger oder Bauer! Die Seele, welche die Deinige so ganz versteht, kann dann weder bitten, noch klagen.

DOMINIQUE. Nun bin ich getrost, gefaßt auf alles, und gehe dem Sturm an deiner Hand entgegen. Geht.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Das Erbtheil des Vaters. Leipzig 1802, S. 22-26.
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