[325] Glebof tritt heftig ein. Dolgoruki.
GLEBOF.
Ist er hier?
Da ist er ja. Geh, du bist falsch, Basil!
DOLGORUKI.
Du stehst in meinem Hause, Stephan Glebof,
Und nicht in deinem.
GLEBOF.
Gebt mir einen Feind,
Der offnen Tod ins Angesicht mir schleudert!
Doch du bist falsch, Basil, falsch wie die Hölle.
DOLGORUKI.
Ich bin so wahr, wie Glebof.
GLEBOF.
Wer befahl,
Daß Truppen kommen soll'n von Twer?
DOLGORUKI.
Nun – ich.
GLEBOF.
Preobraschinsky Grenadiere?
DOLGORUKI.
Ja doch.
GLEBOF.
Gib Contre-Ordre.
DOLGORUKI.
Geh, was ficht dich an?[326]
GLEBOF.
Gib Contre-Ordre, sag' ich.
DOLGORUKI.
Nur ein Weib
Befiehlt und widerruft gedankenlos.
Du kennst die Weiber, Glebof, doch du kennst
Den Dolgoruki nicht.
GLEBOF.
Gib schleunigst Contre-Ordre!
Zieh diese Truppen nicht herbei, umgarne
Uns nicht mit diesem Netz von Erz! Ich hab'
Die meinen weit hinweggeschickt.
DOLGORUKI.
So hört ich.
Was Glebof tut mit seinen Regimentern,
Hat Dolgoruki nicht zu schelten. Gleiches
Verlang' ich von dem Glebof. Schon beginnt
Die Anarchie ihr häßlich Haupt zu schütteln.
Der Pöbel plünderte. Ein paar Betrüger
Sind aufgetreten, schreind: »Noch lebt Zar Peter!«
Wie leicht, daß Aufruhr, Wirren und Gewalt
Die Zeit als Schaum auf ihren Wogen wälzt.
Es braucht bewehrter Faust, die Ruhe Rußlands
In solchem Drang zu schützen.
GLEBOF.
Gut, schon gut.
Ich schau in deine Brust, als trüg' sie Fenster.
Nicht um die Ruhe Rußlands kommen, Freund,
Die Regimenter.
DOLGORUKI.
Ich versteh' dich nicht.
GLEBOF.
Pflegt man zu sagen, wenn man nur zu sehr
Den anderen versteht. Seltsam, daß du
Mich für entbehrlich halten kannst![327]
DOLGORUKI.
Ich mag
Nicht länger diese Rätselsprüche hören.
Kurz, ich gab Ordre, und es bleibt dabei,
Denn es sind meine Truppen.
GLEBOF.
Bis wie lang?
DOLGORUKI.
Wie?
GLEBOF.
Bis wie lang? Maschin' ist der Soldat,
Sein Herz ist von der Farbe seines Rockes. –
Wenn Er erschiene, Dolgoruki, plötzlich,
Dem Blitz gleich, wie er pflegt ...
DOLGORUKI.
Er? Wer?
GLEBOF.
Basil! –
Du zwingst mich ... Ei ja wohl! Ihr habt die Mär
Des Schiffers auch geglaubt ... Wie klang sie doch?
Dolgoruki wendet sich verlegen ab.
Die andern? Kann wohl sein. Die Masse? Ja.
Doch Ihr? 'Ne Schiffersage ist ja eben
Kein Evangelium. – Nehmt Euch in Zukunft
Vor Schelmerei in acht. Vertraun zahlt Buße.
Basil, ich sah die Menschen vierzig Jahr,
Ich bin zu alt für Täuschung. 'S ist nicht gut,
Der Sache Blöße also aufzudecken.
Ohn' Wort hofft' ich mich zu verstehn mit Euch. –
Wenn er erschiene, Dolgoruki! Graut
Dir nicht bei dem Gedanken? Oft und vielmals
Ist er gekommen, ehe wir's gedacht.
Das Meer ist seine Magd; der Länder Weiten
Sind ihm ein Nichts. – Und kam' er nun, und fände
Das Messer auf dem Wege, das wir hirnlos
Ihm selber blank und scharf da hingelegt![328]
Jetzt mög' er kommen. Hier ist's leer. Die Handvoll,
Dir mir ergeben ist, verblieb. Vom Norden
Ist alles fort nach Mecklenburg. Er steht
Allein, wagt er hieher zu gehn. Ich habe
Ein paar Strelitzen, die vom großen Blutbad
Noch übrig waren, unters Volk gestreut;
Die Bauern ringsumher sind aufgeboten.
Wir haben Schutz, zum mindsten nicht Gefahr.
Schick diese Truppen, Dolgoruki, weg,
Schick sie nach Woronesch!
DOLGORUKI.
Es soll geschehn;
Du hast mich überzeugt.
GLEBOF.
So führte dies Gespräch denn doch zum Zweck.
Leb wohl.
DOLGORUKI.
Wohin?
GLEBOF.
Nach Haus. Ein Berg von Arbeit
Liegt mir daheim. Zu mir kommt jeder. Niemand
Weiß hierzuland sich ohne Herrn zu helfen,
Und ich soll alles ordnen. Fast erdrückt mich's.
DOLGORUKI.
Willst du nicht in den Dom?
GLEBOF.
Entschuldigt mich.
Sagt, daß ich unpaß sei. Ich kann die Luft
In Kirchen nicht vertragen. Auf mein Wort:
Sie macht mir Schwindel, Herzweh und Beklemmung!
Kam ich zufällig in ein Gotteshaus,
Meint' ich vor Qualen zu vergehn. Mein Busen
Zerbrach an einem moderschwülen Elend. –[329]
Ich bitt' Euch, macht für mich die Zeremonie
Anständig mit.
Er geht.
DOLGORUKI allein.
Ich hab' mein Leben nicht
Um Zeremonien gewagt; im Krönungsbild
Als lächelnd-gähnender Statist zu stehn.
Heut abend, Glebof, soll'n die Bajonette
Des Dolgoruki eine Fei'r beginnen,
Die dir noch weniger gefallen wird.
|
Ausgewählte Ausgaben von
Alexis
|
Buchempfehlung
Der junge Naturforscher Heinrich stößt beim Sammeln von Steinen und Pflanzen auf eine verlassene Burg, die in der Gegend als Narrenburg bekannt ist, weil das zuletzt dort ansässige Geschlecht derer von Scharnast sich im Zank getrennt und die Burg aufgegeben hat. Heinrich verliebt sich in Anna, die Tochter seines Wirtes und findet Gefallen an der Gegend.
82 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro