Neunter Auftritt.

[131] Delomer. Dominique Sohn.


DOMINIQUE S. faltet die Hände und sieht an den Boden.

DELOMER legt die Hand auf seine Schulter. So sey es! Er geht rasch von ihm.[131]

DOMINIQUE S. folgt ihm etliche Schritte, und fragt herzlich. Was ist hier vorgegangen?

DELOMER er deutet mit der Hand, daß das auf sich beruhen solle; dann sagt er mit Ernst. Dominique! – Ich verzeihe den Ungestüm, womit Sie mich vorhin verlassen haben. Er reicht ihm die Hand und sanfter. weil ich noch niemals Ihnen etwas zu verzeihen hatte.

DOMINIQUE S. küßt seine Hand. Es ist unmöglich, daß Sie mein Herz verkennen konnten.

DELOMER. Aber – jetzt verlange ich Fassung. Ich habe nun mit dem Marquis gesprochen, – lange gesprochen.

DOMINIQUE S. mit Ehrerbietung. Und was haben Sie ihm gesagt?

DELOMER. Daß ich 250000 Livres vor fünf Jahren für ihn empfangen habe.

DOMINIQUE S. Wohl!

DELOMER. Das habe ich ihm rund erklärt.

DOMINIQUE S. gutmüthig. Und wegen der Rückzahlung dieses Geldes an ihn –

DELOMER. In der That, er dürfte ein ungünstiges Schicksal belebt haben, wenn sein Vermögen in andre Hände gekommen wäre.

DOMINIQUE S. treuherzig. Gott sey gedankt, daß sein Loos in Ihren Händen ist!

DELOMER. Es ist nur zu oft geschehen, daß unter begünstigenden Umständen, Summen, die[132] so unvorsichtig, auf Gerathewohl, übermacht waren –

DOMINIQUE S. schnell. Daß diese, als fremdes Gut, sehr hazardirt gebraucht worden sind. –

DELOMER. Man hat sie, leider! auch wohl ganz und gar abgeläugnet.

DOMINIQUE S. will reden, schweigt, steht vor sich nieder.

DELOMER der seine Betroffenheit fühlt. Ich will damit nur sagen, daß des Marquis Loos sehr glücklich vor vielen andern ist.

DOMINIQUE S. niedergebeugt. Allerdings.

DELOMER. Ich habe ihm die ganze Verzinnsung vorgerechnet –

DOMINIQUE S. belebt. Das ist schön! –

DELOMER. Und zum Kapital geschlagen.

DOMINIQUE S. bekümmert. So? – Schonend. Und wann haben Sie die Rückzahlung des Kapitals an ihn festgesetzt?

DELOMER etwas unmuthig. Er hat davon nichts gesagt.

DOMINIQ. S. erstaunt, doch kindlich. Sie auch nicht?

DELOMER etwas trocken. Nein. Er geht einige Schritte von ihm.

DOMINIQUE S. der ebenfalls bey Seite geht, den Kopf schüttelnd, für sich. Mein Gott![133]

DELOMER. Er hat keine Verwandte – kann ich nicht beynahe darauf rechnen, das sein Herz ihm einige Verbindlichkeit für den auferlegt, der sein Glück ihm bewahrt hat? Und darf ich nicht in dieser Rücksicht –

DOMINIQUE S. mit unterdrücktem Unwillen. Auf diesem Wege wird ihm ein Testament für Sie abgedrungen.

DELOMER bricht mit Zorn ab. Sie sind von einem Starrsinn, – Er geht von ihm. von einer Härte, die mich beleidigt.

DOMINIQUE S. legt seine gefalteten Hände auf die Brust, verbeugt sich etwas mit dem Kopfe, und sagt im innerlichen Kampfe. Verschonen Sie mich! Ich kann in Ihre Ideen nicht eingehen.

DELOMER gereitzt. Wie?

DOMINIQUE S. mit dem Ausbruch seiner Gefühle. Nein, den Druck dieser Dinge und einer solchen Lebensweise ertrage ich nicht. Mit Schmerz. Ich kann es nicht – es ist unmöglich. Geht lebhaft umher.

DELOMER heftig. Ich durchschaue Sie ganz. Sie gehen damit um, den Marquis zu bezahlen?

DOMINIQUE S. Ich bitte, daß ich zu Ihrer Erleichterung es dürfe.

DELOMER. Ihr Gut zu verkaufen –

DOMINIQUE S. Anders kann ich nicht bezahlen.[134]

DELOMER etwas herabgestimmt. Wovon leben, wenn Ihr Gut dahin ist?

DOMINIQUE S. sanft. Von der Arbeit, wie sonst.

DELOMER. Wo?

DOMINIQUE S. mit Sehnsucht. Im Vaterlande.

DELOMER. So ists mit Ihrem Vater verabredet? Ich begreife.

DOMINIQUE S. rasch und kräftig. Mein Ehrenwort darauf – daß von Ihrer Lage mit dem Marquis mein Vater nicht eine Silbe weiß. Mit Feuer. Nicht eine Silbe!

DELOMER. Ist das gewiß?

DOMINIQUE S. Auf Ehre!

DELOMER reicht ihm abgewandt die Hand. Ich danke dafür.

DOMINIQUE S. umarmt ihn. Lassen Sie mich Ihnen doch alles verdanken! Bezahlen Sie den Marquis, und –

DELOMER. Unbarmherziger Mensch! – ich kann es ja nicht. Bey Gott! ich kann es nicht, und ich gehe nicht zurück.

DOMINIQUE S. tritt zurück.

DELOMER. Der Schande setze ich mich nicht aus. Thun Sie, was Sie wollen; – aber das sage ich Ihnen, meine Tochter wird mich nicht verlassen. Ich habe ihre Gelübde, daß sie mein Auge schließen will; und ich sterbe hier, hier, wo Sie[135] mein Werk zernichten. Wollen Sie mich verlassen, so müssen Sie auch Ihr Weib verlassen. Wagen Sie es! darauf, so vergebe Ihnen Gott meinen Gram, mein trostloses Leben, und die Verachtung meiner treuen Vatersorge. Geht.

DOMINIQUE S. Das habe ich nicht verdient. Er stutzt sich auf einen Stuhl.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Das Erbtheil des Vaters. Leipzig 1802, S. 131-136.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Erbtheil des Vaters
Revolutionsdramen: Figaro in Deutschland. Die Kokarden. Das Erbtheil des Vaters.

Buchempfehlung

Mickiewicz, Adam

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.

266 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon