[311] KATHARINA allein.
Wer hat dir
Gesagt, daß wir zusammen wandern? Jetzt
Hab' ich dir in das Herz geschaut. – Du warst
Mir stets unleidlich, meiner Niedrigkeit
Verhaßter Spiegel! Martha nennst du mich ...
Katharin' Alexiewna soll gedenken
Des Mädchens von Marienburg. Du willst[311]
Die Bäu'rin auf dem Thron! Wie gut! Die Bürde
Nimmst du auf deine Schultern. Welche Großmut!
Man wird dir innig dafür danken müssen. –
Armseliger! Was kannst du? Morden. – Was
Ist all dein Witz? Ein wenig Lügen, Fälschen,
Und Geld zusammenraffen. Ja, um Gold
Verkauftest du Provinzen. Schmutz'ger Mäkler!
Wär' ich ein Mann, der Schwede sollt' es fühlen,
Das letzte Blut des Herzens strömt' ich hin
Für unser Petersburg!
Weh mir, daß ich ein Weib bin! Wir verfehlten,
O wir mißratnen Wesen! – Grausam gibt
Der Himmel Schönheit uns. So schenkt man Kindern
Haus, Hof und Stadt in einem Weihnachts-Kästchen.
Sei auch die Frau vollkommen, ist sie doch nur
Geschmücktes Nichts. Das Erz wächst für den Mann,
Die Eiche streckt sich, daß als Kiel dem Mann
Das Meer sie gebe unter seine Füße;
Die Völker schwellen an, damit der Mann
Mehr Diener habe, und der Himmel schuf
Der Sterne Heer, damit der Mann da droben
Unendliches in seinem Geist erobre,
Wenn er die Endlichkeit bezwungen hat! –
Und blieb uns gar nichts? Sind wir denn so ganz
Verwahrlost? Nein, wir haben auch ein Erbteil;
Gefäll'ge List, und eignen tiefen Sinn,
Einfält'ge Schalkheit, Lächeln in dem Herzen,
Im Auge Tränen! Auf der Lippe: »Ja«,
Im Haupte: »Nein«; und Schritte, zu leicht und leis
Für Euer Ohr. –
Sie macht einige Schritte in Gedanken. Dann ruft sie aus.
Wir wollen Kön'gin sein,
Doch nicht von deiner Gnade, Menzikof! –
Mein Leben ist ein Märchen. Keuchend grub
Der Vater seinen Acker, und – ich teile
Des größten Herrschers Bett. 'S ist alles! – Nichts!
Zitternd begann das Märchen ich zu lesen,
Jetzt bin ich eingelesen, und ich weiß,[312]
Daß diese Wunderfabel nur zum Schluß
Durch Wunder kommen kann. –
So wandre einsam
Geheimen Gang! Vertraue keinem! Sei
Dir selbst ein stummes Rätsel. Wie die Nacht,
Erzeug' in schwarzen Schatten, unbegriffen
Dir dein Geschick.
Sie sieht sich um.
Die Larve vor das Antlitz!
Hier kommt der Mann, der uns zu leiten denkt.
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Alexis
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