Dritte Szene


[325] Glebof tritt heftig ein. Dolgoruki.


GLEBOF.

Ist er hier?

Da ist er ja. Geh, du bist falsch, Basil!

DOLGORUKI.

Du stehst in meinem Hause, Stephan Glebof,

Und nicht in deinem.

GLEBOF.

Gebt mir einen Feind,

Der offnen Tod ins Angesicht mir schleudert!

Doch du bist falsch, Basil, falsch wie die Hölle.

DOLGORUKI.

Ich bin so wahr, wie Glebof.

GLEBOF.

Wer befahl,

Daß Truppen kommen soll'n von Twer?

DOLGORUKI.

Nun – ich.

GLEBOF.

Preobraschinsky Grenadiere?

DOLGORUKI.

Ja doch.

GLEBOF.

Gib Contre-Ordre.

DOLGORUKI.

Geh, was ficht dich an?[326]

GLEBOF.

Gib Contre-Ordre, sag' ich.

DOLGORUKI.

Nur ein Weib

Befiehlt und widerruft gedankenlos.

Du kennst die Weiber, Glebof, doch du kennst

Den Dolgoruki nicht.

GLEBOF.

Gib schleunigst Contre-Ordre!

Zieh diese Truppen nicht herbei, umgarne

Uns nicht mit diesem Netz von Erz! Ich hab'

Die meinen weit hinweggeschickt.

DOLGORUKI.

So hört ich.

Was Glebof tut mit seinen Regimentern,

Hat Dolgoruki nicht zu schelten. Gleiches

Verlang' ich von dem Glebof. Schon beginnt

Die Anarchie ihr häßlich Haupt zu schütteln.

Der Pöbel plünderte. Ein paar Betrüger

Sind aufgetreten, schreind: »Noch lebt Zar Peter!«

Wie leicht, daß Aufruhr, Wirren und Gewalt

Die Zeit als Schaum auf ihren Wogen wälzt.

Es braucht bewehrter Faust, die Ruhe Rußlands

In solchem Drang zu schützen.

GLEBOF.

Gut, schon gut.

Ich schau in deine Brust, als trüg' sie Fenster.

Nicht um die Ruhe Rußlands kommen, Freund,

Die Regimenter.

DOLGORUKI.

Ich versteh' dich nicht.

GLEBOF.

Pflegt man zu sagen, wenn man nur zu sehr

Den anderen versteht. Seltsam, daß du

Mich für entbehrlich halten kannst![327]

DOLGORUKI.

Ich mag

Nicht länger diese Rätselsprüche hören.

Kurz, ich gab Ordre, und es bleibt dabei,

Denn es sind meine Truppen.

GLEBOF.

Bis wie lang?

DOLGORUKI.

Wie?

GLEBOF.

Bis wie lang? Maschin' ist der Soldat,

Sein Herz ist von der Farbe seines Rockes. –

Wenn Er erschiene, Dolgoruki, plötzlich,

Dem Blitz gleich, wie er pflegt ...

DOLGORUKI.

Er? Wer?

GLEBOF.

Basil! –

Du zwingst mich ... Ei ja wohl! Ihr habt die Mär

Des Schiffers auch geglaubt ... Wie klang sie doch?


Dolgoruki wendet sich verlegen ab.


Die andern? Kann wohl sein. Die Masse? Ja.

Doch Ihr? 'Ne Schiffersage ist ja eben

Kein Evangelium. – Nehmt Euch in Zukunft

Vor Schelmerei in acht. Vertraun zahlt Buße.

Basil, ich sah die Menschen vierzig Jahr,

Ich bin zu alt für Täuschung. 'S ist nicht gut,

Der Sache Blöße also aufzudecken.

Ohn' Wort hofft' ich mich zu verstehn mit Euch. –

Wenn er erschiene, Dolgoruki! Graut

Dir nicht bei dem Gedanken? Oft und vielmals

Ist er gekommen, ehe wir's gedacht.

Das Meer ist seine Magd; der Länder Weiten

Sind ihm ein Nichts. – Und kam' er nun, und fände

Das Messer auf dem Wege, das wir hirnlos

Ihm selber blank und scharf da hingelegt![328]

Jetzt mög' er kommen. Hier ist's leer. Die Handvoll,

Dir mir ergeben ist, verblieb. Vom Norden

Ist alles fort nach Mecklenburg. Er steht

Allein, wagt er hieher zu gehn. Ich habe

Ein paar Strelitzen, die vom großen Blutbad

Noch übrig waren, unters Volk gestreut;

Die Bauern ringsumher sind aufgeboten.

Wir haben Schutz, zum mindsten nicht Gefahr.

Schick diese Truppen, Dolgoruki, weg,

Schick sie nach Woronesch!

DOLGORUKI.

Es soll geschehn;

Du hast mich überzeugt.

GLEBOF.

So führte dies Gespräch denn doch zum Zweck.

Leb wohl.

DOLGORUKI.

Wohin?

GLEBOF.

Nach Haus. Ein Berg von Arbeit

Liegt mir daheim. Zu mir kommt jeder. Niemand

Weiß hierzuland sich ohne Herrn zu helfen,

Und ich soll alles ordnen. Fast erdrückt mich's.

DOLGORUKI.

Willst du nicht in den Dom?

GLEBOF.

Entschuldigt mich.

Sagt, daß ich unpaß sei. Ich kann die Luft

In Kirchen nicht vertragen. Auf mein Wort:

Sie macht mir Schwindel, Herzweh und Beklemmung!

Kam ich zufällig in ein Gotteshaus,

Meint' ich vor Qualen zu vergehn. Mein Busen

Zerbrach an einem moderschwülen Elend. –[329]

Ich bitt' Euch, macht für mich die Zeremonie

Anständig mit.


Er geht.


DOLGORUKI allein.

Ich hab' mein Leben nicht

Um Zeremonien gewagt; im Krönungsbild

Als lächelnd-gähnender Statist zu stehn.

Heut abend, Glebof, soll'n die Bajonette

Des Dolgoruki eine Fei'r beginnen,

Die dir noch weniger gefallen wird.


Quelle:
Karl Immermann: Werke. Herausgegeben von Benno von Wiese, Band 4, Frankfurt a.M., Wiesbaden 1971–1977, S. 325-330.
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